Dankbarkeit ist mehr als nur ein Zeichen guter Umgangsformen. Es zeugt vielmehr von einer bewussten Lebenshaltung.
Als die letzten Mülltonnen vor den Festtagen geleert wurden, dauerte es manchmal etwas länger, bis das Müllauto weiterfuhr. Auch dieses Jahr dachte wieder der eine oder andere Hausbesitzer an die, die früher arbeiten, als man selbst aufsteht, und deren Job man eher nicht übernehmen möchte.
Zu den Festtagen binden die Müllwerker, wie die Müllmänner eigentlich heißen, nun die kleinen Dank-Bekundungen der Leute, die sie nie zu Gesicht bekommen, von den Mülltonnen. "Meistens ist es etwas Süßes. Wir haben aber auch schon mal ein Päckchen Kaffee und Kinderbilder mit Müllautos bekommen", erzählen Klaus Voll und sein Kollege Nabil Atyeh. "Man muss schon manchmal lächeln."
Anerkennung tut gut
Die beiden sehen die Geschenke als "nette Geste" und "Freundlichkeit von den Leuten". Das kleine Weihnachtsgeschenk lockert den Müllwerker-Alltag auf. Da stört es überhaupt nicht, wenn sie in der winterlichen Kälte die Handschuhe ausziehen müssen, um das Packerl von der Tonne lösen zu können. Obwohl es ja " nur unser Job ist", freuen sie sich über die Anerkennung, und vor allem darüber, "dass die Leute an uns denken".
Nicht nur zu Weihnachten, eigentlich das ganze Jahr über freut sich Alexandra Witschak über kleine Anerkennungen. Patienten oder Angehörige drücken der Krankenschwester beim Abschied aus der Franz-von-Prümmer-Klinik die Hand, manchmal gibt es auch eine emotionalere Geste - eine herzliche Umarmung. Viele selbstgebastelte Dankes-Karten hängen im Stationszimmer: "So haben wir den Dank bildlich immer vor uns."
Ein Dankeschön zu erhalten, ist für Alexandra Witschak wichtig: "Es ist eine Bestätigung dessen, was wir machen", und gleichzeitig Motivation.
"Über 100 Mal am Tag sagt jemand zu mir Danke", sagt Witschak. Natürlich erscheint ein "Danke" nach einem "Bitte" im Berufs- und Geschäftsalltag mechanisch, ist aber für die Schlüchtenerin höchstens "unbewusst, aber trotzdem ernst gemeint". Obwohl jeder Handgriff auf Station "selbstverständlich ist, freue ich mich trotzdem".
Nicht alle Wünsche erfüllen sich
Die Kultur des Dankens wird in der ganzen Station gepflegt. Ob bei der Übergabe, der Weitergabe von berufsbedingten Informationen, gedankt wird immer: "Ich danke selber gerne. So fühlen sich die Mitmenschen ernst genommen", erzählt Witschak, die 1988 aus Polen nach Deutschland kam. In der Heimat ihrer Kindheit hat sie gelernt, dankbar zu sein, es ist ihr geradezu ein Bedürfnis: "Nach dem Essen bedanken wir uns für die nette Gesellschaft." Es ist nicht nur Ausdruck allgemein guter Umgangsformen, sondern von Respekt.
Dr. Gerhard Hofweber sieht im Danken noch viel mehr: "Es ist eine elementare Lebenshaltung. Das macht den Menschen zum Menschen." Schon bei den Urvölkern, bei denen Götter und Riten eine große Rolle spielten, war das Bitten und Danken sehr wichtig.
Noch vor der Erfüllung der Grundbedürfnisse stellt der Philosoph das Danken, das eng mit dem Gefühl der Liebe verbunden sei. Es sei eine "wohlwollende Zuwendung, Anerkennung und Ausgleich".
Welche Worte wir für ein Dankeschön wählen, sei nicht entscheidend, sondern unsere Haltung. "Dank ist Ausdruck einer glücklichen Lebenshaltung." Wer ein Bewusstsein dafür hat, dass nicht alle Bedürfnisse erfüllt werden müssen, dass man nicht eitel und egoistisch ist, der lebt glücklicher und kann für das, was er hat, dankbar sein, so der Philosoph.
Auf Herzlichkeit kommt es an
Da ist es auch nicht verwerflich, wenn man zu gekaufter Schokolade oder geklauten Gedichten greift, wichtig ist die Absicht und die Herzlichkeit, die man in die Dankesgeste packt. Doch genau da hätten wir Deutschen Nachhilfe nötig. "Die Deutschen sind eher nüchtern, kühl und verkrampft."
Zudem sei die Welt kälter geworden. "Man muss dringend was dagegen tun", sagt Gerhard Hofweber. "Sein Herz zu öffnen, ist die dringendste Aufgabe unserer Zeit." Ausprobieren tue nicht weh. Versuchsweise könnte man eine Woche mal schauen, was passiert, wenn man öfter dankt.
Der Inhaber des Instituts für Philosophie und Wirtschaft sieht hier noch Hoffnung. "Man merkt, was Bedeutung hat. Nicht der schwachsinnige Wachstums-Gedanke, sondern das Glück wird wichtig."
Gerne denkt Hofweber an eine Gruppe Chinesen zurück, denen er im Staatsbad den Weg, nach dem sie gefragt hatten, zunächst erklärte, ihnen dann aber selbst voranfuhr, damit sie das Ziel erreichten. Die Gäste erwiderten seine Hilfsbereitschaft mit "hundertfachen Verneigungen und Dankbekundungen", erinnert sich Hofweber. Dank sei eine menschliche Geste, nicht politisch, nicht ideologisch. "Spontane Herzlichkeit würde ich über alles stellen", sagt Hofweber und stellt klar, dass Danken keinen Anspruch auf Perfektion hat oder als Selbstdarstellung missbraucht werden darf.
Keinesfalls dürfe Danken eine Pflichterfüllung sein. Auch als Erziehungsauftrag dürfe man es nicht ansehen. "Dank ist immer Kern des Menschseins." Wie eine Pflanze müsse man Danken "hegen und pflegen und positiv verstärken", dann werde das Leben als Geschenk bewusst.