Gasthäuser-Sterben im Landkreis Kronach: Wo die Wirtschaft stirbt

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Bei vielen ehemaligen Traditionsgasthäusern ist das letzte Bier längst ausgeschenkt - immer mehr Wirte geben auf. Das Wirtschaftsministerium will mit einem Förderprogramm den verbliebenen Betrieben neue Chancen eröffnen. Archivbild: Hendrik Steffens
Bei vielen ehemaligen Traditionsgasthäusern ist das letzte Bier längst ausgeschenkt - immer mehr Wirte geben auf. Das Wirtschaftsministerium will mit einem Förderprogramm den verbliebenen Betrieben neue Chancen eröffnen. Archivbild: Hendrik Steffens

Es ist Kulturgut und wichtiger Standortfaktor zugleich, trotzdem ist das klassische Dorfgasthaus vom Aussterben bedroht.

"Mehr wird's nicht mehr - nur weniger", ist Gunda Punzelts resignierender Kommentar zur Zukunft ihrer Gaststätte in Effelter. Vor über 50 Jahren hat sie das Gasthaus von ihren Eltern übernommen. Noch immer öffnet die 66-Jährige täglich Küche und Gaststube für die wenigen, die noch kommen. "Wenn die Alten mal weg sind, ist keiner mehr da."

Gaststättensterben - ein immer wiederkehrendes Unwort der letzten Jahren, wieder in den Fokus gerückt durch Hubert Aiwanger (FW). In einer Pressekonferenz kündigte der bayerische Wirtschaftsminister an, den ländlichen Gasthäusern zu helfen.

Modernisierungs-Programm verspricht Hilfe

Ein "Gaststätten-Modernisierungsprogramm" soll Fördermittel bereitstellen, in Sachen Hygiene-Kontrolle und Finanzprüfung wolle man "es nicht übertreiben." Er verspricht den bayerischen Wirten: "Wir kontrollieren euch nicht zu Tode." Doch nur um die Kontrolle geht es nicht, erklärt Frank-Ulrich John, Geschäftsführer des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbandes (DEHOGA). Es gehe um das seit Jahren gewachsene "bürokratisches Monster" als solches, das der kleine Wirt kaum noch bewältigen könne. Laut einer DEHOGA-Umfrage unter 6000 Betrieben verbringen Gastronomen im Schnitt zwölf Stunden in der Woche mit Bürokratie.

Von Dokumentation der Kühltemperaturen bis zur im vergangenen Jahr eingeführten Registrierkassenpflicht lebt Ulli Löffler den Bürokratiewahnsinn Tag für Tag. Im Familienbetrieb in Windheim gehe immer mehr Zeit für den Verwaltungsaufwand drauf, klagt er. "Und dabei ist alles nicht 100 Prozent rechtssicher. Der eine sagt so, der andere so - aber ganz genau weiß man es nicht." Der 41-Jährige wünscht sich ganz konkret Bürokratieabbau und Rechtssicherheit in Fragen der Hygiene, der Buchhaltung, der Steuern. Eine Finanzspritze für Modernisierung? Der Windheimer ist skeptisch - abgeschreckt von der erneuten Bürokratie, die er hinter einem solchen Förderprogramm befürchtet.

Entbürokratisierung ist deshalb genau das Stichwort, das ihn bei Aiwangers Plänen aufhorchen lässt.

Flexiblere Arbeitszeiten

DEHOGA-Chef John fallen noch weitere Baustellen ein, bei denen er sich von der Regierung Entgegenkommen erhofft. Als wichtigen Punkt nennt er Reformen hin zu einem flexibleren Arbeitszeitenrecht. Der klassische 8-Stunden-Tag sei in der Gastronomie, wo sich das Kerngeschäft auf Wochenende und Feiertage fokussiere, nicht praktikabel. "Hier muss man klar Missverständnisse ausräumen. Die Angestellten sollen nicht mehr arbeiten - sondern weg von einer täglichen Höchstarbeitszeit, zu einer wöchentlichen."

Der letzten Forderung von John kann sich Ulli Löffler nur anschließen: Faire Steuern und vor allem gleiche Steuern auf Essen - unabhängig ob es zum Mintnehmen an der Bäckertheke oder am Tisch im Wirtshaus serviert werde. "Hier liegt eine Ungleichbehandlung vor", sagt John. Während Essen zum Mitnehmen mit sieben Prozent besteuert werde, müssten in der Gaststätte 19 Prozent erhoben werden. "So geht den Landgasthöfen das Mittagsgeschäft flöten." Der Verband spricht sich für sieben Prozent auf Essen aus - da profitierten Wirt und Gast gleichermaßen.

Förderung kann neue Chancen eröffnen

Zielt das Modernisierungsprogramm an der tatsächlichen Ursache für das Gaststättensterben vorbei? Immerhin kündigt die Regierung an, in den Haushaltsjahren 2019 und 2020 rund 30 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen. Braucht die Branche dieses Programm? "Unbedingt", sagt John, "sicher wird es kein allheilendes Mittel sein." Aber es sei wichtig, der Branche Impulse zu geben. Betriebe, die ohne diese Unterstützung kaum einen Kredit aufnehmen könnten, um zu modernisieren, hätten so eine Chance, neu belebt zu werden. Es müsse ja nicht zwangsläufig die Sanitäranlagen oder die Küche renoviert werden. Man könne die Förderung zum Beispiel auch nutzen, eine Homepage zu gestalten - auf sich aufmerksam zu machen, neue Kundschaft gewinnen.

Der Aufwind, den sich John für die Branche wünscht, ist in Friesen allenfalls ein laues Lüftchen. Auch wenn sich Birgit Wich von der Gaststätte "Desera" auf ihre Stammkundschaft verlassen könne, ist die Zukunft der Traditionsgaststätte ungewiss. "Es ist schwierig bei uns - wie bei allen anderen auch", sagt sie. Im Familienbetrieb fehlt auf lange Sicht die Nachfolge. Die Kinder sind weggezogen - dieses Problem könne die Politik eben nicht lösen. "Die Jugend fehlt überall - natürlich auch im Wirtshaus."

Die Resignation könne er nachvollziehen, sagt John. "Aber wir wollen auch Chancen aufzeichnen, Märkte zurückerobern", sagt er - und der Branche wieder mehr Attraktivität verleihen. Ein Beispiel nennt er auch: Früher sei der Wirt Vollversorger im Dorf gewesen. Heute klage jeder über die fehlende Versorgung in ländlichen Regionen. "Warum nicht den Tante-Emma-Laden mit dem Dorfwirtshaus kombinieren?" John empfiehlt Wirten, an einer kostenlosen Beratung durch der Verband teilzunehmen - mit der man neuen Mut in die Branche geben wolle. Nähe Informationen findet man unter www.wirtshauskultur.bayern.