Als Umweltminister Thorsten Glauber Sonntagfrüh in Kulmbach ankommt, wird er von 70 Tretbulldogs und vielen Bauernfamilien empfangen.
Wie oft kommt es vor, dass ein Politiker durch ein Spalier von Protestierenden geht und dabei lächelt? So geschehen gestern Vormittag: Als Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) auf dem Weg zum Neujahrsempfang seiner Partei in der "Kommunbräu" ist, empfängt ihn ein Traktor-Korso - aber in diesem Fall handelt es sich um die absolut CO2-freie Form, denn es sind Kinder, die auf ihren Tret-Bulldogs den hohen Besuch aus München geleiten. Vorletzten Freitag hatten Tausende Landwirte an einer großen Bauern-Demo in Nürnberg teilgenommen, bei der Nazi-Banner an einzelnen Traktoren für Ärger sorgten.
Die Mini-Trecker tragen Transparente wie die großen Vorbilder. Sebastian Erlmann stellt auf seinem Schlepper die Frage: "Mein Uropa: Bauer. Mein Opa: Bauer. Mein Papa: Bauer. Ich ???" 250 Jungen und Mädchen mit ihren Eltern sind es, die den Minister auf ihre Sorgen und Nöte aufmerksam machen wollen. Glauber nimmt sich trotz Termindrucks Zeit für die Kinder, fragt nach ihren Familien und will wissen, was das alles für Gefährte sind, mit denen sie angerollt kommen.
Mit ihrem "Positionspapier" bewaffnet, erwarten die beiden Organisatoren und Unterstützer der Kundgebung, Tobias Weggel und Heiko Kaiser von der Initiative "Land schafft Verbindung", den Minister. In dem Schreiben soll es dezidiert nicht um die "großen Räder" gehen, nicht um Düngemittelverordnung und Gebietskulissen, sondern gezielt um die Herausforderungen des Landwirtschafts- und Lebensmittelstandorts Kulmbach.
Ferkelkastration: Was kommt?
"Als Schweinehalter beschäftigt mich vor allem das Kastrationsverbot von Ferkeln, welches am Ende des Jahres ansteht", sagt Heiko Kaiser. Es müsse eine praktikable Lösung gefunden werden. Die bisherige Begasung bei der Kastration mit einem Betäubungsmittel sei fragwürdig. "Es gibt die andere Möglichkeit der Betäubungsinjektion, die viele Vorzüge hat: Sie ist für das Tier schonender, einfacher in der Anwendung - und sogar unterm Strich günstiger für den Landwirt." Andere EU-Länder praktizierten bereits unter dieser Maßgabe. "Dazu bräuchten wir in Deutschland aber eine Änderung des Betäubungsmittelgesetzes. Das jedoch kann nur die Politik veranlassen."
Kaiser betonte, von solchen Vorgaben hingen ganze Wertschöpfungsketten ab. "Es beginnt mit der Auslastung des Schlachthofs, weil geklärt sein muss, ob noch genügend Schweine aus der Region angeliefert werden, geht weiter über die Zukunft der Fleischforschung und der Technikerschule bis hin zum Bestand der lokalen Metzger. Das Veterinärwesen fällt in Herrn Glaubers Ressort - daher sind wir hier, weil es viele offene Fragen gibt."
Der Minister entgegnet, das Thema sei auf Bundesebene seit Jahren nicht wirklich bearbeitet worden. "Oft hat man nur versucht, Zeit und Land zu gewinnen. Es gibt diverse Studien dazu, für viel Geld in Auftrag gegeben vom Bund - und diese Studien müssen ja irgendwann einmal zu einem Ergebnis kommen." Da nehme er Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner in die Pflicht, den Landwirten zu sagen, welcher Weg der gangbare ist. "Was nicht geht ist, dass wir als Land Bayern Hausaufgaben für andere machen. Wenn wir die Auswertungen haben, können wir auch die Entscheidung treffen."