Was das Amt leistet, wenn Jugendliche allein fliehen

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Junge Menschen wie dieser 16-jährige Flüchtling aus Eritrea sind oft ohne einen Vormund unterwegs. Das bringt einigen Aufwand für die Jugendämter mit sich. Foto: Daniel Karmann/dpa
Junge Menschen wie dieser 16-jährige Flüchtling aus Eritrea sind oft ohne einen Vormund unterwegs. Das bringt einigen Aufwand für die Jugendämter mit sich. Foto: Daniel Karmann/dpa

Mehr noch als Erwachsene sind die minderjährigen Flüchtlinge auf Behördenhilfe angewiesen. Ihre Aufnahme ist komplex.

Bilder des Jungen Aslan (17), der mit seinem Hundewelpen aus Syrien bis nach Deutschland flüchtete, haben Symbolcharakter. Wie er haben sich viele Jugendliche allein auf die gefährliche Reise in eine bessere Welt gemacht. Tausende unbegleitete Minderjährige weilen in Deutschland, rund vierzig auch im Kreis Lichtenfels. Weit mehr werden kommen und hier auf eine menschenwürdige Zukunft hoffen. Mit ihnen kommen besondere Herausforderungen auf das Kreisjugendamt zu.

In der Sitzung des Jugendhilfeausschusses am Dienstag wurde klar, dass es immer mehr zur Herausforderung wird, die jungen Flüchtlinge mit einem Vormund zu versehen. Im Jugendamt des Lichtenfelser Landratsamts übernimmt Mitarbeiter Stefan Hahn Vormundschaften. Allerdings soll vermieden werden, mehr als 30 Vormundschaften für unbegleitete Minderjährige auf eine Vollzeitkraft zu übertragen. Es besteht die Möglichkeit, Vereinsvormundschaften zu aktivieren: So verfügt etwa der Caritasverband über eine entsprechende Erlaubnis durch das Landesjugendamt. Wie es im Jugendhilfeeausschuss hieß, hat der Caritasverband für die Stadt und den Landkreis Coburg bereits Bereitschaft zur Unterstützung signalisiert.

Derzeit (Stand 29. September) leben 21 unbegleitete Minderjährige in der ambulant betreuten Unterkunft an der Nordgauerstraße in Lichtenfels - zudem sechs junge Volljährige, die noch minderjährig waren, als sie zugewiesen wurden. Sie erhalten weiter so genannte Hilfe für junge Volljährige. In der stationären Unterkunft in Burgkunstadt sind aktuell 16 Minderjährige untergebracht. Das Kreisjugendamt Lichtenfels ist darüber hinaus für weitere Minderjährige zuständig, die stationär außerhalb des Landkreises untergebracht sind.

Weitere Unterkünfte werden gesucht - bis Jahresende könnten im Kreis 70 Jugendliche leben. "Es wird weiter eine immense Anstrengung der Jugendämter und der gesamten Jugendhilfe erfordern, die ordentliche Versorgung und Betreuung der unbegleiteten Minderjährigen zu leisten", wie Jugendamtsleiter Achim Liesaus betonte.
Was zu tun ist, wenn ein unbegleiteter Minderjähriger nach Deutschland einreist, haben wir für Sie im folgenden Infokasten aufgeführt.


Der Ablauf: Wenn minderjährige Flüchtlinge allein nach Deutschland kommen

Erstkontakt Die erste deutsche Behörde, die mit einem Flüchtling in Kontakt kommt, muss die Personalien nach dessen Angaben aufnehmen. Legt die Person gültige Ausweisdokumente vor, so ist das darin angegebene Alter maßgeblich. Liegen wiederum keine Ausweispapiere vor, zählt die Angabe des Flüchtlings. Ist er minderjährig, so muss die Behörde oder Erstaufnahmeeinrichtung das örtlich zuständige Jugendamt über den Vorgang informieren.

Jugendamt Grundsätzlich ist das Jugendamt für die sozialpädagogische Betreuung zuständig. Außerdem kümmert sich das Amt um die wirtschaftliche Jugendhilfe (Verwaltung und Finanzielles) und bekommt in der Regel die Amtsvormundschaft übertragen. Sobald das Jugendamt erfährt, dass sich in seinem Zuständigkeitsbereich ein unbegleiteter minderjähriger Flüchtling aufhält, muss es den Minderjährigen in Obhut nehmen. Dafür reicht es aus, dass die Minderjährigkeit möglich ist; sie muss (noch) nicht festgestellt sein. Die Inobhutnahme ist eine hoheitliche Aufgabe und darf daher nur vom Jugendamt ausgesprochen werden.

Bezugsperson Bei unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen hat das Jugendamt unverzüglich die Bestellung eines Vormundes oder Pflegers zu veranlassen. Der Vormund nimmt all die Aufgaben wahr, die bisher etwa von den Eltern erfüllt wurden oder hätten erfüllt werden müssen. Zusammengefasst ist der Vormund: persönlicher Ansprechpartner, gesetzlicher Vertreter, Personensorgeberechtigter, Entwickler von Lebensperspektiven, Hilfeplaner und erster Ansprechpartner im asyl- und ausländerrechtlichen Verfahren.

Altersbestimmung
Die Alterseinschätzung eines Flüchtlings ist zur Klärung der Inobhutnahmevoraussetzung notwendig. Eine exakte Bestimmung des Lebensalters ist allerdings weder auf medizinischem, psychologischem, pädagogischem oder anderem Wege möglich. Jegliche Verfahren können nur Näherungswerte liefern.

Papiere Liegen gültige Ausweispapiere des ausländischen jungen Menschen vor, so muss auf die darin enthaltenen Angaben zurückgegriffen werden. In der Regel liegen keine gültigen Dokumente vor, sodass zunächst die Selbstauskunft entscheidend ist. Bestehen hierbei Zweifel an der Minderjährigkeit, so ist eine Inobhutnahme trotzdem möglich, wenn für die Minderjährigkeit eine ausreichende Wahrscheinlichkeit besteht.

Analyse An die Inobhutnahme eines minderjährigen Flüchtlings durch das Jugendamt schließt sich ein so genanntes Clearingverfahren an. Die Intensität des Verfahrens variiert von einem einmaligen längeren Gespräch bis hin zu einem mehrwöchigen Befragungs-Verfahren. Ziele des Clearings sind der Schutz, die Klärung der Situation und der Perspektiven des unbegleiteten minderjährigen Flüchtlings. Steht nach abgeschlossenem Clearingverfahren fest, dass der unbegleitete Minderjährige weiteren Jugendhilfebedarf hat, sind im Anschluss an die Inobhutnahme Jugendhilfeleistungen zu gewähren (etwa Hilfe zur Erziehung in Form von Heimerziehung).

Bleiberecht Wenn jugendhilferechtlicher Bedarf und die entsprechenden Voraussetzungen gegeben sind, wird nach Erreichen der Volljährigkeit Hilfe für junge Erwachsene gewährt (zum Beispiel in Form von Heimerziehung). Ob und wie lange der junge Volljährige in Deutschland bleiben darf, muss im Sinne des Ausländerrechts im Einzelfall geklärt werden. hst