Na dann Prost: Schluck für Schluck zur Gesundheit - die Brunnenhalle ist wieder geöffnet.
Im Reich der Brunnenfrauen sprudelt und gluckst, blubbert und perlt, fließt und schwankt das Heilwasser im Glas, bis es, je nach Verordnung kalt oder lauwarm, in kleinen Schlucken die Kehle hinunter rinnt. Langsam gehen ist beim Trinken angesagt, so kehrt die Ruhe ein, die so wichtig geworden ist, um gesund zu werden. Jetzt wird in der Brunnenhalle in Bad Kissingen wieder eingeschenkt.
An diesen Damen kommt fast kein Gast vorbei: Brunnenfrauen in der blauen Gästeserviceuniform, vor rund 15 Jahren trugen sie noch fränkische Tracht, schwingen in der größten Wandel- und Brunnenhalle Europas das Zepter. Das kommt nicht aus Gold und Juwelen daher, sondern aus Glas. Ein besonderes darunter ist das Rakoczy-Glas, das mit einem Henkel versehen ist. Jedes Jahr glänzt es in einer anderen Farbe und landet so ganz schnell als Sammlerstück daheim . Zu haben ist die neueste Version ab Juli jeden Jahres.
Keine Medizinerinnen, aber...
Bei Kurgästen oder Urlaubern, die sich für das Heilwasser begeistern, zeigen Anwendungsformulare den Brunnenfrauen, welches Heilwasser getrunken werden soll. Maßstriche auf dem Glas legen die Menge für den Gast fest, um gesund zu werden. Brunnenfrau Lisa Lausenmeyer fasst zusammen: "Wir sind keine Mediziner, wir können aber Empfehlungen geben." Seit drei Jahren arbeitet die 30-Jährige im Gästeservice und in der Wandelhalle hinter dem Heilwassertresen. Neben den Gästen stehen auch die "Premiumtrinker" an, das sind die Premiumkarteninhaber, deren persönliches Glas, sofern gewünscht, mit einer Nummer versehen in einer Vitrine in der Brunnenhalle aufbewahrt wird. Hier schenken die Brunnenfrauen Rakoczy-, Pandur- oder "Luitpoldsprudel alt", das Wasser aus dem Maxbrunnen und das Kissinger Bitterwasser aus sauber blitzenden Phosphorbronzeleitungen in das Glas.
Trink- und Bäderkuren
"Die Leitungen ist besonders langlebig" lautet die Erklärung, warum sich die gescheiten Häupter aus früheren Zeiten für dieses Material entschieden haben. Allerdings ist es aufwändig zu putzen und auch das zählt zu den Aufgaben der Brunnenfrauen. An den langen Leitungen sind Schildchen angebracht, die dem Gast, wenn er zum ersten Mal in der Brunnenhalle steht und sich so gar nicht auskennt, den Namen des Wassers anzeigt, an dem er sich zum Trinken anstellen soll. Neben der Trinkkur gibt es in Bad Kissingen noch die Bäderkur: Reinsetzen und wohlfühlen kann man sich in den Quellen "Luitpoldsprudel neu", Runder Brunnen und Schönbornsprudel in den Wannen der Kurhäuser oder in der KissSalis Therme, deren Becken mit Schönbornsprudel gefüllt sind.
Ohne Kohlensäure
Das Heilwasser zum Trinken fließt keinesfalls aus dem Hahn einfach ins Glas, es wird vorher, je nach Empfehlung angewärmt und entgast. Das heißt, die Kohlensäure, etwas weniger als man es von einem Medium-Mineralwasser kennt, wird durch hohes Schwenken von Glas zu Glas entnommen. Was für ein Spektakel! Bei Anfänger-Brunnenfrauen sorgt das leicht für nasse Füße, der Schwung muss geübt werden.
Rakoczy, ausgesprochen "Rakotschi" mit Betonung auf dem rollenden "R" und einem kurzen "a" kennt in der Kurstadt fast jeder, auch wenn bestimmt nicht jeder das Heilwasser probiert hat. Der ungarische Fürst Ferenc Rákóczi ist Namensgeber des größten Festes in der Stadt und daher weit über den Landkreis hinaus bekannt. Sein Denkmal steht direkt vor dem Eingang der Brunnenhalle, gleich so, als wolle er sehen, wie die Menschen auf das nach ihm benannte Heilwasser reagieren. Meistens verziehen sie das Gesicht, es schmeckt salzig, ein bisschen intensiver als Pandur und der schmeckt weniger intensiv als Wasser aus dem Maxbrunnen.
Geschmack von Rost
Die Pandur-Quelle war die erste, die Lausenmeyer gekostet hat "das hat mich ein bisschen an rostiges Eisen erinnert." Darüber lacht sie heute. Über Geschmack lässt sich streiten, unbestritten ist die Heilwirkung. Rakoczy-Wasser hilft bei chronischen Störungen der Magensekretion ebenso wie bei chronischen Entzündungen der Magen- und Darmschleimhaut oder bei Gallensteinen, Lebererkrankungen und Gicht. Wer das Wasser in der Kur zu sich nimmt, ist vom Arzt oder den Brunnenfrauen schon aufgeklärt, denn der Rakoczy-Brunnen ist berühmt für seine durchschlagende Wirkung. Wer nur probiert, bleibt sicher vor einem allzu schnellen Toilettengang verschont.