Rund 13 Jahre lange hatte Manfred Genditzki wegen Mordes im Gefängnis gesessen, ebenso lange hatte er seine Unschuld beteuert und für die Wiederaufnahme seines Verfahrens gekämpft. Nach dem Freispruch im Juli gibt es nun eine Entschädigung für die Jahre hinter Gittern.
Update vom 05.09.2023, 21.00 Uhr: Nach Freispruch - fast 370.000 Euro Entschädigung zugesprochen
Nachdem er 13 Jahre zu Unrecht wegen Mordes in Haft gesessen hatte, hat Manfred Genditzki eine Entschädigung von 368 700 Euro erhalten. Dieser Betrag entspreche der Entschädigung für 4916 Tage im Gefängnis, sagte ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft München am Dienstag. Pro Tag stehen Genditzki damit 75 Euro zu. Zuvor hatte die Bild-Zeitung über die Zahlung berichtet.
Nicht enthalten in der Summe seien mögliche Vermögensschäden, die Genditzki wegen seiner Inhaftierung zum Beispiel durch Verdienstausfall entstanden seien, sagte der Behördensprecher. Mit Blick auf weitere Schadenersatzforderungen sagte Genditzkis Anwältin der Bild-Zeitung: "Wir werden weiter machen und auch die Wiedergutmachung sämtlicher Schäden einfordern."
Nach jahrelangem Kampf für die Anerkennung seiner Unschuld war Genditzki vom Landgericht München I Anfang Juli vom Vorwurf des Mordes freigesprochen worden. Die Staatsanwaltschaft hatte in dem neu aufgerollten Prozess um die angebliche Ermordung einer alten Frau im Jahr 2008 selbst Freispruch gefordert. Gutachten hatten untermauert, dass die alte Frau bei einem Unfall starb - und nicht Opfer eines Verbrechens wurde.
Update vom 07.07.2023, 10.18 Uhr: Angeklagter nach 13 Jahren im Gefängnis freigesprochen
Im Münchner Prozess um den sogenannten "Badewannen-Mord" von Rottach-Egern ist der angeklagte Manfred Genditzki freigesprochen worden. Er hatte für die vermeintliche Tat rund 13 Jahre im Gefängnis gesessen und jahrelang für das Wiederaufnahmeverfahren gekämpft.
"Jetzt ist es soweit. Sie haben den Tenor gehört, auf den Sie fast 14 Jahre lang gewartet haben", sagte die Vorsitzende Richterin Elisabeth Ehrl am Freitag (07. Juli 2023). Es sei ein steiniger Weg für den Angeklagten gewesen, den er mit bewundernswerter Geduld gegangen sei. Die Staatskasse müsse ihn für die zu Unrecht verhängte Gefängnisstrafe entschädigen. Genditzki nahm das Urteil ruhig und gefasst auf, im Zuschauerraum gab es Tränen.
Nicht nur die Verteidigung, auch die Staatsanwaltschaft hatte einen Freispruch gefordert, weil es nicht nur Zweifel daran gibt, dass Genditzki den Mord an einer alten Frau begangen hat, sondern auch daran, dass es überhaupt ein Verbrechen gab. Aus Sicht von Gutachtern, die in dem Prozess zu Wort kamen, ist ein Unfall der Seniorin möglich oder sogar wahrscheinlich.
Der inzwischen 63 Jahre alte Genditzki, der in der Wohnanlage der Getöteten als Hausmeister tätig war, war 2010 vom Landgericht München II zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Nach Überzeugung des Schwurgerichts hatte er die Seniorin im Oktober 2008 in deren Wohnung im oberbayerischen Rottach-Egern nach einem Streit auf den Kopf geschlagen und dann in der Badewanne ertränkt.
Er hat die Vorwürfe stets bestritten - so auch in seinem letzten Wort im neuen Prozess: "Und: Ich möchte noch sagen, ich bin unschuldig. Das war's."
Nach dem Freispruch stehen ihm Entschädigungszahlungen zu, die Kritiker für viel zu gering halten. Nach Angaben des Justizministeriums bekommt ein zu Unrecht Inhaftierter 75 Euro Entschädigung pro Haft-Tag. Das wären in Genditzkis Fall insgesamt 368 400 Euro für Jahre, in denen er seine Kinder nicht sah und die Geburt des Enkelkindes verpasste. Bis vor einigen Jahren lag der Satz sogar nur bei 25 Euro pro Tag.
Zusätzlich zur Entschädigung kann Genditzki noch materiellen Schaden geltend machen, beispielsweise wegen Verdienstausfalls.
Update vom 07.07.2023, 6.39 Uhr: Staatsanwaltschaft zweifelt an Tat und fordert Freispruch
Es ist ein mit Spannung erwartetes Urteil: An diesem Freitag (07. Juli 2023) um 10.00 Uhr soll das Landgericht München I entscheiden, ob der Angeklagte Manfred Genditzki 13 Jahre lang unschuldig wegen Mordes im Gefängnis saß. In dem neu aufgerollten Prozess um den sogenannten Badewannen-Mord fordert inzwischen sogar die Staatsanwaltschaft Freispruch, weil es Zweifel daran gibt, ob es sich bei dem Tod einer alten Frau in einer Badewanne im oberbayerischen Rottach-Egern überhaupt um ein Verbrechen handelte und nicht schlicht um einen tragischen Unfall.
Der inzwischen 63-Jährige, der in der Wohnanlage der Getöteten als Hausmeister tätig war, war 2010 vom Landgericht München II zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Nach Überzeugung des Schwurgerichts hatte er die Seniorin im Oktober 2008 in deren Wohnung nach einem Streit auf den Kopf geschlagen und dann in der Badewanne ertränkt. Er hat die Vorwürfe stets bestritten.
Nach jahrelangem Kampf um ein Wiederaufnahmeverfahren war im April ein neuer Prozess gestartet. Im neuen Verfahren waren nun Gutachter gehört worden, die den inhaftierten Mann entlasten.
Gutachten: Frau starb mit sehr großer Wahrscheinlichkeit deutlich nach dem Tatzeitraum
Möglich sei laut einem biomechanischen Gutachten, dass die Seniorin schlicht in die Wanne stürzte, sich den Kopf anschlug und ertrank. Laut einem thermodynamischen Gutachten starb die alte Frau mit sehr großer Wahrscheinlichkeit deutlich nach dem von der Staatsanwaltschaft angenommenen Tatzeitraum.
"Hat überhaupt eine Tat stattgefunden?" - das sei die entscheidende Frage, sagte Staatsanwalt Michael Schönauer in seinem Schlussplädoyer. Und diese Frage sei nun einmal nicht zweifelsfrei mit Ja zu beantworten. Die Staatskasse sei verpflichtet, Genditzki für 13 Jahre im Gefängnis zu entschädigen, sagte er und fügte hinzu, er finde "die passenden Worte nicht".
Genditzkis Verteidigerin Regina Rick forderte einen Freispruch, der keinen Zweifel an der Unschuld ihres Mandanten lässt und keinen nur aus dem Grundsatz im Zweifel für den Angeklagten.
"Dieser Fall war ein jahrelanger Marathon für mich" - Verteidigerin fordert Freispruch
Sie sei "erschöpft", hatte Rick der Mediengruppe Münchner Merkur/tz kurz vor dem Urteil gesagt. "Dieser Fall war ein jahrelanger Marathon für mich." Sie habe "vom ersten Moment an seine Unschuld geglaubt. Das ging ja damals schon aus den Akten hervor".
"Man verliert schon ein wenig die professionelle Distanz. Wenn ich nach über 20 Jahren Strafverteidigung noch ein Herz hätte, würde es manchmal brechen", sagte die Juristin. "Was dieser Mann durchgemacht hat, tut mir leid."
Originalmeldung vom 24.06.2023, 14.02 Uhr: "Fast beispielloser Justizskandal" in Bayern: Saß Manfred G. 13 Jahre unschuldig in Haft?
Vor dem Landgericht München I beginnt am Mittwoch (26. April 2023) der Prozess um einen mutmaßlichen Justizskandal. Dort wird der sogenannte "Badewannen-Mordfall" von Rottach-Egern neu aufgerollt. Die entscheidende Frage: Saß Manfred Genditzki 13 Jahre lang zu Unrecht in Haft für einen Mord, den es nie gegeben hat?
Es ist der nunmehr dritte Prozess um diesen Fall aus dem Oktober 2008. Damals war Genditzki als Hausmeister tätig, als eine 87 Jahre alte Bewohnerin des Hauses in ihrer Badewanne starb. Das Landgericht München II hatte Genditzki 2010 zu einer lebenslangen Gefängnisstrafe verurteilt. Nach Ansicht der damals zuständigen Kammer hatte Genditzki die Frau in der Badewanne ertränkt. Nachdem sein damaliger Verteidiger Revision eingelegt hatte, kam es auch in einem zweiten Prozess zum Schuldspruch.
"Justizskandal sondergleichen": Prozess zum "Badewannen-Mord" wird neu aufgerollt
Seit 2012 war das Urteil rechtskräftig, seither hatte Genditzki für eine Wiederaufnahme seines Verfahrens gekämpft, Spenden gesammelt und mit dem Geld neue Gutachten in Auftrag gegeben.
Im vergangenen Jahr dann hatte er Erfolg: Das Landgericht München I gab dem Antrag auf Wiederaufnahme statt und ordnete die Entlassung Genditzkis aus der Haft an - nach 4912 Tagen.
Genditzki und seine Anwältin Regina Rick wollen in dem neuen Prozess nun ein für alle Mal beweisen, dass er die Bewohnerin des Hauses nicht in der Badewanne ertränkt hat. Sie sprechen von einem Unfall der alten Dame. Beweisen soll das vor allem ein sogenanntes thermodynamisches Gutachten. Demnach starb die ältere Frau deutlich später als bis dahin angenommen.
"Er kann es nicht getan haben, weil die alte Dame später gestorben ist, als ursprünglich angenommen", sagte Anwältin Rick kurz vor dem Start des neuen Prozesses. Die Zeit sei also viel zu knapp. "Das schafft ja nicht mal ein russischer Auftragskiller", sagte sie. "Und im Übrigen hat er kein Motiv." Der Fall ist für sie "ein Justizskandal sondergleichen" und "fast beispiellos".
20 Verhandlungstage hat das Landgericht München I für den neuen Prozess angesetzt. Genditzki hat zum Start des Wiederaufnahmeverfahrens jede Schuld von sich gewiesen. «Er saß 13 Jahre und sieben Monate unschuldig im Gefängnis», sagte Rick zu Prozessbeginn. Er habe die 87-Jährige nicht umgebracht und ihr auch sonst keinerlei Gewalt angetan. Genditzki selbst äußerte sich nicht.
Die Verteidigerin hob indes die Hilfsbereitschaft und Korrektheit von Genditzki hervor. Ihr Mandant habe sich damit das Vertrauen der alten Dame erworben.
Wahrscheinlich müssen auf die Entschädigung Steuern und Sozialversicherungsbeiträge abgeführt werden??
Mangelnde Sorgfalt ist schleichendes Gift für das Vertrauen in den Rechtsstaat