Während die vier besten Ringerteams Deutschlands am Samstag, 12. Dezember, in den Halbfinalrückkämpfen die Finalteilnehmer ermitteln, hat der AC Lichtenfels seit dem 9. Dezember seine fünfte Saison in der Bundesliga beendet. Mit dem Erreichen der Zwischenrunde - einer Art Achtelfinale - hat der ACL sein Mindestziel erreicht.
Zeit, Bilanz zu ziehen. Wir führten mit dem Vorsitzenden Stefan Heinlein, der Geschäftsführer der ACL Sport GmbH, Uwe Hetzel, und dem Mannschaftsführer Jürgen Lieb folgendes Gespräch.
Mit fünf Siegen aus 14 Kämpfen, mit der Zwischenrunde sogar 16 Begegnungen, hat der AC Lichtenfels seine fünfte Saison in der 1. Bundesliga abgeschlossen. Ist das angesichts der sieben Neuzugänge und dem qualitativ wohl besten Kader seit Zughörigkeit zur Bundesliga ein Erfolg?
Stefan Heinlein: Das Abschneiden war nicht zufriedenstellend. Die Erwartungen waren für mich höher. Man kann mit Platz 6 leben, aber angesichts der Mannschaftssituation hätte ich mir mehr erwartet.
Jürgen Lieb: Ich habe gesagt, der fünfte oder sechste Platz ist drin. Das Ziel, die Zwischenrunde, haben wir erreicht.
Dort haben wir aber mit Adelhausen den stärksten Gegner zugelost bekommen, sonst wären wir vielleicht einen Schritt weiter gekommen. Es ging in der Runde gegen Bonn um den fünften Platz, die allerdings gegen Köllerbach überraschend einen Punkt geholt hat und deshalb vor uns lag. Mit viel Glück hätten wir auch Luckenwalde schlagen können, doch vom rein sportlichen war nicht mehr drin.
Uwe Hetzel: Mindestziel erreicht. Ich glaube Platz 5 wäre drin gewesen, wenn sich nicht noch Andi Eichheimer verletzt hätte. Dann hätten wir in Bonn oder gegen Luckenwalde, als Artur Omarov 100 Gramm Übergewicht hatte, die zwei Zähler zu Rang 5 geholt. Grundsätzlich haben wir gute Leistungen, besonders in den Heimkämpfen, gezeigt, deshalb bin ich zufrieden. Wir haben aber gesehen, zu den großen Drei fehlt noch ein Stück, um sie nicht nur zu ärgern, sondern sie zu schlagen.
In der Zwischenrunde war dann Endstation. Lieb: Adelhausen war so stark besetzt, dass sie in jeder Gewichtsklasse einen besseren Ringer dagegensetzen konnten. Die waren einfach übermächtig.
Hat sich der Aufwand auch finanziell gelohnt?Hetzel: Die Zwischenrunde war ein Draufzahlgeschäft. Da im Vorfeld schon klar war, dass wir wenig Chancen haben, haben wir da die schlechteste Zuschauerzahl gehabt. Allgemein honorieren die Zuschauer den guten Ringkampfsport, der hier geboten wird, nicht so, wie wir uns das erhoffen. Gegen den Gruppenersten Mainz oder gegen Schlusslicht Leipzig waren einfach 200 Zuschauer zu wenig in der AC-Halle. Im Durchschnitt hatten wir mit 100 Zuschauern mehr pro Kampf gerechnet. Trotzdem haben wir unseren Etat durch Sponsoreneinnahmen ziemlich ausgeglichen gestalten können.
Unten wird auf jeden Fall ein schwarze Zahl stehen. Dennoch müssen wir das Ringen über die Lichtenfelser Grenzen noch bekannter machen. In Coburg oder Bamberg weiß man gar nicht, dass wir Bundesliga ringen. Auch müssen wir den Kampf als Sportevent vermarkten.
Lieb: Da müssen wir ansetzen, denn jeder, der mal einen Kampf bei uns besucht hat, sagt, das war schön, da komme ich wieder her.
Bedeutet die Personalpolitik eine Abkehr vom ACL-Prinzip einer heimischen Mannschaft? Mit Tobias Schütz stand nur noch ein Lichtenfelser im Team. Droht hier ein Identifikationsverlust zwischen den Fans und dem Team?Lieb: Es ist keiner Liga möglich, eine rein Lichtenfelser Mannschaft zu stellen, egal ob Bayern-, Ober-, 2. Liga oder Bundesliga. Wir haben derzeit ein Loch zwischen Jugend und Männern, das nicht so einfach zu stopfen ist.
In einer Gewichtsklasse haben wir fünf Lichtenfelser, aber die können nicht in der 55-Kilo-Klasse ringen, wir können sie nicht zuschneiden, wie wir sie brauchen. Und selbst wenn es gelänge, in der Bayernliga ein rein Lichtenfelser Team zu stellen, dann sind die Eigengewächse spätestens nach einem Jahr weg. In unserer Region gibt es Vereine wie Bindlach oder Burgebrach, die ständig um unserem Nachwuchs werben. Das muss allen klar sein. Und selbst vor sechs, sieben Jahren, als wir nach oben gekommen sind, hatten wir sieben Nicht-Lichtenfelser im Team. Viele reden sich das schön, doch es war nie anders. Und wenn sich Christoph Meixner nicht verletzt hätte, wären es mit ihm und Schütz zwei Lichtenfelser gewesen, die zum Einsatz gekommen wären. Das Problem zurzeit ist, dass uns im Nachwuchsbereich die Masse fehlt, um die Mannschaften mit Lichtenfelsern zu füllen.
Die Zuschauerzahlen sind ja eher rückläufig. Nehmen die Lichtenfelser die Bundesliga nach fünf Jahren im Oberhaus schon als Selbstverständlichkeit hin? Hetzel: Wir hatten keinen Zuschauerrückgang, sondern der erhoffte Zuwachs traf nicht ein. Nur beim Adelhausen-Kampf war ich enttäuscht von nur 300 Fans. Natürlich fehlen uns die Derbys gegen Hof, Nürnberg oder Thalheim. Dazu kommt natürlich, dass nach fünf Jahren die Euphorie der Bundesliga verflogen ist. Diese Euphorie müssen wir wieder wecken.
Ist die hohe Zahl von Ausländern nicht demotivierend für den Nachwuchs? Lieb: Grundsätzlich haben alle Sportarten Nachwuchsprobleme.
Für unseren Nachwuchs ist es motivierend, wenn sie im Training mal gegen einen Zaidov, der übrigens Deutscher ist, auf der Matte ringen dürfen. Außerdem hat Zaidov keinen deutschen Ringer aus dem Team gedrängt, in seiner Klasse haben wir einfach keinen. Ansonsten gehen wir nach der Devise vor: In den Klassen, in denen wir einen Einheimischen haben, wird der auch eingesetzt. Aber wenn wir in der Klasse keinen haben, müssen wir die dann mit einem Auswärtigen besetzen.
Hetzel: Christoph Meixner wäre in der 84-Freistil-Klasse vor allem in der Vorrunde gesetzt gewesen. Baranowski war ja in der Vorrunde überwiegend für die 96 Kilo geplant gewesen und Kerashvili erst in der Rückrunde für die 120 kg. So mussten wir aber durch Meixners zweifache Verletzung anders planen.
Lieb: Und viele Fans, wie auch unser Alt-Trainer Horst Koch, gehen nur wegen der Klasse an Ringern zu unseren Kämpfen. Da sieht man Olympiateilnehmer hautnah und muss nicht 100 Kilometer fahren.
Nach langen Jahren mit Trainer Ali Hadidi an der Spitze, gab es zur vergangenen Saison einen Wechsel. Sind Sie mit der Arbeit von Martin Wegner zufrieden?
Lieb: Das Training hat er sich mit Serghei Shishkov gut aufgeteilt. Beide haben ihre Sache gut gemacht. In der Aufstellung haben wir uns sowieso - wie schon unter Ali Hadidi - gemeinsam abgesprochen. Natürlich hat Wegner eine andere Art zu coachen. Ali ist eine Autorität und hat auch einen Weltmeister zusammengestaucht. Wir sind auf einem guten Weg, dass es mit dem Trainerteam auch so weitergeht.
Die zweite Mannschaft hat nach dem Aufstieg in die Bayernliga recht souverän den Ligaverbleib geschafft. Wie wichtig ist die Reserve für das Vereinskonstrukt AC Lichtenfels?Heinlein: Der Klassenerhalt war schon erfreulich. Trotzdem bin ich etwas enttäuscht, mit dem Team wäre mehr drin gewesen. Nach meinem Dafürhalten gehört die zweite Mannschaft in die Oberliga.
Lieb: Die Landesliga-Meistermannschaft hätte ohne Probleme oben mitringen können.
Heinlein: Leider hat es heuer die zweite Mannschaft mit dem Verletzungspech erwischt, so dass wir zum Teil Ringer aus der ersten in der zweiten Mannschaft einsetzen mussten. Wir können aber jetzt nicht sagen, dass wir in der nächsten Saison aufsteigen wollen.
Ein Saisonziel können wir - ob Bundesliga oder Bayernliga - erst festlegen, wenn unsere Mannschaften feststehen. Grundsätzlich bilden wir in der zweiten Mannschaft die Ringer für die Bundesliga aus. Hannes Wagner muss dort an die "Erste" herangeführt werden.
Lieb: Der Sprung von der Bayern- in die Bundesliga ist aber noch zu groß, so dass der Aufstieg in die Oberliga wichtig wäre.
Heinlein: Wobei auch zwischen der Oberliga und der Bundesliga noch Welten liegen.
Lieb: Und dann muss man noch zwischen der nationalen Klasse und Weltklasse unterscheiden, die es in der Bundesliga eben auch gibt.
Gibt es schon Veränderungen im Bundesliga-Kader für die kommende Saison?
Heinlein: Die Frage stellt sich noch nicht.
Erstmal muss beantwortet sein, ob wir überhaupt in der Bundesliga starten. In der Vorstandschaft haben wir für den Bundesliga-Verbleib plädiert, und auch die Sport GmbH hat zugestimmt. Dort muss es aber personelle Veränderungen, sprich eine Aufstockung geben. Das ist mit der Bestellung von Jürgen Lieb zum zweiten Geschäftsführer auch passiert. Bis zum 15. Januar müssen wir unsere Meldung abgeben, wobei noch offen ist, wie die Bundesliga aussieht. Aalen denkt über einen Rückzug nach, Kleinostheim hat schon zurückgezogen und weitere Vereine sind auf dem Sprung. Wir wissen also nicht, mit wie vielen Kämpfen wir planen können und was wir Ringern anbieten können. Wir führen Gespräche mit Ringern, doch abschließend kann man das erst nach der Bundesliga-Tagung am 16. Februar sagen.
Lieb: Grundsätzlich hat bis auf David Vala, der aus gesundheitlichen Gründen kürzer treten will, kein Ringer gesagt, dass er den Verein verlassen will.
Hetzel: Vom Verein wollen wir die Mannschaft so weit wie möglich zusammenhalten.
Lieb: Allerdings fällt in der kommenden Saison die Zwei-Kilo-Zugabe in jeder Gewichtsklasse weg, so dass einige Ringer nicht mehr abkochen können und in die höher Klasse gehen müssen.
Die Fragen stellte unser
Redaktionsmitglied Udo Schilling