Am FWG gibt es sie nicht mehr, das KZG könnte nachziehen. Die Grundschulen nehmen weiter teil - und nicht wenige Eltern finden das gut.
Die Zweitklässlerin zeigt lächelnd ihre Zahnlücken. Charlotte (7) freut sich auf ihre ersten Bundesjugendspiele im Juli. "Rennen" sei ihr Ding. Naomi (9) macht heuer zum vierten Mal mit und wirkt nicht so, als würde sie sich um den Wettbewerb reißen. Aber: "Wichtig ist nicht, dass man gewinnt, sondern dass man mitmacht und durchhält", sagt sie. Im Juli werden die beiden Schülerinnen der Lucas-Cranach-Grundschule an den Bundesjugendspielen teilnehmen.
Und wie finden die übrigen Schulkinder, die an diesem Nachmittag vor der Grundschule auf ihre Eltern oder den Bus warten, den Wettbewerb? Sie jubeln. Bei einzelnen nachgehakt, relativiert sich die Vorfreude aber. "Die meisten in meiner Klasse haben keine Lust. Ist ihnen zu anstrengend", sagt ein Junge aus der zweiten Klasse.
Nicht weil die Bundesjugendspiele zu anstrengend, sondern weil sie unfair und unzeitgemäß seien, kritisierte Christine Finke, eine Mutter aus Konstanz, das Format kürzlich medienwirksam (siehe Infobox). Der Schülerwettbewerb demütige die Schwächeren.
Thilo Ludwig holt seine Tochter von der Grundschule ab. Er ist ein stämmiger Mittvierziger und "war schon immer so", also nicht der Schlankste. Die Kritik an den Spielen, die nicht ganz so sportliche Kinder schützen soll, teilt er aber nicht. Im Gegenteil: "Ich erinner' mich noch. Genau einmal habe ich eine Ehrenurkunde geholt. Da war ich extrem stolz", sagt er. Ein Musterathlet war Ludwig nicht. Aber er hat seine Nische gefunden - Kugelstoßen - und abseits von Laufbahn und Barren Erfolg gehabt.
Leben nicht auf "Insel der Glückseligen"
Johannes Hausmann, der Vorsitzende des Elternbeirats der Lucas-Cranach-Grundschule, kann die Kritik nicht nachvollziehen: "Wir leben nicht auf einer Insel der Glückseligen, in der kein Wettbewerb herrscht." Und der Wettbewerb beginne nicht erst mit 18 oder 21, sondern spätestens zur Zeit des Übertritts auf die weiterführende Schule.
Das System an der Lucas-Cranach Grundschule ist wie an vielen anderen Schulen: Jedes Kind bekommt eine Teilnehmer-, manche eine Sieger-, und die allerbesten eine Ehrenurkunde. Ungerechtigkeit kann Rektorin Anita Neder darin nicht finden. "Wie es in Mathematik oder Kunst bessere und weniger gute Kinder gibt, so ist es auch im Fach Sport." Und sportliche Begabung werde nicht erst bei Bundesjugendspielen erkennbar, sondern zeige sich auch im Unterricht.
Wichtig, so Neder, sei, dass die Fairness gewahrt bleibe und die Lehrer darauf achten, dass schwächere Sportler nicht aufgezogen werden. Dass ein Kind ausgelacht werde, habe sie noch nie erlebt. Dass Kinder stolz auf ihre Leistungen sind, jedes Mal.
Laut Schulamtsdirektor Uwe Dörfer nehmen nahezu alle Grundschulen im Kreis Kronach an den Spielen teil. Das Frankenwald-Gymnasium ist seit mehr als zehn Jahren raus: Das Format sei "antiquiert", findet Sportlehrer und stellvertretender Schulleiter Alfred Merkel. Der enorme Organisationsaufwand, lange Wartezeiten und die Wetterabhängigkeit seien hinderlich. "Wir haben machen etwas ähnliches, intern und in kleineren Gruppen", so Merkel. Die Spitzengruppen unter den Sportlern haben weiterhin die Möglichkeit, sich für regionale und überregionale Wettbewerbe zu qualifizieren.
Das Kaspar-Zeuß-Gymnasium nimmt noch an den Bundesjugendspielen teil, im Geräteturnen.
Allerdings gibt es Diskussionen in der Fachschaft, ob das so bleiben soll. "Wir sehen zunehmend, dass einige der gefragten Übungen nicht geleistet werden können - gerade von den Jungen", sagt Sportlehrer Norbert Spies. Ein Rad schlagen oder einen Handstand könnten viele nicht. Einige Fünftklässler hätten auch bei einfacheren Übungen wie einer Rolle vorwärts Probleme. Es stelle sich die Frage: Macht es Sinn, Übungen, die von vielen kaum beherrscht werden, im Wettkampf zu prüfen?
Das meinen unsere Leser im Netz
Auch im Internet unter infranken.de und auf der Facebook-Seite unserer Kronacher Redaktion wurde das Thema heiß diskutiert.
Hier lesen Sie eine Auswahl an Stimmen zu der Frage: Bundesjugendspiele ja oder nein?
Marco Rohland: "Was soll das? Sport ist gesund!"
Chrissi Büttner: "Vielleicht sollte man sie nicht gleich abschaffen, sondern erstmal überdenken und möglicherweise neu gestalten?!"
Andre Escalup: "Die unsportlicheren Kinder sollen nicht überanstrengt werden. Lieber Playstation, Handy und Milchschnitte ..."
Ina Redwitz: "Ich bin Erzieherin in einer Hortgruppe. Meine Kinder haben vorhin erzählt, dass sie nächste Woche Bundesjugendspiele haben. Sie haben von ihren Erfolgen im letzten Jahr erzählt, voller Stolz. Sie freuen sich schon auf nächste Woche. Den Kindern so etwas nehmen?"
Beatrice Schiopu: "Jetzt verschlägt es mir ja fast die Sprache.
Das kann doch nicht ernst gemeint sein. In Zeiten von Smartphones und Computerspielen seh' ich das äußerst kritisch. Viele Kinder bewegen sich kaum noch außerhalb vom Sportunterricht in der Schule. Ich kann aus eigener Erfahrung sagen, dass ich die Bundesjugendspiele geliebt habe und mich jedes Jahr aufs Neue darauf gefreut habe. Sich einfach mal mit seinen gleichaltrigen Mitschülern zu messen und an seine Grenzen zu gehen, fand ich toll. Klar gibt es auch Kinder die das gehasst haben, aber umgebracht hat es keinen!"
Steffen Kauschke "Ja aber da könnte ja jemand Letzter werden oder sich ganz und gar verletzen, damit werden so einige Eltern nicht klar kommen ... Gibt es schon eine Gegenpetition, die man unterzeichnen kann?"
Beatrice Schiopu "Ganz genau das ist das Problem! Verletzen? Beim über die eigenen Füße fallen oder bei was? Bei der Gegenpetition wäre ich sofort dabei!"
Meinung: Pro und Contra Abschaffung der Bundesjugendspiele
Pro: Sarah Dann, Redaktionsvolontärin, findet, die Spiele sind überholt: "Von der ersten bis zur vierten Klasse kam ich in den Genuss dieser im besonderen Maße pädagogisch wertvollen Schulbank-Alternative. Vier ehrwürdige Teilnehmerurkunden staubte ich ab.
An Tagen, an denen es durchschnittlich 35 Grad hatte - mindestens und im Schatten versteht sich. Schützende dunkle Flecken waren im baden-württembergischen Osterholzstadion aber nicht zu finden, schon gar nicht am Tag der Bundesjugendspiele. Aber wer rechnet im Juli, im Sommer, schon mit einer Temperaturexplosion?! Den Wetter- oder vielmehr Planungskapriolen irgendwelcher Minister sei dank, fuhren deshalb 99 Prozent der Eltern am Morgen der Bundesjugendspiele ihre Schützlinge sicherheitshalber mit dem Auto ins Stadion ... der Buckel zum Sportplatz hinauf sollte die Mitschüler schließlich nicht schon vor den Wettkämpfen ins Schwitzen bringen.
Noch fürsorglicher waren nur die Eltern, denen es morgens am Telefonhörer selbst die Schweißperlen auf die Stirn trieb: "Also meine Lisa, die hat heute Kopfschmerzen. Ganz starke. Wirklich." Bauchschmerzen waren es wohl eher, ... waren es aber vielleicht auch schon im Jahr zuvor.
Die Wertlosigkeit von Teilnehmerurkunden keimt im Konzept sogenannter Sport-"Spiel"-Tage. Es "soll auf eine Frühspezialisierung und Einengung in ein zu starres Regelwerk verzichtet werden", heißt es offiziell. Deshalb wird der Einsatz - ob beim Sprinten oder Springen - in der brütenden Hitze nach Tabellen bewertet, aha. Im Ernst: Auf die Plätze, meckern, los! Gegen einen einzelnen Tag, der kindlichen Bewegungsdrang in Leistungstabellen zwängt. Für ein Bewegungsprojekt, das beim Thema "Ernährung" im Heimat- und Sachunterricht beginnt und Trainingserfolge im Sportunterricht erlaubt. "
Contra: Christian Holhut, Redakteur, findet die Bundesjugendspiele sinnvoll: "Es gibt nicht
die fetten Jugendlichen, die mit Fastfood vor der Glotze sitzen. Es gibt sie natürlich, aber eben nicht nur. Denn wie Spaß am Lesen oder Appetit auf gesunde Ernährung ist eben auch Freude an Bewegung und fairem Wettkampf zum großen Teil Erziehungssache. Verabschieden wir uns hier von der Idealvorstellung, die sei flächendeckend so auch gut gegeben. Es mangelt hierzulande oft daran. An vielem. Zu oft. Nicht ohne Grund beklagen Lehrer häufig, dass sie sich notgedrungen immer mehr um das zu kümmern hätten, was Eltern nicht leisten wollen oder können.
Deshalb ist am Sport in der Schule ebenso wenig zu rütteln wie an Mathe oder Deutsch. Denn: Jedes Kind braucht dieselben Chancen und Möglichkeiten, unabhängig von seiner Herkunft, seinem Zuhause oder aktuellen Fähigkeiten. Entsprechend vonnöten ist die Leistungserfassung. Es braucht eben auch die Chance, sich mit anderen zu messen - genauso wie in allen Fächern in der Schule, in anderen Lebensbereichen oder -phasen, sobald individuelle Stärken und Schwächen zum Vorschein kommen. Der Fingerzeig in Richtung "unsensibles Lehrpersonal", wesentliches Element der Petition, zeigt doch, wo der Fehler liegt: nicht im sportlichen Wettkampf, sondern sobald es maßgeblichen Personen im Umfeld der Kinder an Kompetenzen mangelt.
Und damit sind hier nicht nur die Lehrer gemeint. Natürlich sind die Bundesjugendspiele gut vorzubereiten, nicht am heißesten Tag des Jahres durchzuprügeln, jeder Teilnehmer ein Sieger - und die Schwächen von Kindern generell ernst zu nehmen. Wer aber Defizite in diesem Bereich zum Anlass nimmt, alle Kinder ein Stück mehr in Watte zu packen vor der Lebenswirklichkeit, arbeitet am eigentlichen Problem vorbei."
Stimmen aus dem Netz:
Auch auf inFranken.de und auf den zugehörigen Facebook-Seiten wird das Thema heiß diskutiert. Hier eine Auswahl an Stimmen:
Das-geschriebene-Wort: "Ich finde eintägige Bundesjugendspiele total sinnlos. Wenn man mal bedenkt, wie häufig in der Schulzeit die Sportstunden ausfallen (...) und man die Kinder fast unvorbereitet in diesen Wettkampf schickt und daher Urkunden nicht nur mit Können sondern auch mit Glück zugewiesen werden."
Yvonne Guzik Ives: "Ich bin ja schon ein paar Jährchen aus der Schule raus, aber die besten Erinnerungen hab' ich an die Bundesjugendspiele, und zwar nicht wegen des Sportteils, ich glaub', ich hab's höchstens mal zu ner Siegerurkunde geschafft (...), sondern die Kameradschaft, das ,Abhängen‘ mit den Anderen, einfach der SPASS, einen Tag ohne Unterricht zu haben."
Uschi Veit"Ich erinnere mich mit Freuden an die Bundesjugendspiele. Ich kann mich nicht erinnern, dass die Kameradschaft darunter gelitten hat."
LuciferSam: "Wenn der Klassenzusammenhalt Mist ist, macht es natürlich keinen Spaß. Aber dann werden die Schwächeren nicht nur bei den BJS gemobbt, sondern immer."
Hintergrund: Wie kam es zur Diskussion um die Bundesjugendspiele?
Initiatorin Christine Finke aus Konstanz hat die Diskussion ins Rollen gebracht. Die Stadträtin und freiberufliche Journalistin widmet sich privat als Bloggerin und alleinerziehende Mutter von drei Kindern der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Hier geht's zu ihrem
Blog.
Begründung Vor rund einer Woche setzt Christine Finke auf Twitter die Nachricht ab, dass ihr Sohn weinend mit einer Teilnehmerurkunde der Bundesjugendspiele heimkomme - und sie deshalb eine Petition zur Abschaffung erwäge. Der Wettbewerb mit Teilnahmezwang und starkem Wettkampfcharakter sei nämlich nicht mehr zeitgemäß.
Petition Zwei Tage später steht ihre Online-Petition "Bundesjugendspiele abschaffen!" an Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) im Netz und sammelt binnen drei Tagen über 5000 Unterschriften. Sie entfacht auch eine heftige, teilweise sehr emotionale Diskussion um die 1951 eingeführten Bundesjugendspiele - insbesondere in den Sozialen Medien, aber auch bundesweit in großen Zeitungen und Portalen. Hier geht's zur
Petition.
Meinung Der Deutsche Sportlehrerverband positioniert sich mit Präsident Michael Fahlenbock pro Bundesjugendspiele - wenngleich er ablehnt, vom Ergebnis Zensuren abzuleiten. Der Tageszeitung "Welt" sagte er in dieser Woche, er halte die Spiele samt Wettbewerbscharakter für richtig - sofern sie wie ein Sportfest gesehen und Schüler systematisch auf die einzelnen Disziplinen vorbereitet würden. Fahlenbock zufolge ist zu berücksichtigen, dass nur Schulen "wirklich alle Heranwachsenden" treffen.
hol
...weil also die Frau Mutter weder in der Lage ist, ihren Kindern auch nur ein MIndestmaß an Sportlichkeit zu vermitteln, noch mit der daraus resultierenden Folge einer nicht zu erlangenden Urkunde fertig wird, muss nun also eine Petition gestartet werden um diese himmelschreiende Ungerechtigkeit zu beenden...
na sauber.
Und die Schule springt gerne auf, weil man dort auch nicht in der Lage ist, weder das Eine noch das Andere zu vermitteln. Ja, klar, dann lasst doch die Kinder weiter ihre Freizeit vor der Glotze und am Computer verbringen. Dazu reicht die Helikoptermama dann Chips und Cola, wechselt zwischendurch noch dem 12jährigen die Windeln und regt sich drüber auf, wie inkompetent die staatlichen Einrichtungen sind, weil sie ihrem Kind ja überhaupt nicht gerecht werden.
Mit Anfang 20 sind dann die ersten mit burnout in der Klapse und treffen sich im Anschluss mit ihren Kumpels in der Reha, die dort ihren dritten Bandscheibenvorfall wegen Haltungsschäden auskurieren.
p.s. ich war in der Schule immer Scheiße in Mathe. Hab mir sagen lassen, es gäbe immer noch Schüler, denen es ähnlich geht. Wieso startet hier niemand eine Petition? Ich bin mir sicher, dass diese bescheuerten Schulaufgaben wesentlich mehr Probleme und Tränen verursachen als eine verpasste Urkunde bei den Bundesjugendspielen...