Ebensfeld: Lässt Bahn-Trassenbau Wände reißen?

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Bei Ebensfeld mündet die Ausbaustrecke Nürnberg-Ebensfeld in die Neubaustrecke Ebensfeld-Erfurt. Das ergibt viel Trassenbau. Fotos: Steffens
Bei Ebensfeld mündet die Ausbaustrecke Nürnberg-Ebensfeld in die Neubaustrecke Ebensfeld-Erfurt. Das ergibt viel Trassenbau.  Fotos: Steffens
Deutliche Risse befinden sich ...
Deutliche Risse befinden sich ...
 
... im Haus der Familie Hohl.
... im Haus der Familie Hohl.
 

Wenn das Ehepaar Hohl aus dem Wohnzimmerfenster an der Ebensfelder Bahnhofstraße blickt, kommt Wut hoch. Die Verdichtungsarbeiten an der ICE-Trasse in den vergangenen Wochen hat angeblich das Haus beschädigt. Wer zahlt?

Sie sind im Wohnzimmer, im Esszimmer, im Schlafzimmer... In so gut wie jedem Raum des Hauses an der Bahnhofstraße 41 ziehen sich hauchfeine bis breite Risse durch den Putz der Wände. Und das, obwohl das Haus, das 1922 gebaut wurde, vor drei Jahren umfassend saniert wurde. Woher die Schäden kommen? "Na von der Walze", sagt Georg Hohl.

Er meint die tonnenschwere Maschine, die den Boden der in Ebensfeld entstehenden ICE-Trasse per Vibration verdichtet hat. Sie rüttelte nur wenige Meter entfernt vom Haus der Familie Hohl den Boden fest, damit der Untergrund der Trasse stabil wird. "Man wurde auf seinem Stuhl durchgeschüttelt und die Teller haben im Schrank geklirrt", beschreibt Dagmar Hohl die Arbeiten, die von Mitte Juni bis vor kurzem dauerten. Auf sie führt das Ehepaar die Entstehung der Risse zurück. Vielleicht werden sie das beweisen müssen. Notfalls, meinen sie, ziehen sie für ihr Recht vor den Richter.
Ein Anwalt wurde bereits eingeschaltet - er sollte eine Reaktion der Versicherung des Bauherrn, der Bahn, herbeiführen. Bislang vergeblich. "Wenn die sich nicht regen, müssen wir Strafanzeige erstatten", meint Hohl. Auch weitere Anwohner der Bahnhofstraße klagen über Schäden an ihren Häusern und haben sich juristische Unterstützung gesucht.

Frank Kniestedt, zuständiger Sprecher des Bauträgers Deutsche Bahn, weist auf Reaktionen hin: "Wir haben die Anliegen der Bewohner an die das Bauvorhaben betreuende Versicherung gemeldet", sagt er. Außerdem meint er, dass die Versicherung Schäden aufnehmen und regulieren werde. Darüber hinaus würde er sich freuen, wenn die Anwohner in allen Fragen den Kontakt zu eigens abgestellten Mitarbeitern der Bahn vor Ort suchen würden.
Was er sich wünsche, wie die Situation ausgehe, fragt der Reporter Georg Hohl. "Am besten kaufen Sie mir das Haus ab", sagt er. Die Bruchlinien im Putz sind nicht das einzige teure Ärgernis des Ehepaars Hohl und nachweislich auch weiterer Anwohner. Schon bald werden auch drei bis vier Meter hohe Lärmschutzwälle vor dem Haus aufragen. Das dürfte den Wert aller Immobilien in dem Gebiet mindern.

"Das Hauptproblem sind aber die Schäden, die während der Bauarbeiten an unserem Haus entstanden sind." Hohl führt sie auch darauf zurück, dass die Baufirma vor Beginn angeblich keine Bodenuntersuchungen und keine Messung der Erschütterung durch den Walzenbetrieb gemacht habe. Auch einem weiteren Anwohner der Bahnhofstraße sind keine Vorab-Untersuchungen bekannt.

Frank Kniestedt von der Bahn weist den Vorwurf zurück: Vor Bauarbeiten gebe es immer Baugrunduntersuchungen. "Vor Beginn der Einbauarbeiten (der Trasse, Amn. d. Red.) legt der Baubetrieb die Technologie fest", so Kniestedt. Diese sei abhängig vom Einbauort, den geologischen Verhältnissen, den einzubauenden Stoffen und den Anforderungen an die Verdichtung. "Die dabei eingetragenen Schwingungen sind in den angrenzenden Bebauungen subjektiv wahrnehmbar", räumt er ein. Bei der Einhaltung der Grenzwerte für Erschütterungen seien allerdings keine Schäden zu erwarten. Für den vorliegenden Fall verweist der Sprecher auf ein Erschütterungsgutachten vom 22. Juli. Aus dem gehe hervor, "dass alle gesetzlich festgeschriebenen Grenzwerte weit unterschritten werden". Zusätzlich erfolge eine ständige Kontrolle durch die örtliche Bauüberwachung, so Kniestedt.


Die Probleme vorausgesehen?

Die Ergebnisse der Messung, die an einem nahe gelegenen Haus vorgenommen wurden, kennt auch Georg Hohl. Beim Gedanken an das Gutachten muss er grinsen. Er bestreite nicht, dass Grenzwerte am untersuchten Objekt nicht überschritten wurden. "Allerdings sind die Umstände nicht vergleichbar." Der zuständige Sachbearbeiter habe seines Wissens nicht einmal ausgeschlossen, dass es an anderen Häusern deutlich höhere Schwing-Geschwindigkeiten, also Erschütterungen, habe geben können.

"Genau das, was wir 1994 vorausgesagt haben, ist eingetreten", sagt Hohl. Damals lief das Planfeststellungsverfahren für die aktuelle Großbaumaßnahme. Bürger konnten Einspruch erheben, und das tat die Familie Hohl. Tatsächlich liest sich das 21 Jahre alte Schreiben wie eine Prophezeiung: Es ist die Rede von zu hohen Geräuschpegeln, starken Erschütterungen, die sogar die Bausubstanz des Hauses schädigen könnten und einem enormen Wertverlust des Familiengrundstücks.

Immerhin seien die Schäden, die der Anwohner auf die Bauarbeiten zurückführt, dokumentiert. Vor, während und nach den Bodenverdichtungen habe eine Firma im Auftrag des Bauherrn den Ist-Zustand der Häuser im Umfeld der Trasse ermittelt. Inwiefern es den mutmaßlich geschädigten Anwohnern beim Durchsetzen ihrer Forderungen hilft, wird sich zeigen. Einer erzählt, dass sein Haus Jahrgang 2005 sei und jetzt "massive Schäden" habe.

Im kommenden Jahr sollen die Verdichtungsarbeiten auf der anderen Seite der Trasse wiederholt werden. Dann sieht Hohl die Häuser der dortigen Anwohner in Gefahr. "Das wollen wir in deren Interesse verhindern." Es gebe Walzen, die statt der Technik der Vibration die angeblich schonendere der Oszillation verwendeten. Sie verdichteten wohl, ohne dass deutliche Vibrationen an die Umgebung abgegeben würden, meint Hohl, der sich in technische Einzelheiten eingelesen hat. Über die verfüge die Baufirma wohl aber nicht.

Die Firma selbst, Leonhard Weiss, äußerte sich auf Anfragen dieser Zeitung nicht: "Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir dazu derzeit keine Aussage tätigen werden, da es sich um einen laufenden Vorgang handelt.
Sollten Sie detaillierte Informationen benötigen, wenden Sie sich bitte für Auskünfte direkt an den Bauherrn."


Hintergrund

Bauabschnitt Unterleiterbach-Ebensfeld Bei Ebensfeld mündet die Ausbaustrecke Nürnberg-Ebensfeld in die Neubaustrecke Ebensfeld-Erfurt. Auf dem 9,5 Kilometer langen Bauabschnitt (zwischen Zapfendorf und dem Tunnel Eierberge) wird eine schon bestehende zweigleisige Strecke zu einer viergleisigen Eisenbahnstrecke ausgebaut.

Projekt Es ist Teil des Verkehrsprojekts Deutsche Einheit Nr. 8. Mehr Information gibt es unter www.vde8.de.