Die Entscheidung, Astra Zeneca aktuell nicht zu verimpfen, trifft auch die Strategie des Landkreises Kulmbach.
Astra Zeneca - das ist der Impfstoff, der ganz schlecht wegkommt in der öffentlichen Debatte. Schon vor der Zulassung war die Rede von Unregelmäßigkeiten bei den Studien des britisch-schwedischen Herstellers. Moniert wurde unter anderem, es habe eine ungenügende Datenlage vorgelegen, etwa was die Wirksamkeit bei Hochrisikopatienten angeht. Eine Impfung für Menschen über 65 Jahre wurde zunächst sogar kategorisch ausgeschlossen. Dann gab es Zoff um die Herstellung und letztlich die Verteilung. Nun soll es zu schweren Nebenwirkungen bei einigen Geimpften gekommen sein. Bedenklich sei eine besondere Form von Thrombosen, die sogenannte Sinusvenenthrombose. Es gab offenbar bereits mehrere Todesfälle.
Das alles hat dazu geführt, dass das Bundesgesundheitsministeriums am Montagnachmittag anordnete, die Corona-Impfungen mit dem Wirkstoff von Astra Zeneca vorerst auszusetzen. Das bedeutet natürlich auch für den Landkreis Kulmbach, sich in Sachen Impfstrategie umzuorientieren.
1000 zusätzliche Dosen bleiben liegen
Landrat Klaus Peter Söllner (Freie Wähler) betonte, man habe aktuell eine Sonderlieferung über rund 1000 Dosen des AZ-Vakzins bekommen. Die würden derzeit aufgrund der Entscheidung aus Berlin natürlich nicht verimpft.
Der Landrat verwahrte sich in dem Zusammenhang dagegen, man sei als Landkreis nicht in der Lage, einen so genannten "Impfturbo" zu zünden. "Unsere Impfquote liegt bei nachweislich 11,95 Prozent an Erstimpfungen - das ist bayernweit durchaus vorbildlich und eine der höchsten Quoten im Freistaat überhaupt. Wir haben bislang 8550 Impfungen vorgenommen, wir impfen quasi wie die Weltmeister. Alleine am vergangenen Samstag wurden aus der Sonderzuteilung für Hochinzidenzgebiete im Impfzentrum 531 Personen geimpft. Wir sind dem Freistaat dankbar, dass diese Sonderaktion möglich war."
Darüber hinaus wurden laut Landratsamt in der vergangenen Woche Bürgerinnen und Bürger, die bettlägerig oder selbst nicht mehr mobil sind und keine Möglichkeit haben, zum Impfzentrum zu gelangen, im Thurnauer Land sowie im Stadtsteinacher Oberland zu Hause mit dem Impfmobil des Landkreises aufgesucht und versorgt. "Unser neues rollendes Impflabor ist erfolgreich gestartet. Damit erweitern wir den Impfprozess im Landkreis um ein zusätzliches Angebot für die Bevölkerung", hob Söllner hervor. Er wolle zugleich mit der Mär aufräumen, Kulmbach würde als Kommune das Impfen verzögern und sei "absichtlich oder unabsichtlich hinten dran".
Hausärzte müssen warten
Die beabsichtigte Einbeziehung von Hausärzten müsse dagegen verschoben werden. Nachdem der erste Praxis-Impftag am vergangenen Wochenende erfolgreich verlaufen war, hätte eigentlich weiteren Hausärzten noch vor dem bayernweiten Start Anfang April die Möglichkeit zur Durchführung der Corona-Schutzimpfung in deren Praxen gegeben werden sollen. Hierfür fehlt nun der Impfstoff. "Eine Einbeziehung der Praxen hat nur Sinn, wenn damit keine Verlagerung verbunden ist, sondern gleichzeitig mehr Menschen geimpft werden können", macht der Leiter des Krisenstabes, Oliver Hempfling, deutlich. Hierfür waren auch die besagten 1000 Dosen Astra Zeneca vorgesehen, die zwar geliefert wurden, aber vorerst nicht verwendet werden können.
Termine vorerst storniert
Bis zu einer Klärung werden demnach auch keine neuen Termine für Erst- und Zweitimpfungen mit Astra Zeneca vereinbart. Das heißt: Etwa 600 bestehende Impftermine für diese Woche müssen laut Landratsamt storniert werden. Am Donnerstag und Samstag bleibe das Impfzentrum daher geschlossen. Ersatztermine können zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht angeboten werden.
In Kulmbach wurden laut Pressestelle des Landratsamts bislang 3000 Impfdosen des Herstellers Astra Zeneca verimpft. Bis auf die üblichen Impfreaktionen sei es hierbei zu keinen Problemen gekommen. Landrat Söllner betont, er selber wäre "sofort dabei, wenn es auf freiwilliger Basis möglich wäre, sich mit Astra Zeneca impfen zu lassen".
Er verwahrt sich ferner gegen Vorwürfe, im Landkreis Kulmbach würde nicht ausreichend getestet. "Wir testen sogar extrem viel, seit Mitte Oktober sind es weit über 10000 Tests. Natürlich finden wir da fast zwangsläufig auch mehr Infizierte und dadurch auch mehr Kontaktpersonen, die mittlerweile zu einem nicht unerheblichen Prozentsatz von einer Covid-Mutante betroffen sind." Zuletzt seien unter anderem Kindertagesstätten, aber auch Baustellen kontrolliert worden, unter anderem eine Großbaustelle in Stadtsteinach.
Medizinisches Personal profitiert
Mittlerweile gibt es wie gesagt Tausende, die eine Impfung mit dem teils umstrittenen AZ-Wirkstoff erhalten haben. Dazu gehören unter anderem fünf Angestellte von Ingo Moos. Der Trebgaster ist Gründer und Geschäftsführer des Rehazentrums Helmbrechts und bietet dort mit seinen 35 Mitarbeitenden ambulante Reha-Maßnahmen sowie diverse Varianten der Krankengymnastik an. Als medizinisches Personal haben seine Beschäftigten einen gewissen Vorrang in der Impfreihenfolge.
"Alle Geimpften haben ihre Dosis bereits vor einigen Wochen erhalten und keinerlei ungewöhnliche Nebenwirkungen verspürt. Sie konnten problemlos weiterarbeiten und sind erleichtert, jetzt diesen Schutz vor einer Infektion zu haben", sagt Ingo Moos. Bis auf wenige Ausnahmen seien alle anderen ebenfalls bereit, sich mit Astra Zeneca impfen zu lassen. "Es gibt einige wenige meiner Kolleginnen und Kollegen bei mir im Haus, die Bedenken haben. Das respektiere ich natürlich, das muss letztlich auch jeder für sich entscheiden."
Er selber hält die Debatte um Astra Zeneca für kontraproduktiv. "Man muss ungewöhnlichen Verläufen seitens der Zulassungsbehörden nachgehen, das steht außer Frage. Aber wir sollten ein bis dato offenbar wirksames Vakzin nicht voreilig zerreden, so viel davon übrig haben wir bei uns ja leider nicht." Jeder Geimpfte sei ein Gewinn - in Sachen persönlicher Gesundheit wie auch auf dem langen Weg, Covid 19 als Gesellschaft wenigstens beherrschbar zu machen. "Wir behandeln in Helmbrechts einige Infizierte, die zunächst einen scheinbar milden Verlauf der Infektion hatten, dann aber plötzlich schwere Folgeschäden entwickelten." Ingo Moos spricht auch von jüngeren Menschen, denen es Monate nach einer Corona-Erkrankung immer noch schwerfalle, einfachste körperliche Leistungen zu erbringen. "Wenn du siehst, wie ein Mann um die 30 kaum 100 Meter gehen kann, ohne an seine Grenzen zu kommen, bringt dich das ins Grübeln. Es steht fest: Der Weg aus der Pandemie kann nur über die Impfung führen."
Ingo Moos selber war erst in der vergangenen Woche in Kulmbach mit dem Impfen dran. Er erhielt allerdings eine Injektion mit dem Wirkstoff von Biontech/Pfizer. "Darauf hatte ich selber keinen Einfluss. Ich hätte natürlich auch Astra Zeneca genommen, keine Frage. Hauptsache, ich kann mich, meine Angestellten und unsere Patienten schützen."
Vorweg: im Nachhinein ist man immer klüger, ich möchte nicht in der Haut derer stecken, die seit Beginn der Pandemie an irgendeiner Stelle Entscheidungen zu treffen hatten. Auch dem Landkreis Schuld zuzuweisen ist nicht angebracht. Das Chaos wird beim Bund und den Ländern angerichtet, wobei Wahlkampf, Selbstdarstellung und völlig übertriebener Datenschutz immer noch wichtiger ist als die Gesundheit der Bevölkerung, vom Vollstopfen der eigenen Taschen durch Einige ganz zu schweigen. Der schwerste Fehler, aber aufgrund weltpolitischer Ansicht gewollt, ist die Entscheidung von Frau Merkel, das Impfen bzw. die Beschaffung des Impfstoffes der EU zu überlassen. Das kann jeder an den internationalen Impfquoten ablesen.
Zum Landkreis Kulmbach: es wird sicher im Rahmen der Verordnung alles gemacht, aber das reicht, wie die Zahlen aussagen, nicht aus. Man muss sich in der jetzigen Situation schon auch mal was trauen. Hätte ein Helmut Schmidt 1962 bei der Sturmflut in Hamburg nicht seine Kompetenzen überschritten, es hätte Hunderte von Opfern mehr gegeben. Aber das traut sich ja heute keiner mehr.
Warum nicht die 1000 zurückgehaltenen Dosen an Freiwillige, die das Risiko etwaiger Nebenwirkungen selbst übernehmen, verimpfen? Oder bei der Rückverfolgung bei erkennbarem Verschweigen auch mal härtere Maßnahmen ergreifen. Oder mal dorthin gehen wo es weh tun kann und nicht wie geschehen einen kleinen Landwirt, der allein auf weiter Flur seiner Arbeit nachgeht, die ganze "Härte" unserer Gesetze spüren zu lassen.
"Warum nicht die 1000 zurückgehaltenen Dosen an Freiwillige, die das Risiko etwaiger Nebenwirkungen selbst übernehmen, verimpfen? "
Das Risiko der Nebenwirkungen trägt bislang auch jeder geimpfte selbst.