Precht sieht Problem der Meinungsfreiheit vor allem bei junger Generation: "Die müssen tierisch Angst haben"

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Lanz & Precht
Richard David Precht (links) und Markus Lanz sehen die Meinungsfreiheit in Deutschland in Gefahr.
ZDF / Christian Bruch
Lanz & Precht
"Überhaupt keine gute Entwicklung": Richard David Precht sorgt sich um die Meinungsfreiheit in Zeiten von Social Media.
2022 Getty Images/Andreas Rentz

Markus Lanz und Richard David Precht haben sich in der neuen Folge ihres Podcasts "Lanz & Precht" über Meinungsfreiheit unterhalten. Der Philosoph sieht diesbezüglich vor allem bei der jungen Generation "überhaupt keine gute Entwicklung".

Jimmy Kimmel und die vorübergehende Absetzung seiner Late-Night-Talkshow, die in dieser Woche zurückkehrte, geben Markus Lanz und Richard David Precht weiter zu denken. In der neuen Folge ihres Podcasts "Lanz & Precht" wirft der ZDF-Moderator die Frage auf: "Wurde jemals so intensiv - auch in Deutschland, aber insbesondere in Amerika - über Meinungsfreiheit diskutiert? Über die Frage: Was darf man noch sagen?" Dabei korrigiert Lanz sogleich eine seiner Meinung nach derzeit fälschlich kursierende Formulierung.

Denn laut Lanz hätten die aktuell polarisierenden Einschränkungen, wie beispielsweise die Absetzungen der US-Shows von Stephen Colbert und (vorübergehend) Jimmy Kimmel, mit einer wirklichen "Zensur" nicht viel zu tun. Die Regierung um Donald Trump hätte ja "keine offiziellen Zensur-Gesetze erlassen. Sondern was sie tun, ist, sie erzeugen ein Klima der Angst, das dazu führt, dass die Medienkonzerne - Disney, ABC, CBS - im Grunde sich selbst zensieren. Das ist ja der spannende Punkt dabei", führte der Polittalker aus.

Precht: "Je jünger die Menschen sind, umso mehr Angst haben sie, freiheraus zu sagen, was sie denken"

"Juristisch hat sich sehr wenig verändert", stimmt Richard David Precht zu, aber: "Man ist immer nur so frei, wie man sich fühlt." Dabei weist der Philosoph vor allem auf die junge Generation hin, die "mit Cancel Culture und Shitstorms als Waffen aufgewachsen" sei. "Die müssen tierisch Angst haben, wenn das falsche Handyfoto von ihnen irgendwo in ihren Freundeskreisen zirkuliert und so weiter. Die sind oft schon, wenn es auch nur Kleinigkeiten sind, gebrannte Kinder, ganz, ganz früh", findet Precht.

"Je jünger die Menschen sind, umso mehr Angst haben sie, freiheraus zu sagen, was sie denken", fasst der Schriftsteller zusammen und sieht dabei "überhaupt keine gute Entwicklung, die wir da haben". Die Gesellschaft sei zwar sehr viel sensibler, dadurch aber auch sehr viel empfindlicher geworden, bemerkt Precht weiter: "Das ist sozusagen das Grund-Problem."

Der 60-Jährige meint zu erkennen, dass die "Pranger- und Hass-Kultur" unmittelbar damit zusammenhänge, dass sich die Leute nicht mehr trauen würden, ihre Meinung frei zu äußern. Auch Markus Lanz sieht ein großes Problem darin, dass viele Personen heutzutage anderen Leuten "sofort das Schlechteste unterstellen" und Aussagen dahingehend interpretieren.

Richard David Precht schlägt Markus Lanz neue Regel für seine ZDF-Talkshow vor

Da erinnert sich Richard David Precht an seine Zeit als Student zurück, in der er Teil einer Forschungsgruppe der Literaturwissenschaften gewesen sei. Dort habe es in den Diskussionen eine klare Regel gegeben, um böswillige Missinterpretationen zu vermeiden: "Wenn jemand einen Debatten-Beitrag macht, in dem er sich auf einen Text des anderen bezieht, dann muss er als Erstes den Text des anderen in 30 Sekunden bis einer Minute zusammenfassen, wie er ihn verstanden hat. Und der andere muss als Erstes sein Okay geben, dass er richtig verstanden worden ist, bevor man mit seiner Kritik einsetzt."

"Sensationell", ist Markus Lanz völlig begeistert von diesem Prinzip. "Du kannst die Spielregel ja mal spaßeshalber in deiner Talkshow einführen", schlägt Precht dem ZDF-Moderator für "Markus Lanz" vor. Die beiden sind sich einig: "Am Anfang muss immer der Gedanke stehen, den anderen so zu verstehen, wie er es auch gemeint hat."