Mit "The Snow Queen", dem Opernerstling von Hans Abrahamsen, setzt die Bayerische Staatsoper ein ungewöhnliches neues Werk nach dem Märchen von Hans Christian Andersen musikalisch und szenisch faszinierend um.
Mit Schnee und Eis scheint Nikolaus Bachler Glück zu haben. Zu den bedeutenden Ur- und Erstaufführungen seiner in dieser Saison zu Ende gehenden Intendanz zählt die Antarktisoper "South Pole" von Miroslav Srnka und aktuell seit Samstag "The Snow Queen" von Hans Abrahamsen - beides Werke mit immensen Anforderungen, für die es ein Flaggschiff wie die Bayerische Staatsoper braucht.
Der Opernerstling des 66-jährigen Komponisten auf sein eigenes Libretto nach dem Märchen "Die Schneekönigin" ("Snedronnigen") von Hans Christian Andersen wurde erst vor zehn Wochen in Kopenhagen auf Dänisch uraufgeführt. Dass die englischsprachige Erstaufführung am Münchner Nationaltheater so schnell folgte, hat unmittelbar mit Barbara Hannigan zu tun.
Hohes Suchtpotenzial
Die vielseitige Musikerin, die in der letzten Saison Porträtkünstlerin bei den Bamberger Symphonikern war und mit ihnen und dem Liedzyklus "let me tell you" von Hans Abrahamsen auch auf Tournee ging, war für den Komponisten der Grund, überhaupt Vokalwerke zu schreiben. Da Hannigan, die Idealbesetzung für Gerda, die weibliche Hauptrolle seiner ersten Oper, aber nur in Sprachen singt, die sie auch beherrscht, lag die englische Version auf der Hand.
Wie ernst es den Münchnern mit dieser Erstaufführung war, konnte man selbst den Konzerten des Staatsorchesters ablesen: Mehrfach stand Abrahamsen auf dem Programm, darunter "Schnee", ein für ihn emblematisches Stück. Und jetzt rieselt er so gekonnt auf die Bühne und aus dem Graben des Nationaltheaters, dass man süchtig danach werden könnte.
Es beginnt mit einem undefinierbaren schrillen Flirren. Doch dann folgt ein so hauchfeines Knistern und Klingeln von Geigen, Glockenspiel, Xylophon und Akkordeon, dass man sich verdutzt fragt, wieso man diese wunderbar zarten Klänge noch nie bei einem realen Schneegestöber gehört hat. Abrahamsens "Snow Queen"-Musik ist paradox, weil sie eigentlich Stille hörbar, ja plastisch greifbar macht.
So einfach das alles auch klingt, es ist mathematisch geplant und derart komplex gebaut und geschichtet, dass es für fast fünfzig Takte sogar sichtbar einen zweiten Dirigenten braucht. Trotz, nein: wegen ihrer Konstruktion kann diese Musik hoch emotional und expressiv wirken.
Die gegebenen Wiederholungen sind selbstredend nicht identisch, sondern subtile Variationen in veränderter Länge, Rhythmik und Zeitmaß. Es geht - wie beim Schneefall - um eine andere Wahrnehmung von Zeit, die sich schrittweise dehnt.