Angeblich Kranker Junge: Fake-Kettenbrief geht in Lichtenfels um

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Dieses Anschreiben begleitet den Kettenbrief für den angeblich todkranken siebenjährigen Jungen aus Österreich. Foto: Hendrik Steffens
Dieses Anschreiben begleitet den Kettenbrief für den angeblich todkranken siebenjährigen Jungen aus Österreich. Foto: Hendrik Steffens

Ein krebskranker Siebenjähriger aus Österreich möchte mit dem längsten Kettenbrief aller Zeiten ins Guinnessbuch der Rekorde kommen. Der Brief kursiert auch im Kreis Lichtenfels. Nur: Das Kind existiert gar nicht.

Die Geschichte ist herzerweichend: Ein siebenjähriger, krebskranker Junge will sich mit dem weltlängsten Kettenbrief eine Art letzten Wunsch erfüllen. Der Brief geht derzeit auch im Landkreis Lichtenfels um. Kürzlich fand ihn Heike Steinert im Briefkasten ihrer Firma, der Wäscherei Grete Rommel in Bad Staffelstein. Skeptisch geworden ist sie, weil der gleiche Brief in den letzten fünf Jahren schon zweimal im Briefkasten der Firma lag.

"Nach einer kurzen Recherche im Internet bin ich auf Zeitungsberichte gestoßen, die belegen, dass dieser Kettenbrief nicht echt ist", erzählt Steinert. Das Prinzip ist simpel: Wer ihn bekommt, soll immer zehn weitere Unternehmen, Behörden oder Vereine anschreiben. Dem Brief werden dann zum Beweis Kopien der bereits verschickten "Briefe" beigelegt. Danach teilt man dem Landesklinikum Donauregion Tulln in Österreich mit, an wen die Unterlagen gegangen sind.
In der Klinik liegt angeblich der schwerkranke Siebenjährige. "Ich habe schon gelesen, dass die Klinik in Österreich massive Probleme damit hat, die anfallende Post zu bewältigen", sagt Heike Steinert.

Die Kette unterbrechen

Das bestätigt der Pressesprecher der Klinik, Reinhard Koller. An Spitzentagen seien bis zu 100 Mitteilungen mit Adresslisten eingegangen, im Schnitt seien es noch immer 50 am Tag. Bis zu zwei Stunden täglich sei ein Mitarbeiter damit beschäftigt, die Briefe zu öffnen, die eigentlich Altpapier sind. "Sollten Sie den Kettenbrief erhalten, bitten wir Sie daher, diesen nicht zu beantworten oder weiterzuleiten", appelliert Koller. Seit zwölf Jahren geht das Schreiben um. In Wirklichkeit war der besagte Junge nie in dem Krankenhaus. Ein Ende des Aufwands für die Mitarbeiter ist dennoch nicht in Sicht.

Zudem konnte bislang nicht geklärt werden, wer hinter dem Brief steckt und welche Ziele er verfolgt. "Es gab bis jetzt Medienschaltungen, Internethinweise, Berichte im Fernsehen sowie polizeiliche Ermittlungen - jedoch alle erfolglos", sagt Koller. Die Klinik weist auf ihrer Startseite (unten rechts) ebenfalls auf das Problem hin.

Geld verdient mit den Schreiben übrigens niemand. Profitieren kann allein die Post - an den Portokosten. "Vielleicht will jemand dem österreichischen Krankenhaus schaden", vermutet Steinert. Das hält auch Koller vom Landesklinikum Tulln für denkbar. "Allerdings ist das Mutmaßung. Die Motivation für den Start des Kettenbriefes sowie der Zusammenhang mit unserem Haus ist ungeklärt." Ihm ist ein weiteres österreichisches Krankenhaus bekannt, das betroffen ist.

Im Landkreis Lichtenfels

Nach Informationen dieser Zeitung haben zahlreiche Firmen, Vereine und Behörden im Kreis Lichtenfels das Schreiben bekommen und weitergeleitet. "Wir haben es von einer Kommune bekommen. Mein Mann gab mir den Brief weiter und ich wusste direkt Bescheid", sagt Heike Steinert. Dabei könne man niemandem einen Vorwurf machen: Beim ersten Mal habe sie das Schreiben auch noch wie gefordert weiter gesandt. Diesmal nur an die Lokalzeitung.

"Wahrer" Hintergrund

Idee Vermutlich wurde der Kettenbrief inspiriert durch die Geschichte des damals neunjährigen US-Amerikaners Craig Shergold, der einen als unheilbar angesehenen Hirntumor hatte. 1989 wurde eine Postkartenaktion für Shergold gestartet, damit er durch die Zahl der Genesungswünsche ins Guinness-Buch der Rekorde komme.

Erfolg Innerhalb eines Jahres kamen 16 Millionen Postkarten an und er bekam den Eintrag (Ausgabe 1991). Mit 33 Millionen Karten erhielt Craig im Folgejahr noch einen Eintrag. Craig Shergold wurde geheilt.