"Stopp" für die Kippe jährt sich

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Seit fünf Jahren gilt Bayerns striktes Rauchverbot. Den Autor des Textes stört das nicht. Gern zerbricht er fürs Foto eine Zigarette. Foto: Lea Schreiber
Seit fünf Jahren gilt Bayerns striktes Rauchverbot. Den Autor des Textes stört das nicht. Gern zerbricht er fürs Foto eine Zigarette. Foto: Lea Schreiber
Silke Weber
Silke Weber
 
Karin Neubauer
Karin Neubauer
 

Heute vor fünf Jahren wurde der Volksentscheid "Nichtraucherschutz" in Bayern abgehalten. Die Folge war ein absolutes Rauchverbot. Schankwirte im Kreis Kronach haben das wohl am deutlichsten gespürt. Nicht nur negativ.

Dass in Zügen, Büros, sogar in Flugzeugen geraucht wurde, ist nicht so lange her. Zum Bier in der Kneipe gehörte Kippendampf sowieso dazu wie Weihrauch zum Gottesdienst. Aber spätestens seit dem 4. Juli 2010 ist das Geschichte. An dem Tag wurde das Volksbegehren "Für echten Nichtraucherschutz!" abgehalten (siehe Infobox). Damit einher ging auch ein Rauchverbot in der Gastronomie ohne Ausnahmen.

An den Gästen orientieren

Aber halb so wild, meint Monika Hanft. "Man muss den Gästen nicht mit der Verbotskeule kommen, sondern sich mit ihnen verständigen", sagt die Tochter des Betreiberpaares vom Gasthof Bauer in Oberlangenstadt. Kommunikation sei der Schlüssel. Sie hätten es geschafft, das Stammpublikum trotz Rauchverbot zu halten, indem sie sich auf dessen Bedürfnisse einstellten.
Im Sommer können die Gäste am Bach sitzen, im Winter unter einer Überdachung auf einer Bank Platz nehmen - bei Bedarf mit Heizpilz. "Wir bleiben im Gespräch, hören zu, was die Gäste wollen. Bislang klappt das gut." Von Verstimmtheit wegen des Rauchverbots ist bei Hanft nichts zu hören. Allerdings, relativiert sie, seien sie und ihre Familie auch keine hauptberuflichen Wirte, nicht auf den Umsatz allein angewiesen.

Der soll nämlich bei vielen Wirten, vor allem Schankwirten, nach dem totalen Rauchverbot eingebrochen sein, meint Stefan Ertl, stellvertretender Vorsitzender der Dehoga (Deutscher Hotel und Gaststättenverband) im Bezirk Oberfranken.

Zum Stammtisch gehöre für viele eine Zigarette. "Manche Wirte wurden von ihren Stammgästen vor die Wahl gestellt: Lass uns rauchen oder wir kommen nicht mehr zu dir", sagt Ertl. Den Kollegen seien die Hände gebunden: Denn selbst wenn ein Wirt seinen Laden wegen geschlossener Gesellschaft für die Öffentlichkeit dicht mache, so dürfte trotzdem nicht geraucht werden. "Das Verbot gilt für konzessionierte Räume. Immer, auch nach Feierabend", macht Ertl klar.

Vier Wochen Hausverbot halfen

Stammtische verlagerten sich also oft in die Schankräume der Gemeindehäuser oder Tagungsräume der örtlichen Feuerwehren. Dort mag offiziell auch ein Rauchverbot gelten. Aber das sei leichter für einen Abend außer Kraft zu setzen, meint der Experte. Allerdings: Sind die Kontrollen in der Gastronomie so drastisch, dass ein Wirt das Risiko scheuen muss? Ja, meint Ertl. "Denn es besteht theoretisch die Gefahr, dass ein Kollege den lukrativen Regelverstoß, den er selbst sich verkneift, mitbekommt und anzeigt", so Ertl. In der Speisegastronomie allerdings, meint Ertl, sei der Ausschluss des Rauchens von den meisten Gästen wie auch Kollegen begrüßt worden.

Tanja Welsch ist Nichtraucherin und Geschäftsführerin des Café Kitsch. Das Kronacher Lokal ist Café, Kneipe, Restaurant und immer wieder ein Ort für Feiern. Auch bei den Partys darf seit dem absoluten Rauchverbot von 2010 nicht mehr geraucht werden.

"Anfangs haben sie dann auf den Toiletten geraucht. Da mussten wir viel mit den Besuchern reden", erinnert sich Welsch. Aber wenn einem Raucher-Rowdy vier Wochen Hausverbot bei erneutem Paffen auf dem Lokus angedroht wurden, besserte er sich meist. Mittlerweile sei das kein Thema mehr. Alle hätten sich daran gewöhnt, so Welsch. Auch viele Raucher fänden es gut, wenn sie morgens nicht am ganzen Körper nach Aschenbecher riechen.

Und beim Umsatz? Alles OK! Der Übergang zum absoluten Verbot in 2010 sei letztendlich "ganz easy" gewesen. Die paar Gäste, die gedroht hätten, bei absolutem Rauchverbot fernzubleiben, seien alle wieder gekommen. Begonnen hat die Unternehmerin schon weit früher, die Kippen zu verbannen. So um 2003 oder 2004. Wer dampfen wollte, musste sich in den hinteren Bereich, die Tenne, zurückziehen. Mittags habe im gesamten Lokal Rauchverbot gegolten. "Beim Essen sollte sich niemand belästigt fühlen."


Das meinen die Kronacher zum Rauchverbot


Das absolute Rauchverbot wird heute fünf. Mit dem Verbot sollte unter anderem die Gesundheit von Nichtrauchern geschützt werden. Allerdings finden einige Nichtraucher die Anti-Dampf-Politik gar nicht so gut, wie wir in der Kronacher Innenstadt erfahren haben.
Karin Neubauer hat eine klare Meinung: "Ich bin zwar Nichtraucherin, aber in Pubs oder Kneipen könnte man das Rauchen schon erlauben." Weiter sagt die Wilhelmsthalerin, dass es schade sei, wenn alle Freunde zum Rauchen vor die Türe gingen - und sie dann interessante Gespräche verpasse. In Gaststätten hält sie das Gesetz für sinnvoll, da der Rauch beim Essen nur störend sei und sich negativ auf den Appetit auswirke. Eine andere Passantin meint, dass Bier und eine Zigarette einfach zusammengehören. "Man muss sich halt damit arrangieren", sagt eine dritte Frau. Trotzdem befürworte sie das Gesetz nicht.
Silke Weber, bekennende Nichtraucherin, sieht es komplett anders: "Meiner Meinung nach ist dieses Gesetz total gut." Lena Matuschek, selbst Raucherin, kann sich zwar in Nichtraucher hineinversetzen. Aber prinzipiell solle es doch jedem selbst überlassen werden, wo und wann er rauchen möchte, solang er dadurch niemandem schadet. Mittlerweile hat sich die 19-Jährige mit dem Gesetz abgefunden.
Ein Mann, der auch gerade durch die Stadt bummelt, meint, das Nichtraucherschutzgesetz enge ihn nicht weiter ein - obwohl er selbst Raucher sei. Ein weiterer Passant, Reinhard Sonntag, findet, jeder solle rauchen, wo er will. Als ehemals aktiver Raucher könne er die Standpunkte beider Seiten sehr gut nachvollziehen.

Kommentar von Hendrik Steffens


Es war vergangenes Silvester, kurz vor 11 Uhr. Meine Freundin und ich saßen auf der Couch und schauten Dinner for One. Sie trank einen Hugo, ich einen Bourbon mit Cola - das Getränk, das in mir das größtmögliche Verlangen nach Zigaretten weckte. Deshalb wanderte meine Hand zur Schachtel rote Gauloises, die immer auf der rechten Sofalehne lag, tastete rein und fand - Leere vor. "Boah nee ey." So oder so ähnlich, wahrscheinlich etwas drastischer, rief ich aus. Aber weil ich schon die karierte Gemütlichkeitshose, ein Schlafshirt und keine Socken mehr trug, hatte ich keine Lust, zur Tanke rüber zu gehen. Ich schmachtete und litt, aber die Sucht wurde von Faulheit überragt. Ich blieb sitzen.

Am nächsten Morgen war für mich klar: Wer die Silvesternacht - bei mir bis dahin stets eine der verqualmtesten Nächte des Jahres - ohne Kippen übersteht, der braucht auch sonst kein Rauchwerk.Ab da sah ich es als Herausforderung, die Kippen rauszulassen.

Sechs Monate und vier Tage bin ich jetzt rauchfrei. Zwar merke ich keine gesundheitlichen Verbesserungen und habe nicht spürbar mehr Geld, aber ich habe auch kein Gramm zugelegt (ja, das geht) oder sonstige Nachteile gehabt. Wer weiß, vielleicht bewahrt mich das Faulsein in der Silvesternacht 2014/15 langfristig vor einem furchtbaren Krebstod. Warten wir es ab.

In jedem Fall habe ich mir bewiesen, dass ich kein mentaler Schwächling bin. Ich hätte mich wie ein Weichei gefühlt, wenn ich den Vorsatz vom Neujahrsmorgen nicht gehalten hätte. Ich finde übrigens auch, dass jeder Raucher, der keiner mehr sein will und es trotzdem ist, ein Weichei ist.
Dieses zwanghafte Zunehmen nach dem Zigarettenverzicht finde ich auch albern. Ich jedenfalls bin stolz darauf, durchgehalten zu haben. Und ich kann nur an jeden Raucher appellieren, der lieber keiner wäre: Beweist es euch. Fühlt sich gut an (bis jetzt).