Bäckereiangestellte haben laut der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten Einbußen zu befürchten. Die Innung wirft daraufhin Falschdarstellung vor. Zwei Bäcker aus dem Landkreis sorgen sich um das Image des Berufs.
Helmut Hofmann schüttelt den Kopf. "Das ist das völlig falsche Signal." Er meint die Kündigung der Tarifverträge für Mitarbeiter von Bayerischen Bäckereien. Es sei schwer genug, Nachwuchs zu finden - "von gutem Nachwuchs ganz zu schweigen". Sein Bäcker-Kollege Siegfried Kornitzky nickt. Nicht nur die Angestellten, meint er, auch die Bäckereien würden unter der Tarifkündigung leiden.
Der Landesinnungsverband für das bayerische Bäckerhandwerk hat den Manteltarifvertrag und den Tarifvertrag über die Altersvorsorge zum 30. September und 31. Dezember 2015 gekündigt. Mehr Arbeit am Sonntag, weniger Urlaub und kein Urlaubsgeld seien laut der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) zu befürchten.
Helmut Hofmann ist stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbunds im Kreis Lichtenfels und stellvertretender Vorsitzender des Landesverbandes der bayerischen
Bäckerfachvereine. Von den Einschnitten, die NGG befürchtet, hat er aus den Medien erfahren. Das negative Marketing sei schlecht für das Bäckerhandwerk. "Es ist jetzt schon so, dass junge Leute denken: Bevor du nix wirst, wirst' Beck." In der Kronacher Berufsschule, an der auch für Coburg, Kulmbach und Lichtenfels ausgebildet wird, gebe es aktuell kaum mehr als zehn angehende Bäcker. "Bei uns waren es damals dreißig in der Klasse", so Hofmann. Wenn die Bedingungen nachließen, werde das Folgen haben: "Wenn wir noch weniger Nachwuchs bekommen und das jetzige Niveau der Schulabgänger bleibt, wird das Brot nicht besser."
Ein Zwist "neuer Qualität"
Die Kündigung des Tarifvertrags tritt im Oktober in Kraft. Danach gilt der alte Tarifvertrag nicht mehr automatisch für alle Beschäftigten.
Laut Gewerkschaft will die Innung mehr Sonntagsarbeit, weniger Urlaubstage und Urlaubsabzug bei Krankheit durchsetzen. Auch das Urlaubsgeld soll gekürzt werden. Wilfried Maxim geht von "einer neuen Qualität der Auseinandersetzung zwischen Arbeitgebern und Beschäftigten im Bäckerhandwerk aus". Maxim ist als NGG-Sekretär im Regionalbüro Landshut unmittelbar an den Verhandlungen beteiligt. Er sprach in Vertretung für den Sprecher der Gewerkschaft in Oberfranken mit unserer Zeitung.
Schon jetzt kaum attraktiv
Mit seinem Vorgehen schneide sich die Bäckerinnung ins eigene Fleisch: "Das Bäckerhandwerk ist eine Branche, in der es unendlich schwierig ist, gute Fachkräfte zu finden. Bei Kürzungen wird es fast unmöglich", ist Maxim sicher. Seit Jahren klagten Betriebe, dass sie zu wenige Auszubildende in fast allen Bereichen fänden.
Gleichzeitig seien die Arbeitsbedingungen - mit häufiger Nacht- und Wochenendarbeit - schon jetzt nicht sonderlich attraktiv. Und Nachtschichtzuschläge, sagt Maxim, gäbe es zum Beispiel nur bis 2 Uhr.
Auf völliges Unverständnis trifft bei dem NGG-Sprecher, dass künftig Krankheitstage vom Urlaub abgezogen werden sollten. Bis zu zehn Tage, so fordert angeblich die Bäckerinnung, sollen umgelegt werden können. Außerdem: Die Probezeit bei Neuanstellungen verdoppele sich von drei auf sechs Monate. Nach der Probezeit trete dann ein befristetes Arbeitsverhältnis in Kraft. "All das dürfte zu erheblichen Unruhen in den Betrieben führen", vermutet Maxim.
Die NGG will in den kommenden Wochen bei Mitgliederveranstaltungen informieren. Für Maxim ist klar: So, wie es sich die Innung vorstellt, kann es nicht gehen.
"Dass in der Branche keine Verbesserungen kommen, muss man hinnehmen, solange sich die Beschäftigten nicht besser gewerkschaftlich organisieren. Aber diese Einschnitte sind nicht akzeptabel."
Nicht gekürzt - "flexibler"
Der Obermeister der Lichtenfelser Bäckerinnung, Mathias Söllner hält die Bekanntmachungen der NGG für überzogen. "Man ist da meiner Meinung nach über das Ziel hinausgeschossen." Es handele sich bei dem angeblichen Horror-Katalog um Verhandlungsangebote an die Arbeitnehmerseite. Die Verhandlungen müssten nun angemessen geführt werden.
Der Bayerische Bäckerverband wehrt sich mit einem Schreiben auf seiner Homepage gegen angeblich unwahre Behauptungen.
Die Informationspolitik der NGG sei "fragwürdig" und "sachlich falsch".
Zum Vorwurf, den Urlaub zu beschneiden, heißt es: Die NGG habe sich 2006 mit dem Bäckerverband auf eine Altersstaffelung der Urlaubstage geeinigt. Diese Regelung wurde vom Landesarbeitsgericht München gekippt. "Dass nun bis zu 6 Urlaubstage mehr verlangt werden können, ist eine enorme Belastung für unsere Betriebe", so Landesinnungsmeister Heinz Hoffmann. Bäckereiangestellte haben laut Tarifvertrag bis zu 36 Tage Urlaub, allerdings auch eine Sechs-Tage-Woche.
Laut NGG will der Verband die Sonntagsarbeit ausweiten, das Urlaubsgeld streichen und von den Urlaubstagen bis zu zehn Tage mit Krankentagen verrechnen. Das stimme nicht. Zur Sonntagsarbeit heißt es: "Unser Ziel ist nicht, die Sonntagsarbeit auszuweiten, sondern den Betrieben mehr Flexibilität zu verschaffen", so Hoffmann.
Sonntagsarbeit ist gesetzlich erlaubt, wenn dem Mitarbeiter mindestens 15 Sonntage pro Jahr arbeitsfrei bleiben. Diese Zahl kann in einem Tarifvertrag auf bis zu 10 Sonntage reduziert werden. "Hierüber wollen wir verhandeln." Zum Urlaubsgeld stellt er klar, es solle nicht gestrichen, sondern in die tarifliche Altersvorsorge überführt werden. Zur Anrechnung von Krankheitstagen auf Urlaub heißt es vom Landesinnungsmeister: Mann wolle Arbeitgebern die Möglichkeit geben, in Extremfällen - wenn das Mittel der Krankschreibung missbraucht werde - mit einer Anrechnung gegenzusteuern. Der gesetzliche Urlaub werde nicht angetastet. Und niemand spreche von einer Anrechnung eins zu eins.