Projekt "Meilenstein" in Lichtenfels soll Mädchen bestärken

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Sich selbst lieben - für die meisten Menschen ist das selbstverständlich, für andere extrem schwierig. Das Projekt "Meilenstein" hilft. Foto: Steffens
Sich selbst lieben - für die meisten Menschen ist das selbstverständlich, für andere extrem schwierig. Das Projekt "Meilenstein" hilft.  Foto: Steffens

Offen mit anderen umgehen, selbstbestimmt handeln und sich selbst gut finden: Für viele ist das nichts Besonderes - für andere fast ein Ding der Unmöglichkeit. Das Projekt "Meilenstein" geht dieses Problem an.

Gedanken werden Worte und Worte werden Taten. Was erst ein bisschen kryptisch klingt, präzisiert Sozialpädagoge Siegfried Simon: "Wenn ich ständig sage, ich hau' dir auf die Schnauze, dann tu' ich das irgendwann." Derart Negatives gelte es zu verhindern. Also solle man bewusst positiv denken - auch wenn es nicht immer leicht falle. "Selbstverantwortung" ist Thema des Vortrags des Sozialpädagogen. Elf Mädchen hören vom Frühstückstisch aus zu. Ein Drittel von ihnen war schon mal straffällig. Neue Ausrutscher sollen verhindert werden.

Frust abbauen, über das eigene Verhalten reflektieren, den eigenen Wert kennenlernen und wissen, wie man sich mal etwas Gutes tut. Darum geht es an diesem Tag im Haus der kirchlichen Dienste in Lichtenfels. Zum zweiten Mal findet im Rahmen des Projekts "Meilenstein" (siehe Infobox) das Mädchenprojekt "Schönheit, Selbstbewusstsein und gesunde Ernährung" statt.
Es ist gedacht für junge Frauen zwischen 14 und 24 Jahren. "Ziel ist, dass die jungen Frauen selbstbewusster im Leben stehen und zufriedener mit sich selbst werden", sagt Organisatorin Andrea Zellmer. Über ein Vierteljahr trifft sich die Gruppe alle zwei Wochen für einen Abend, um zu essen, zu lernen, zu reden.

Zweifache Mutter mit Anfang 20

Teilnehmerin Ina (Namen der Teilnehmerinnen anonymisiert) ist Anfang 20 und hat zwei Töchter, die sieben Monate und fast zwei Jahre alt sind. Die junge Mutter ist zierlich und trägt zum dunklen Zopf ein schlichtes Top und eine kurze Jeanshose. Sie wohnt in der Einrichtung Konradshof, wo vor allem junge Mütter betreut werden, die allein mit ihren Kindern überfordert wären. Straffällig war Ina nie. Aber sie hat Schulden - vor drei Monaten geriet die junge Frau in Privatinsolvenz. Warum sie heute da ist? "Um mal rauszukommen. Aber auch, weil man hier reden kann", sagt sie.

"Wenn man mit sich selbst nicht zufrieden ist, kann man das hier bei der Andrea (Zellmer) und Moni (Poglitsch) einfach rauslassen", sagt ein anderes Mädchen über die Organisatorinnen. Probleme mit den Eltern, eine miese Kindheit und Erfahrungen häuslicher Gewalt sind in der Gruppe nicht selten. Den Druck, der sich aufbaut, können die Jugendlichen bei den Pädagoginnen lassen.

Natascha ist knapp unter 20, hat einen kleinen Sohn, und ist seit einem halben Jahr Teil des "Meilenstein"-Projekts. Reingerutscht ist sie auf richterliche Weisung, nachdem sie straffällig geworden war. "Ich war schräg drauf", sagt das gepiercte Mädchen und meint ständiges Fehlen in der Schule und Drogenmissbrauch.

Auch sie wohnt auf dem Konradshof. Um mal rauszukommen, sagt sie, besuche sie diese Veranstaltung. Aber auch um zu lernen; denn richtig selbstbewusst sei sie nicht. "Ich kann mich durchsetzen, wenn ich muss. Aber ich bin auch vorsichtig." Nach dem Mädchenprojekt, das im September ausläuft, will sie etwas mehr auf Menschen zugehen können. Auch ihres Sohnes wegen. Für den wünscht sie sich später weniger Probleme, als sie selbst hatte. Ina, die Mutter zweier Töchter, stimmt zu. "Die sollen besser klarkommen. Eine eigene Wohnung haben, bessere Beziehungen ..." Sowohl Ina als auch Natascha ziehen ihre Kinder ohne Vater auf.

Stichwort Selbstverantwortung

Mittels Filzstift auf einem Flipchart verdeutlicht Sozialpädagoge Siegfried Simon, wie wichtig es ist, dass sich Jugendliche über ihre Möglichkeiten bewusst werden. Bei jeder Aktion habe man eine Wahl - Selbstverantwortung nennt Simon das. Jeder Mensch habe die Freiheit, entscheiden zu können. "Arbeit, wohnen, und mit wem lass' ich mich ein, mit wem nicht? Das unterliegt allein meiner Verantwortung", sagt er. Was so selbstverständlich klingt, ist es nicht. Viele der Mädchen, die da sind, haben sich in der Vergangenheit von Partnern abhängig gemacht.

Meilenstein für Mädels

Das Mädchenprojekt ist ein Teil des "Meilenstein"-Projekts der Caritas, das auch aus Anti-Gewalt-Trainings, Projekten zur Verkehrssicherheit und zur Alkohol- und Drogenprävention besteht. Die Mehrzahl der Teilnehmer seien Jungs, wie Andrea Zellner erzählt. Weil sich Mädchen aber besser öffnen könnten, wenn sie untereinander seien, gebe es seit dem vergangenen Jahr das Mädchenprojekt. "Wir erleben in unserer Arbeit viele junge Frauen, die unsicher, eingeschüchtert, einfach wenig selbstbewusst sind", sagt Zellmer. Vor allem Schönheit sei - auch durch die Art, wie Medien sie verkaufen - oft ein Stressfaktor. "In der Pubertät wird der Druck oft immens." Um ihn zu mindern, setze man sich in diesem Projekt ausführlich mit den Themen Schönheit, Selbstbewusstsein und gesunder Ernährung auseinander. Alle Teilnehmerinnen sind in diesem Jahr Freiwillig dabei. "Aber die meisten haben Schwierigkeiten, die aufgearbeitet werden müssen", weiß Zellmer. Wo es notwendig ist, bieten sie und ihre Kollegin Monika Poglitsch ergänzend Einzelgespräche an.

Zum Abschluss des Projekts wird es am 19. August ein Fotoshooting geben. Die Rödentaler Fotografin Svenja Sommer will Gefühle in Bildern abbilden. Ina sagt, sie will Wut darstellen.

Das Projekt "Meilenstein"

Zielgruppe "Meilenstein" richtet sich an delinquente Jugendliche und Heranwachsende im Alter von 14 bis 21 Jahren. Neben den staffälligen jungen Menschen bietet das Projekt aber auch gefährdeten Jugendlichen eine präventive Plattform an, die bei der persönlichen Entwicklung und Entfaltung unterstützen soll.

Zielsetzung Die Idee ist, jungen Menschen eine Plattform zu geben, um im Rahmen der richterlichen Weisung (nach Verurteilung) bestehende Defizite aufzuarbeiten und auszugleichen (die oftmals ursächlich für die kriminellen Handlungen sind). "Meilenstein" soll dazu beitragen, dass soziale Benachteiligungen oder individuelle Beeinträchtigungen abgebaut werden und das Arbeits- und Sozialverhalten der Teilnehmer gestärkt wird.

Konfliktbewältigung Neben Kompetenztraining in festen und offenen Kleingruppen werden Anti-Aggressivitäts-Trainings und Soziale Trainingsmaßnahmen angeboten. red