"Kiss Me, Kate" in Nürnberg: eine umjubelte Premiere

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Das gute Ende bahnt sich an: in den Nadelstreifenanzügen die Gangster Martin Rassau (li.) und Volker Heißmann, hinter der Flagge Lilli Vanessi (Sophie Berner), ganz rechts am Tisch Fred Graham (Christian Alexander Müller) Foto: Jutta Missbach
Das gute Ende bahnt sich an: in den Nadelstreifenanzügen die Gangster Martin Rassau (li.) und Volker Heißmann, hinter der Flagge Lilli Vanessi (Sophie Berner), ganz rechts am Tisch Fred Graham (Christian Alexander Müller)  Foto: Jutta Missbach
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Regieprofi Thomas Enzinger macht in Nürnberg aus Cole Porters Musical-Klassiker eine süffige, keine Sekunde langweilige Revue mit überragenden Darstellern.

Ja, es ist unvermeidlich: Die regionalen Komik-Matadoren Martin Rassau und Volker Heißmann schmeißen die Beine vor dem mit dem Konterfei des Dichtergenies bemalten Vorhang und intonieren "Schlag nach bei Shakespeare", mit unverkennbar fränkischem Zungenschlag und fränkischen Zutaten zum Couplet.

Es sind naturgemäß keine bösen, sondern eher liebe Gangster, die Heißmann und Rassau da im Nadelstreifenanzug geben. So wie der österreichische Musical-Spezialist Thomas Enzinger seiner "Kiss Me, Kate" stets einen leicht ironischen Zug verpasst hat, was mehr als ein halbes Jahrhundert nach der Uraufführung angebracht und legitim ist. Andererseits verzichtet er auf aufdringliche Aktualisierungen - von Nuancen wie einer Flagge der "National Rifle Association" abgesehen. Und auch die Kostüme (Ausstattung: Toto) bleiben dem Baltimore von ca. 1950 verhaftet bzw. einer prächtigen Renaissance.

Denn es ist ja ein "Stück im Stück", was diesen auch heute häufig gespielten Klassiker auszeichnet. Die Kabalen in einer Theatertruppe entsprechen denen in der geplanten Shakespeare-Komödie "Der Widerspenstigen Zähmung". Zu erleben ist gleich doppelter Geschlechterkampf, der wie schon bei Shakespeare mitunter recht derbe Erotik beinhaltet: der zwischen Lilli Vanessi (Sophie Berner) und Fred Graham (Christian Alexander Müller) und ihren Rollen (kratzbürstige) Katharina vers. Petrucchio. Bis zum Happy End, das natürlich sein muss, gibt's genregemäß noch jede Menge Verwicklungen um das kesse, bestrapste Sternchen Lois Lane/Bianca (Antonia Welke), Bill Calhoun/Lucentio (Manuel Dengler) und das Theater-Faktotum Paul (Oliver Severin). Ach ja, ein überkandidelter General Harrison Howell (Richard Kindley) als Geldgeber taucht auch noch auf, die Gangster nicht zu vergessen.

Das ist Unterhaltung pur, wenn es gekonnt gemacht ist. Und das große Team hat es hoch professionell, nahezu perfekt gemacht. Cole Porters Musik ist 1999 von Don Sebesky neu orchestriert worden, und ein Orchester der Nürnberger Staatsphilharmonie, dirigiert von Volker Hiemeyer, haut mächtig rein.

Da kommt auch mal eine Kantilene in "Wunderbar" wunderbar schmelzend, oder man entdeckt in Porters Kompositionen eine Tarantella. Das bestens aufgelegte Ensemble - etliche Absolventen der Baye-
rischen Theaterakademie August Everding darunter - gibt gesanglich und tänzerisch alles. Die herrlich überdrehten Shakespeare-Szenen - eine überdimensionale Plastik des Dramatikers ziert auch die Bühne, die Toto klug mit zwei drehbaren Guckkästen als Garderoben und Palazzo-Dekor ausgestattet hat - gefallen fast noch besser als die Rahmenhandlung. Höhepunkte sind sicher die Soli Sophie Berners in "Nur kein Mann", als sie mit der Kettensäge das traktiert, was den Mann nun mal ausmacht, und von Christian Alexander Müller in "Wo ist die liebestolle Zeit". Sein Petrucchio mit deutlich modellierter Schamkapsel ist getränkt mit Testosteron; die Hattie Annette Potempa schlägt auch schon mal Salti über die Bühne, so wie die Tänzerinnen und Tänzer (Choreographie Kati Farkas) dieser fetzigen Inszenierung zusätzlichen Schwung verleihen.

Ein besonderer Gag ist der szenische Schlagzeuger Felix Uttenreuther im Bühnenhintergrund, der das Geschehen mal mit der Basstrommel, mal mit dem Besen oder der Zugpfeife absolut präzise begleitet. "Nur" Unterhaltung, aber es muss sich niemand schämen, der diese Profi-Inszenierung genießt. Die umjubelte Premiere macht die Prognose nicht schwer: Das wird ein halbes Jahr lang ein Publikumsrenner.