Mitwitz kann was. Das Wasserschloss als Publikumsmagnet und die 40 000 Touristen, die pro Jahr über Nacht bleiben, sind Gold wert für die Gastwirtschaften der Marktgemeinde. Aber das Potenzial muss erhalten und ausgebaut werden. Eine Herausforderung.
Die Stellwand mit dem großen Papierplan hat einen prominenten Platz im Rathaus. Wenn Bürgermeister Hans-Peter Laschka (CSU) sein Büro verlässt, geht er geradewegs auf sie zu. Das ist passend, weil die orangefarbenen Markierungen auf dem Papier für Veränderungen in Mitwitz stehen. Kurzzeitig negativ. Dann hoffentlich positiv.
Anfang Juli rollen die Baumaschinen an. "Dann müssen wir uns ein Jahr lang mit einer Großbaustelle entlang der Ortsdurchfahrt zwischen der Tankstelle und dem Ortsausgang Richtung Coburg arrangieren", sagt Bürgermeister Laschka. Doch die langfristigen Effekte sollen das wettmachen: barrierefreie Bushaltestellen, mehr Platz für Gastronomie und zum Flanieren und eine störende Industriebrache weniger. Mitwitz soll seine touristischen Potenziale besser ausschöpfen und für die Bürger attraktiv bleiben. Dafür nimmt die Gemeinde viel Geld in die Hand. Stichwort: Zukunftssicherung.
Obwohl die Marktgemeinde schon jetzt gar nicht schlecht dasteht.
Die Statistik Die Einwohnerzahl von Mitwitz ist seit 2005 von 3072 auf 2953 gesunken. Das sind 119 Bürger oder rund vier Prozent weniger. Im landkreisweiten Vergleich ist das eine ordentliche Zahl. Weniger wurden vor allem die Einwohner unter 50. Die Zahl der unter 18-Jährigen sank von 536 auf 409. Die der Plus-50-Jährigen stieg von 1217 auf 1358 an. Geboren wurden im vergangenen Jahr 21 Kinder, gestorben sind 37 Bürger (Zahlen: Stand 23. März).
Der Altersschnitt steigt. Und wenn Bürger zu gebrechlich sind, um daheim zu wohnen, müssen sie wegziehen. Denn ein Alten- und Pflegeheim gibt es in Mitwitz nicht. Auch viele Jugendliche tendieren nach der Lehre oder mit Studienbeginn in andere, meist größere Städte.
Aber es kommen auch Bürger hinzu.
2012 ist bei der Netto-Zuwanderung ein kleines Plus verzeichnet: 18 mehr als im Vorjahr - wobei die Zahl mit Vorsicht zu genießen ist. Es gebe viele, die in die Gegend kommen, um als Leiharbeiter Dienst zu tun, gibt Laschka zu. "Ständige Schwankungen von bis zu 60 Einwohnern pro Jahr sind deshalb realistisch."
Pro und Contra Für die Marktgemeinde im Südwesten des Kreises Kronach spricht die günstige Lage: 15 Minuten zur Autobahn. Kurze Wege nach Kronach, Sonneberg in Thüringen, Coburg, Neustadt oder Rödental zum Arbeiten oder Einkaufen. Gegen sie spricht zunehmend die Struktur ihres Wohnraums.
Eine gemütliche kleine Wohnung, pflegeleicht und am besten noch behindertengerecht? Solche Angebote sind rar. Laschka hat das Thema im Hinterkopf. Aber es braucht die Finanzkraft von Investoren - privat oder gewerblich -, die sich der Sache annehmen.
Immer mehr der großen, alten Häuser entlang der Ortsdurchfahrt und in den Gemeindeteilen werden von alleinstehenden Rentnern bewohnt. "Noch haben wir mit Leerstand kein besonders großes Problem. Aber das wird sich bald ändern", prognostiziert Laschka.
Vor allem an der Ortsdurchfahrt. "Es kauft keiner ein Haus, an dem täglich 7000 Autos vorbeifahren." Immerhin ist die Kommune in der Lage, im Rahmen des laufenden Förderprojekts "Ort schafft Mitte", immerhin einige der unschönen, leerstehenden Gebäude zu kaufen und abzureißen. Aber nur da, wo es städtebaulich sinnvoll ist. Der alte Fischer-Betrieb ist so eine Areal (der
FT berichtete mehrfach über das Modellprojekt des Freistaats).
Touristische Potenziale ausbauen Wiederbelebung und Umstrukturierung des Ortskerns. Die Beseitigung von Brachflächen.
Sowie die Neugestaltung der Ortsdurchfahrt und das Schaffen eines Zentrums in der Marktgemeinde, die sich an der Coburger Straße entlang schlängelt. Das sind Ziele des millionenschweren Großprojekts, das seit mittlerweile vier Jahren läuft. Für den Bürgermeister ist klar: "Die einzige Chance, die wir kleinen Kommunen haben, ist, den Ort attraktiver zu machen." Für Mitwitz könnte sich die laufende Investition tatsächlich sehr lohnen. Denn der 3000-Seelen-Markt hat mit seinen Schlössern sowie großen Gastwirtschaften und Hotelbetrieben ideale Voraussetzungen als Besuchermagnet. Schon jetzt verzeichnet die Kommune bis zu 40 000 Übernachtungen pro Jahr. Eine stattliche Zahl.
Künftig will Mitwitz seine touristischen Potenziale also noch besser nutzen. "Mit allen positiven Nebenerscheinungen für die Geschäfte im Ort." Denn da hapert es noch, trotz der guten Übernachtungszahlen.
Gerade Tagestouristen, die spontan des Wasserschlosses wegen kommen, müssten mehr Zeit in Mitwitz verbringen, meint Laschka. Aktuell seien viele von denen nach einer Stunde Schlossbesichtigung wieder weg. "Man muss sie schon am Ortseingang empfangen und ihnen etwas bieten." Ein Beitrag dazu sei die Beseitigung des Fischer-Betriebs. Aber zusätzlich könnten noch Tafeln mit Infos über den Ort oder mehr Gastronomische Angebote attraktiv sein.
Gern würde Laschka sehen, dass regelmäßig Busse voller Gäste kommen, die sich ein paar Stunden in Mitwitz aufhalten und natürlich auch Geld da lassen. "Man könnte vermehrt Veranstalter von Kaffeefahrten animieren, Landkreis-Touren anzubieten", spricht Laschka sicher auch den Bürgermeistern anderer Kommunen wie Tettau oder Teuschnitz aus der Seele.
80 prozentige Unterstützung Wenn im Juli die Bagger anrollen, wird die gesamte Ortsdurchfahrt erneuert: Die Fahrbahn verengt, die Randbereiche ausgearbeitet. "Damit ist hoffentlich eine Wiederbelebung der Ladengeschäfte und der gastronomischen Betriebe verbunden." Kurz: Die Aufenthaltsqualität im Ort soll gesteigert werden.
Bis zu 80 Prozent für das in vier Bauabschnitte eingeteilte und mit rund 2,1 Millionen veranschlagte Projekt schießt der Freistaat zu. Die 20 verbleibenden Prozente muss die Gemeinde stemmen. Das ist viel Geld für eine Kommune mit engem Finanzkorsett: Zwar konnte Mitwitz seine Schulden in den Jahren seit 2002 von 6,5 auf rund 3,5 Millionen (geschätzter Stand Ende 2014) Euro abbauen. Die Gewerbesteuer etwa beträgt allerdings nur 350 000 Euro. Es werde eben sparsam gewirtschaftet, sagt Laschka, und das Augenmerk auf's Wesentliche gerichtet.
"Zukunftsweisende Maßnahmen sind uns immer eine Investition wert."
Die Serie Wie sind die Kommunen im Landkreis für die Zukunft aufgestellt? In unserer Serie "Demografie im Kreis Kronach" beleuchten wir die aktuelle Lage in den 18 Gemeinden: Wie steht es um die Alters- und Infrastruktur? Wie wird die Zukunft aussehen? Lesen Sie selbst.
hst