Am ersten Tag nach den Ferien blieb mancher Schüler in Stadt und Land buchstäblich am Eingang zum virtuellen Klassenzimmer stecken.
Der Montagmorgen begann mit dem lästigen Spielchen vom "Versuch und Irrtum" für Kiara Gundermann (Name geändert). Die 17-Jährige aus dem Landkreis wollte sich am ersten Tag nach den Ferien ins System ihrer Schule einloggen, um am Online-Unterricht teilzunehmen. Die erste Wahl fiel auf "Mebis", der offiziellen Plattform des Kultusministeriums. Lehrer greifen darauf zu, erstellen Kurse und können den Schülern beispielsweise Arbeitsaufträge hochladen. Die Kinder können die direkt auf der Plattform bearbeiten und an die Pädagogen zurückschicken. So viel zur Theorie ...
Kiara und einige andere ihrer Mitschüler scheiterten schon bei der Anmeldung. Schließlich probierten sie es auf Anleitung ihres Lehrers über "Discord" - eine App, die in der Onlinespieler-Szene bekannt und für ihre Systemstabilität geschätzt ist. Da klappte es dann auch mit der Verbindung zum Lehrer. Die Schule von zu Hause aus konnte doch noch beginnen, wenn auch mit Verspätung.
Zu viele auf einmal
Schulamtsleiter Michael Hack kennt das Dilemma. "Ich habe die Rückmeldung bekommen, dass nahezu alle Schulen und Schularten mit Startschwierigkeiten zu kämpfen hatten. Man muss sich vorstellen, dass aufgrund des Lockdowns bayernweit alle Schüler auf einen Schlag online unterrichtet werden müssen. Da ist es nicht verwunderlich, dass Systeme zusammenbrechen."
Der Schulamtsleiter hat erfahren, dass etwa das von vielen Lehrern als digitale Pinnwand genutzte "Padlet" nahezu überhaupt nicht zu erreichen gewesen sei, ähnliches galt für Apps wie "Homeworker", "Schoolfox" oder "Schoolcloud". "Die sind offenbar völlig überlastet gewesen, da ging gar nichts", sagt Hack. Er gehe aber nicht davon aus, dass sich dieser Zustand über Tage oder gar Wochen hinziehe. "Es dürfte sich schnell normalisieren und in geregelten Bahnen verlaufen, so dass jeder regulären Zugriff auf sein System haben kann. Die Schüler bekommen ihre für sie notwendigen Informationen noch, wenn auch verspätet."
Das Kultusministerium hatte übrigens die Maßgabe veröffentlicht, genau wegen dieser Befürchtungen einen gestaffelten Unterrichtsbeginn in Erwägung zu ziehen. "Es sollte eine Entzerrung erreicht werden, wenn Schulen respektive Klassen zeitversetzt beginnen und sich auf den Plattformen anmelden", erklärt Hack. Seitens des Schulamts bestünde keine Möglichkeit, die Situation zu beeinflussen. Das System "Mebis" wird am Rechenzentrum Süd in München zentral gehostet. "Da haben wir keinerlei Zugriff drauf. Bei anderen privaten Anbietern schließen Schulen einen direkten Vertrag mit dem jeweiligen Anbieter. Wir können auch keine Vorschläge unterbreiten. Das Problem ist folgendes: Wenn wir heute ein Programm empfehlen, können wir fast sicher davon ausgehen, dass es morgen überlastet ist."
Das habe auch damit zu tun, dass sich nicht zuletzt die Lehrer untereinander vernetzen müssen, so Hack. "Zu Beginn gab es ,Jitsi', eine einfache Oberfläche. Dann kam ,Big Blue Button", da gab es praktikable Untergruppenfunktionen und vieles mehr. Das hat sich in Windeseile herumgesprochen als die bessere Variante - und schon war das System nicht in der Lage, alle Zugriffe zu bedienen. Eigentlich müsste man auf mehrere Pferde setzen, um dem vorzubeugen. Wenn freilich alle Schulen zeitgleich auf den wenigen Plattformen den Unterrichtstag beginnen, können wir davon ausgehen, dass die Probleme immer wieder auftreten."
Es sei eine herausfordernde Zeit, gibt der Schulamtsleiter zu. "Die Schulen an sich trifft keine Schuld, ebenso wenig wie jeden Einzelnen zu Hause."
Realschule nutzt "Teams"
Offenbar keine Probleme hatte zum Start des Jahres die Carl-von-Linde-Realschule. Nach Aussage von Direktorin Monika Hild funktionierte das System über Microsoft "Teams" einwandfrei. "Das Programm ist über das Kultusministerium offiziell bis 31. März lizenziert."
Bereits im Sommer habe man "Teams" eingerichtet und die Schüler noch im damaligen Präsenzunterricht darauf vorbereitet. Das macht sich offenbar bezahlt. "Wir sind mit einigen Vorkenntnissen in die jetzigen Distanzunterricht gegangen. Wir bleiben bei diesem Anbieter und wollen ihn für unsere Schule dauerhaft übernehmen, die Software hat sich bewährt."
Jeder Schüler hat seinen Zugang, einzelne Klassen sind in einem Team vereint und müssen sich um 7.55 Uhr melden. Dann erhalten sie stundenplangemäß Online-Unterricht. "Den hält auch der Lehrer, den man aus dem Präsenzunterricht kennt", sagt Monika Hild. Die Schüler haben entweder Videokonferenzen, die die Realschule bevorzugt für die Prüfungsfächer anbietet, oder sie werden zu Beginn einer Unterrichtsstunde kurz begrüßt und bekommen dann Arbeitsaufträge.
Eine Frage der Infrastruktur
Das Kultusministerium hat die Digitalisierung mittlerweile zur Chefsache erklärt, erläutert Schulamtsleiter Michael Hack. "Minister Piazolo versucht, Mebis' dauerhaft zum Laufen zu bringen. Sie arbeiten in München mit Hochdruck daran. Es scheitert leider bisweilen an der Hardware, also den Verbindungen in Städten und Gemeinden." Wenn die Infrastruktur nicht überall gleich ist, wenn Daten nicht per Glasfaser, sondern über eine betagte Kupferleitung fließen, könne es natürlich haken. "Da nutzt mir der beste Hochleistungsserver nichts."