Zweimal hat der Kronacher Pensionär Uwe Löffler auf sein Urlaubsgeld verzichtet. Die Summe ließ er auf seine Betriebsrente aufschlagen. Aber dann holte sich die Krankenkasse ihr Stück vom Kuchen. Also den ganzen Kuchen.
Uwe Löffler will sich gar nicht beschweren. Es gehe ihm finanziell gut, er habe in seinem Arbeitsleben ordentlich verdient. Aber er hat auch Abstriche gemacht, damit die Finanzen im Alter auf soliden Beinen stehen, meint der Mittsechziger. Statt jedes Jahr Urlaub im Süden zu machen, hat er seiner Familie lieber ein Haus gebaut und es abbezahlt. Zusätzlich hat er freiwillig auf einen Teil seines Urlaubsgeldes verzichtet, um die Rente aufzustocken. Trotzdem wird er letztendlich nicht mehr haben, als wenn er es gelassen hätte. Ist das gerecht?
Löffler, der eigentlich anders heißt, hat früher für eine Versicherung gearbeitet. In den Jahren 2000 und 2001 hat er auf Ansprüche verzichtet zugunsten einer so genannten Pensionszusage (PZG). "Für mich war klar, dass ich mit 60 in Rente gehen will. Deshalb habe ich auch privat vorgesorgt." Unter anderem über diese PZG, die gewährleisten sollte, dass Löffler zu seinem Renteneintritt mit 60 Jahren einen finanziellen Zuschlag erhält.
Beiträge fressen das Extra Zweimal 863 Mark flossen statt ins Urlaubsgeld in den Betrag. Der Arbeitgeber hat noch einmal gleich viel bezuschusst. Darauf gab es noch eine Gewinnbeteiligung, sodass Löffler zum 1. Februar 2012 3266,64 Euro vom Arbeitgeber bekommen hat. Zusätzlich bekommt er seit seinem Renteneintritt Ende 2011 eine Betriebsrente in Höhe von mittlerweile 124 Euro im Monat. So weit, so gut.
Nach der Auszahlung der 3266,64 Euro meldete sich die Krankenkasse und meinte, Löffler müsse fortan Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zahlen - auf die Pensionszusage wie auch auf die Betriebsrente. "Begründet wird das mit dem GKV-Modernisierungsgesetz (GMG)", meint Löffler. Das im November 2003 erlassene Gesetz - inkraftgetreten zum 1. Januar 2004 - betrifft rückwirkend auch Verträge, die vor diesem Datum abgeschlossen wurden. Also auch die von Löffler aus den Jahren 2000 und 2001.
Seine gesetzliche Krankenkasse, die BK Mobil Oil, wies ihn darauf hin, dass er künftig zuzahlen müsse: Für jeden, der eine Freigrenze von 131,25 Euro (in 2012) überschreite, gelte die Beitragspflicht.
Die 3266 Euro der Pensionszusage (PZG) wurden rechnerisch auf zehn Jahre aufgeteilt. Ein Hundertzwanzigstel des Betrags wird von der Kasse seitdem monatlich berücksichtigt. Die rund 27 Euro werden auf die Bezüge aus der Betriebsrente aufgeschlagen - und damit "rutscht" Löffler über den Grenzbetrag für Beitragsfreiheit in der Krankenversicherung von damals rund 130 Euro. Deshalb erhebt die Kasse von ihm den kompletten Beitrag auf Betriebsrente und PZG, was derzeit knapp 27 Euro im Monat kostet. Allerdings steigen die Kassenbeiträge und damit auch die Zahlungen für den Kronacher. Ab 2016 werden es monatlich mehr als 27 Euro für die Kasse sein.
Schadet der Glaubürdigkeit "Mir wurde bei Abschluss der Pensionszusage gesagt, dass die Zahlungen der Einkommensteuer unterliegen. Es war aber keine Rede davon, dass noch sonstige Beiträge anfallen", ärgert sich Löffler. Seinem Arbeitgeber macht er in dieser Sache keinen Vorwurf, sondern dem Gesetzgeber. Er meint, das GMG "schadet der Glaubwürdigkeit der Politik".
Löffler hat ausgerechnet, was er in zehn Jahren wohl an die Kasse zahlen muss. Die 3266,64 Euro würden komplett aufgezehrt. Und damit der Sinn der Pensionszusage - die Löffler im Alter finanziell besser stellen sollte - ad Absurdum geführt. "Ich habe mich altersvorsorgebewusst verhalten und finanziell Abstriche gemacht. Wie gerecht ist es, wenn das jetzt bestraft wird?", fragt er. Die rund 1700 Mark Urlaubsgeld, auf die er verzichtet hat, sind quasi weg.
Das Bayreuther Sozialgericht schmetterte eine Klage dennoch ab. Es urteilte bei dem Verfahren des Uwe Löffler gegen die Mobil Oil im letzten Jahr, dass die Forderungen der Kasse auf der Basis des GKV-Modernisierungsgesetzes rechtens sei. "Die Richterin ist auf die Problematik, dass meine Bemühungen zur Altersvorsorge praktisch bestraft werden, nicht mal eingegangen. Sie hat nur festgestellt, dass es dieses Gesetz gebe." Am Dienstag geht er vor der nächsthöheren Instanz, dem Landessozialgericht in München, in Berufung. Verteidigen wird er sich selbst, vertrauend auf ein Einsehen des Gerichtes. "Meine Hoffnung ist, dass ich endlich bessergestellt werde als jemand, der diese zusätzliche Altersvorsorge nicht getroffen hat."
Mehr als hundert andere Mitarbeiter seines ehemaligen Arbeitgebers sind Löffler bekannt, die ebenfalls Pensionszusagen in Anspruch nehmen wollten. Ob diese ähnliche Probleme mit ihren Kassen haben, weiß er aber nicht.
Alles gesetzlich definiert? Eine Sprecherin der Krankenkasse Mobil Oil meinte auf Anfrage, sie bedauere die Situation des Herrn Löffler, sehe aber wenig Chancen auf eine Änderung seiner Situation: Leistungen aus Pensions- und Direktzusagen seien als betriebliche Altersvorsorge den Versorgungsbezügen zuzuordnen. Und alle Beitragsbemessungsgrenzen seien gesetzlich definiert, damit also nicht kassenindividuell. "Es ist nachvollziehbar, dass sich Versicherte ärgern, die Versorgungsbezüge beziehen, die knapp über den Beitragsbemessungsgrenzen (aktuell 141,25 Euro für 2015) liegen und deshalb beitragspflichtig sind." Aber die Mobil Oil könne das nicht ändern. Die gesetzlichen Regelungen zur Beitragspflicht, die seit 2004 gelten, seien "unserer Einschätzung nach höchstrichterlich geklärt". Deshalb könne sie in solchen Fällen weder eine Besserstellung erwirken, noch Aussicht auf Erfolg einer Klage erkennen.
Das rät die Verbraucherzentrale Bastian Landorff, Fachberater Krankenversicherung der Verbraucherzentrale Bayern, kennt die Problematik des Uwe Löffler: Im Sozialgesetzbuch V sei in Paragraf 226 geregelt, dass, "wenn bestimmte monatliche beitragspflichtige Einnahmen einen Bagatellwert überschreiten, die betreffenden Einnahmen insgesamt beitragspflichtig werden", so Landorff. Derzeit beträgt dieser Bagatellwert 141,75 Euro. Die Grenze überschreitet Uwe Löffler.
Der Paragraf 237 im SGBV regele, dass diese Bagatellgrenze auch bei versicherungspflichtigen Rentnern angewendet werde. Und das geht ins Geld, denn: "Wird die Grenze überschritten, dann werden die Einnahmen nicht nur bis zur Höhe der Grenze beitragspflichtig, sondern auch der darüber hinaus gehende Teil. Die Einnahmen werden insgesamt beitragspflichtig."
Wie schützt man sich? Leuten, die ihre Altersvorsorge planen, einen bestimmten Tipp zu geben, sei im Hinblick auf diese Bagatellgrenze schwierig, meint der Experte. Zwar seien - zumindest bei versicherungspflichtigen Rentnern - Auszahlungen aus bestimmten Altersvorsorge-Produkten überhaupt nicht beitragspflichtig in der Krankenversicherung - zum Beispiel weil sie weder als Rente aus der Rentenversicherung noch als Versorgungsbezug anzusehen seien. "Daraus kann man aber nicht Schluss ziehen, dass diese deshalb ohne weiteres und immer vorzuziehen sind." Jede Entscheidung für oder gegen ein Produkt in der Altersvorsorge müsse wohlüberlegt sein. Und dabei müssten ganz verschiedene Aspekte, nicht nur die Beitragspflicht in der Krankenversicherung, berücksichtigt werden.
Wie häufig ist der "Fall Löffler"? Eine statistisch auffällige Häufung von Fällen wie dem des Uwe Löffler könne, soweit man das in der Beratungspraxis bei der Krankenversicherungsberatung der Verbraucherzentrale Bayern sagen könne, "wohl eher nicht ausgemacht werden". Der Experte rät aber dazu, die Beratung seiner Stelle in Anspruch zu nehmen.