Etwa jeder zwölfte Erwachsene ist überschuldet - das ist die traurige Erkenntnis einer Datenanalyse der Auskunftei Creditreform. Jahrelang war die Anzahl der Problemfälle gesunken, doch nun geht es in die andere Richtung.
Erstmals seit 2018 ist die Anzahl der überschuldeten Bundesbürger nach Angaben der Wirtschaftsauskunftei Creditreform wieder gestiegen. Es war zwar nur ein minimales Plus von 17.000 Menschen auf 5,9 Millionen und damit einen Anteil von 8,51 Prozent der Erwachsenen, wie aus dem «Schuldneratlas Deutschland 2023» hervorging, den das Unternehmen am Mittwoch in Neuss vorstellte. Nach Lesart der Creditreform-Experten ist das aber nur ein Vorbote von einem stärkeren Anstieg im kommenden Jahr. «Es wird mehr Überschuldungen geben», sagte der Leiter der Creditreform-Wirtschaftsforschung, Patrik-Ludwig Hantzsch.
Als überschuldet gilt, wer seinen finanziellen Verpflichtungen langfristig nicht nachkommen kann. Für seinen «Schuldneratlas» wertet Creditreform seit 2004 anonymisierte Daten aus amtlichen Registern, Online-Händlern und anderen Quellen aus.
Da Creditreform seine Methodik umgestellt hat, sank die Zahl der Überschuldungen in der neuen Berechnung sogar leicht auf 5,65 Millionen. Vergleiche man hingegen «Äpfeln mit Äpfeln» - gehe man also in der gleichen Methodik vor wie 2022 - so ergebe sich ein Plus auf 5,9 Millionen, sagte Fachmann Hantzsch.
Die Zeit der niedrigen Zinsen ist vorbei
Jahrelang war es in der Statistik runtergegangen. In Coronazeiten wurden die Menschen sparsamer und gerieten auch deshalb seltener in die Schuldenfalle, weil es weniger Möglichkeiten zum Geldausgeben gab. Eine Rolle spielten auch niedrige Zinsen und staatliche Hilfen, mit denen Firmen gestützt wurden und Jobs erhalten blieben.
Inzwischen sieht die Lage anders aus: Die konjunkturellen Aussichten sind düster, die Arbeitslosenzahlen steigen und die Zinsen ziehen an. Wer zum Beispiel seine Wohnung abbezahlt und dafür einen neuen Kredit braucht, muss nun viel tiefer in die Tasche greifen als zuvor. Hinzu kommt, dass Lebenshaltungskosten weiterhin hoch sind. «Es ist der Krisen zu viel und der Durchschlag auf die Verbraucher ist da», sagte Wirtschaftsforscher Hantzsch.
Überschuldung bei Unter-30-Jährigen nimmt zu
Der Schuldenatlas gab zudem Einblick in die Gründe dafür, dass Menschen finanziell aus dem Gleichgewicht geraten. In 19 Prozent der Fälle liegt es an Arbeitslosigkeit, in 18 Prozent an einer Erkrankung, einer Sucht oder einem Unfall. Auch Trennung vom Ehepartner, eine gescheiterte Selbstständigkeit und eine unwirtschaftliche Haushaltsführung sind entscheidende Faktoren.
Bei einem Blick auf die Altersgruppen fällt auf, dass sich das Problem der Überschuldung bei den Unter-30-Jährigen verschärft hat. Das liegt auch an einer recht neuen Form von Ratenkrediten von Online-Zahlungsdienstleistern, die mit dem Slogan «Buy now pay later» (Kauf jetzt, zahle später) besonders unter jungen Leuten Anklang finden.