Die Kommunen kennen das Problem und kämpfen dagegen an. "Die Schandflecke müssen weg", sagt Steinwiesens Bürgermeister Gerhard Wunder. Sein Ziel: Ortskerne wiederbeleben. Daher weise er keine Neubaugebiete aus, sondern werbe offensiv dafür, vorhandenen Wohnraum aufzuwerten. Finanzielle Unterstützung aus München steht übrigens bereit.
Beispiel Förderoffensive Nordostbayern: Seit 2017 Jahr werden die Kreise Hof, Kronach, Kulmbach und Wunsiedel mit 90 Prozent (30 Punkte mehr als üblich) gefördert, um ihre Stadt- und Ortskerne zu revitalisieren. Schon im ersten Jahr sind mehr als 16 Millionen Euro nach Oberfranken geflossen. "Der Freistaat hat erkannt, dass ein Handlungsbedarf besteht", meint Wunder.
Kommunen in Verantwortung
Finanzminister Albert Füracker sieht seine primäre Aufgabe darin, "die geerbten Immobilien zeitnah zu veräußern". Aus der Verantwortung entlassen sieht Gerhard Wunder die Rathaus-Chefs selbst aber nicht. Schließlich sind die Akteure vor Ort im Zweifel an der Reihe, etwaige Gefahren zu beseitigen oder sich Gedanken um eine sinnvolle Nachnutzung zu machen.
"Es ist schon viel passiert. Aber wir müssen dran bleiben", sagt er. Das Problem der ungewollten Häuser wird in der Region vorerst bestehen bleiben. Es gelte nun, das beste draus zu machen.
Wenn der Staat zum Erben wird
Recht Im deutschen Recht gibt es keine Erbschaft, die nach dem Tod des Erblassers herrenlos bleibt. Am Ende der Erben-Kette steht immer der Staat.
Erbe Der Freistaat Bayern wird dann zum Erben, wenn zum Zeitpunkt des Erbfalles weder Verwandte noch ein Lebenspartner oder Ehegatte des Erblassers vorhanden sind oder diese die Erbschaft ausschlagen. Deren Motivation spielt keine Rolle.
Gesetz Grundlage des staatlichen Erbrechts ist in den meisten Fällen Paragraf 1936 im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) "Fiskus als Zwangserbe".
Gerichte Nachlassgerichte in Bayern und Baden-Württemberg sind gesetzlich verpflichtet, Erben zu ermitteln. Somit sollen herrenlose Nachlässe vermieden werden.
Nachlass Der Freistaat erbt jegliche Vermögensgegenstände, auch Immobilien. Leerstehende Wohngebäude sind nur ein kleiner Teil der Nachlassimmobilien - häufiger sind es Grundstücke, Wohnungen oder gewerbliche Objekte.
Kommentar vom Autor Stephan Großmann
Bezahlbarer Wohnraum wird in großen Städten und Ballungszentren immer knapper. Zur gleichen Zeit nimmt der Leerstand in vielen Kommunen auf dem Land zu - vor allem in den nördlichen Randgebieten Frankens. Dieses Missverhältnis hat viele Ursachen: Demografie, Stadtflucht, unterschiedliche Preisentwicklung. Fast jede dieser Fiskalerbschaft genannten "Schrottimmobilien" stehen in der Peripherie des Freistaates. Dort, wo mit Herzblut für Dorferneuerung oder zumindest Schadensbegrenzung gekämpft wird, bleibt eins dennoch aus: Die bei Immobiliengeschäften erhoffte Rendite.
Eigene vier Wände gelten als einer der besten Grundpfeiler der Altersvorsorge. So mancher spekuliert auf eine lukrative Nachlasseröffnung. Wird aus dem Erbe jedoch ein Draufzahlgeschäft, nehmen die Begünstigten lieber Abstand. Völlig verständlich. Die Zeche dafür zahlt letztlich die Gemeinde. Zwar ist der Freistaat nominell für seine Fiskalerbschaften verantwortlich, auch finanziell. Leben mit den vergammelnden Häusern müssen aber die Menschen vor Ort. Schnell öffnet sich des Teufels Kreis: Je mehr Bruchbuden, desto unattraktiver der Ort, je mehr Wegzug, desto mehr Bruchbuden ...
Die Staatsregierung hat das Problem erkannt und pumpt mit toll klingenden Förderpakten seit einigen Jahren Millionen in betroffene Gebiete. Höchste Zeit, denn zu lange mussten die Rathaus-Chefs bei den Münchner Entscheidern um Hilfe betteln. Nun regieren die Freien Wähler als selbst ernannte Sprecher der Landbevölkerung in Bayern mit. Bleibt zu hoffen, dass sie ihren eigenen Ansprüchen gerecht werden.