Manche Hausärzte mögen zögern, sehr viele Stiche auf einmal zu verteilen, sagt der Dortmunder Immunologe Carsten Watzl. «Nicht etwa, weil sie die Stiko-Empfehlung nicht kennen, sondern weil sie befürchten, dass bei mehreren Impfungen gleichzeitig die Impfreaktionen zu hoch sein könnten.» Außerdem sei es dann leichter, wenn tatsächlich schwerere Reaktionen oder Nebenwirkungen auftreten sollten, diese einem bestimmten Mittel zuordnen zu können, so der Immunologe.
Mit einem Mal gegen Grippe und Corona?
Diese beiden Immunisierungen können gleichzeitig gegeben werden. «Sie wirken beide genauso gut, wie wenn man sie einfach verabreicht», sagt Watzl. Die Stiche sollten nach Empfehlung der Stiko an unterschiedliche Gliedmaßen - also etwa in verschiedene Oberarme - gesetzt werden. Es seien bisher keine schwerwiegenden Unverträglichkeiten durch die gleichzeitige Gabe von mRNA-Impfstoffen gegen Covid und Influenza-Impfstoffen beschrieben worden, so die Behörde.
Sind Kombi-Impfstoffe besser?
Diese Präparate sind genauso sicher wie einzelne Dosen, haben aber den Vorteil, dass sie die Zahl der nötigen Injektionen verringern. Sie schützen also mit nur einem Stich vor mehreren Krankheiten gleichzeitig. Das bedeutet: weniger Arztbesuche, weniger Stress und ein geringeres Risiko für unerwünschte Reaktionen wie etwa Schmerzen an der Einstichstelle. Die Stiko empfiehlt sogar den Griff zu Kombi-Mitteln.
Es gibt etwa Sechsfach-Impfstoffe, die gegen Diphtherie, Tetanus, Kinderlähmung, Haemophilus influenzae Typ b (Hib), Keuchhusten und Hepatitis B wirken, oder Vierfach-Präparate gegen Masern, Mumps, Röteln und Windpocken. Nach Angaben des Bundesinstituts für Öffentliche Gesundheit sind die Wirkstoffe so aufeinander abgestimmt, dass sie das Immunsystem nicht überfordern - auch nicht das von Säuglingen und Kleinkindern.
«Wenn ich einen Sechsfach-Impfstoff erhalte, bekomme ich nicht sechsmal so starke Impfreaktionen», beruhigt Watzl, sondern nur in dem Maß wie bei dem Bestandteil mit der stärksten Reaktion.
Was gilt bei Kindern?
Es stimmt, dass der Nachwuchs heutzutage gegen mehr Krankheiten immunisiert wird als früher. Dabei werden jedoch weniger Bestandteile des Erregers übertragen, die eine Immunantwort im Körper auslösen, als damals. Die Präparate sind heute hoch gereinigt und enthalten zumeist nur einzelne Teile des Erregers.
«Bestimmte Infektionen können bei Säuglingen und Kleinkindern zu einem deutlich schwereren Krankheitsverlauf führen als bei älteren Kindern, zum Beispiel, weil die Atemwege bei Säuglingen noch sehr eng sind oder weil ihr sich noch entwickelndes Immunsystem bestimmte Infektionen nicht wirksam abwehren kann», schreibt das RKI. «Impfungen zum empfohlenen Impfzeitpunkt schützen Säuglinge und Kleinkinder vor Infektionen und möglichen schweren Folgen.» Sie seien auch im Säuglingsalter verträglich.
Gibt es auch Mittel, die nicht gleichzeitig verabreicht werden sollen?
Das kann in Einzelfällen vorkommen. So wird aktuell etwa beim in Deutschland zugelassenen Lebendimpfstoff Ixchiq (Valneva) gegen das von Stechmücken übertragene Chikungunyafieber wegen der fehlenden Datenlage von einer gleichzeitigen Immunisierung gegen andere Erkrankungen abgeraten. Auskünfte wie diese sind in den Fachinformationen oder der Packungsbeilage zum jeweiligen Produkt zu finden.
In der Tropenmedizin sind Mehrfachverabreichungen aber gängig, allein weil die Betroffenen selbst unter einem gewissen Zeitdruck bis zur anvisierten Fernreise stehen. «Reisemediziner kennen es, viele Impfungen auf einmal zu geben», sagt Watzl.