Vier Bereiche der Altenhilfe unter einem Dach

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Innenhof des neuen Awo-Sozialzentrums in RedwitzAwo
Innenhof des neuen Awo-Sozialzentrums in RedwitzAwo
Gesamtleiter Steffen Coburger (links) freute sich über Blumen, die ihm Kollege Albrecht Opl, Leiter des Hauses am Rosenberg, Kronach, überreichte. Dahinter Verwaltungsmitarbeiterin Christine Wicke.
Gesamtleiter Steffen Coburger (links) freute sich über Blumen, die ihm Kollege Albrecht Opl, Leiter des Hauses am Rosenberg, Kronach, überreichte. Dahinter Verwaltungsmitarbeiterin Christine Wicke.
 
Johann "John" Weberpals: Das Erbe des Redwitzers, der nach Amerika auswanderte, legte den Grundstock für das Pflegeheim.
Johann "John" Weberpals: Das Erbe des Redwitzers, der nach Amerika auswanderte, legte den Grundstock für das Pflegeheim.
 

Das neue Sozialzentrum der Arbeiterwohlfahrt in Redwitz vereint stationäre Pflege und ambulante Angebote.

Das neue Sozialzentrum der Arbeiterwohlfahrt (Awo) ist eröffnet. Seinen Betrieb nahm es bereits im September auf, nun folgte die feierliche Einweihung. Das Besondere der Einrichtung sind die vier Bereiche unter einem Dach, die sie in dieser Form einzigartig im Landkreis machen: Pflegeheim mit 58 Plätzen in vier Wohngruppen, Tagespflege "Lebensfreude" für etwa 20 Personen, ambulanter Pflege- und Begleitungsdienst "Awo Zuhause" mit 80 Kunden sowie 13 Apartments für individuelles und betreutes Wohnen.

Zur offiziellen Feierstunde begrüßte Rudolf Schober, Präsidiumsvorsitzender des Awo-Bezirksverbandes Ober- und Mittelfranken rund 70 Gäste, die in verschiedener Weise an der Planung und Verwirklichung des Neubaus mitgewirkt haben, und sprach ihnen seinen Dank aus. Schober unterstrich, dass das Neubauprojekt in Redwitz eine Vorreiterrolle einnehme und für den Awo-Bezirksverband einen wichtigen, zukunftsträchtigen Schritt darstellt. Auch an anderen Standorten sollten Angebote der Altenhilfe in dieser Form erweitert werden.

Landrat Christian Meißner (CSU) gratulierte zur gelungenen Umsetzung dieses Projekts und betonte, wie wichtig verlässliche Strukturen der Altenhilfe im Landkreis seien. Mit dem neuen Sozialzentrum Redwitz sei ein bedeutender, bedarfsgerechter Zuwachs in der Region erfolgt.

Steffen Coburger, Gesamtleiter des Awo-Sozialzentrums Redwitz, sprach von einem "Gemeinschaftsprojekt im wahrsten Sinne des Wortes"; viele Menschen in unterschiedlichen Funktionen hätten aktiv daran mitgewirkt. An erster Stelle bedankte er sich bei seinen Mitarbeitern, die mit viel Engagement und Ideenreichtum den Neubau Wirklichkeit hatten werden lassen. Besonders erfreulich sei es, dass rechtzeitig das benötigte Personal für allen Bereiche gewonnen werden konnte. Der Versorgungsauftrag könne daher ohne Einschränkung erfüllt werden. Die Zahl der Beschäftigten sei im Zuge der Erweiterung der Dienstleistungsbereiche von 50 auf 97 angestiegen.

Im Innengarten des Neubaus folgte die symbolische Schlüsselübergabe von dem verantwortlichen Architekten Hans-Herrmann Drenske, Kulmbach, an den Präsidiumsvorsitzenden Rudolf Schober und Steffen Coburger. Drenske bedankte sich bei allen am Bau beteiligten Firmen.

Ein Höhepunkt der Festlichkeit war die ökumenische Segnung der Einrichtung durch Pfarrer Lars Rebhan und Diakon Friedrich Ullrich. Im Anschluss nutzten die Gäste die Gelegenheit, bei einem Rundgang die Räumlichkeiten kennenzulernen. Der Redwitzer "Liederkranz" und der Chor der Bewohner, die "Awo-Lerchen", hatten sich intensiv vorbereitet und rundeten die Feier mit einer gemeinsamen Darbietung ab.

Johann Weberpals - mit seinem Erbe fing alles an

Bürgermeister Christian Mrosek (CSU) berichtete in seinem Grußwort bei der Einweihungsfeier über die gelungene Zusammenarbeit der Gemeinde und der Awo, die bereits fast 50 Jahre zurückreicht. Die Basis hierfür schuf der Redwitzer Bürger Johann Weberpals (1885-1967). Mit 22 Jahren wanderte er nach Amerika aus und erwarb während der Wirtschaftskrise Aktien, die ihn - von seinen Mitmenschen unbemerkt - zum Millionär werden ließen. Sein Vermögen vermachte "John" Weberpals seiner Heimatgemeinde Redwitz, mit der Vorgabe, dass es für den Bau eines Altenheims eingesetzt werde. Diese Erbschaft bildete die Grundlage für die 1978 in Redwitz errichtete Awo-Seniorenwohnanlage. Sie wurde 1986 mit der Errichtung des Awo-Alten- und Pflegeheims erweitert, das sich nun mit seinem modernen Gebäude und erweiterten Angeboten neu ausgerichtet hat.

Planung und Entstehung des neuen Zentrums

2015 übergab die Gemeinde Redwitz das Grundstück; Bauantrag und -genehmigung erfolgten im selben Jahr. Baubeginn und Richtfest waren 2017. Der ambulante Pflege- und Begleitungsdienst "Awo Zuhause" eröffnete. Im August/September 2018 startete das Angebot der Awo-Tagespflege "Lebensfreude" (ausgelegt auf 30 Plätze) und die Heimbewohner zogen vom Altbau in den Neubau um. Es gibt dort 58 statt der bisherigen 46 Plätze. Ingesamt wurden zehn Millionen Euro investiert, davon neun für den Neubau. Finanzielle Unterstützung gab es durch die Bayerische Landesstiftung (477 000 Euro), die Stiftung Deutsches Hilfswerk (300 000 Euro), die Glücksspirale (42 000 Euro), und die Gemeinde Redwitz (Grundstück im Wert von 140 000 Euro).

Einen Tag der offenen Tür gibt es am 27. Oktober von 13 bis 17 Uhr im neuen Awo-Sozialzentrum.

Interview mit Gesamtleiter Dr. Steffen Coburger

Herr Coburger, wie kam es dazu, den ambulanten und stationären Bereich so zu verzahnen, wie dies im neuen Sozialzentrum der Fall ist?Steffen Coburger: Der Gesetzgeber hat mit dem Pflegestärkungsgesetz 2, das 2017 in Kraft getreten ist, deutlich mehr Ressourcen für den ambulanten Sektor zur Verfügung gestellt. Daraufhin haben wir unser Konzept noch einmal umgestellt. Heißt das, ambulante Hilfen haben Vorrang vor der Pflege im Heim?Die stationäre Pflege ist ein sehr wichtiger Baustein, den ich nicht unterordnen möchte. Bei intensivem nächtlichen Hilfebedarf stößt die ambulante Pflege an ihre Grenzen. Aber: Oftmals ist es so, dass man mit ambulanten Hilfestellungen oder in der Kombination von ambulanten Hilfen und Tagespflege vollstationäre Pflege verhindern oder zumindest zeitlich hinauszögern kann. Die meisten kommen mit der Intention zu uns: Ich brauche einen Heimplatz. Dabei ist es sinnvoll zu überlegen: Ist das überhaupt notwendig - oder gibt es Alternativen? Dass wir die jetzt unter einem Dach anbieten können, darüber freuen wir uns. Wie haben Sie den Bedarf für die einzelnen Bereiche ermittelt?Wir haben uns auf unsere Erfahrungswerte gestützt. Wir hatten in Redwitz im bisherigen Pflegeheim mit 46 Plätzen dauerhaft eine hundertprozentige Auslastung. Aber wir hatten auch Menschen im Heim, die dort fehlversorgt waren. Sie waren da, weil sie zu Hause Treppen zu steigen oder einen Kohleofen hatten, nicht mehr selbst die Wohnung putzen konnten. Jene sind übrigens nicht ins neue Pflegeheim umgezogen, sondern leben jetzt im Bereich betreutes Wohnen - und dies natürlich viel günstiger als zuvor. Es gibt also zu wenig Unterstützung für ältere Menschen. Wir haben uns ganz bewusst dafür entschieden, dass wir uns um diesen Bedarf kümmern. Unser ambulanter Pflegedienst hat sehr viele Kunden im Bereich der Hauswirtschaft. Sie haben 97 Mitarbeiter, nicht zuletzt - wie Sie bei der Einweihung betont haben - aufgrund guter Arbeitsbedingungen und Bezahlung. Also keine Zukunftssorgen?Doch. Das Thema Mitarbeitergewinnung treibt uns am meisten um. Was den Verdienst angeht, da hat sich in den vergangen Jahren ganz schön was getan - mit Recht! Alle Leistungen eingerechnet, hat eine Pflegefachkraft bei uns ein Einstiegsgehalt von knapp über 3000 Euro. Wir bilden im umfangreichen Maße aus. Aber es geht auch um Mitarbeiterbindung und -gesunderhaltung. Wir haben eine Hilfsmittelausstattung, die sich sehen lassen kann. Bei der Auswahl durften die Mitarbeiter ausprobieren und mitentscheiden. Wie müsste der Staat tätig werden, um für den steigenden Bedarf im Pflegebereich gut aufgestellt zu sein? Es müssen mehr Finanzmittel zur Verfügung gestellt werden. Der Staat hat sich aus der Investitionskostenförderung der Einrichtungen verabschiedet. Ganz anders, als es sich bei Kinderbetreuungseinrichtungen verhält...So ist es. Es muss die Frage erlaubt sein: Müsste gute Pflege nicht mit Steuern finanziert werden statt mit Beiträgen aus der Pflegeversicherung? Ich glaube, wir leben in einem Land, das es sich leisten könnte, Bereiche der Daseinsvorsorge wie Bildung, Krankenversorgung und Pflege mit Steuern zu finanzieren.pp