Die Bilder haben sich eingeprägt, die Erfahrungen haben sie vorangebracht: Fünf Einsatzkräfte des BRK berichten von der großen Flut in Rheinland-Pfalz.
Es war der größte Einsatz bislang. Und er hat Spuren hinterlassen. Fünf Mitglieder des Bayerischen Roten Kreuzes aus dem Kreis Kitzingen ziehen Bilanz aus den Tagen und Wochen in Rheinland-Pfalz.
Christian Klein, 24 Jahre, Rettungssanitäter: "Das war mein erster Katastrophenschutzeinsatz überhaupt. Ich hatte mich gleich gemeldet, als Freiwillige gesucht wurden, und war insgesamt zweimal vor Ort. Ende Juli mit dem Betreuungskontingent, Anfang August mit dem Transport-Kontingent. Im letzteren Fall waren wir mit rund 20 Krankentransportwagen vor Ort, in Dernau im stark betroffenen Landkreis Ahrweiler. Wir haben das dortige medizinische Versorgungszentrum von den Kollegen aus Thüringen übernommen. Das Zentrum diente als zentrale Anlaufstelle für Anwohner, aber auch Hilfskräfte. Die Kliniken und Arztpraxen sind bei der Flutwelle ja ebenfalls zerstört worden, die Menschen mussten irgendwo ärztlich versorgt werden. Unsere Arbeit reichte vom Wunden reinigen bis hin zur Ausgabe von gespendeten Hilfsmaterialen wie Salben, Desinfektionsmitteln oder Masken. Letztere waren besonders wichtig, weil die Staubbelastung bei den Aufräumarbeiten enorm war. Ich hatte den Eindruck, dass die Menschen vor Ort sehr froh über unsere Präsenz waren. Manche meinten, dass sie panische Angst vor dem Zeitpunkt hätten, wenn alle Hilfskräfte abgezogen sind. Für uns ging es nach jeweils 72 Stunden Dienst wieder zurück in die Heimat. Diesen Einsatz werde ich sicher nie vergessen. Es bleibt sehr viel hängen. Wenn ich den Lichtschalter betätige oder den Wasserhahn aufdrehe, denke ich mir jedes Mal, wie gut wir es haben, dass all diese Dinge bei uns funktionieren."
"Wie im Krieg": Helfer auf der Suche nach Leichen in Schlamm
Bernhard Pfaff, 55 Jahre, Notfallsanitäter und Kreisfachdienstleiter Sanitätsdienst: "Ich bin seit 34 Jahren hauptamtlich beim BRK und war vorher schon ehrenamtlich tätig. So etwas wie in Rheinland-Pfalz habe ich noch nie erlebt. Auf so einen ehrenamtlichen Einsatz kann man sich auch nicht vorbereiten, bei keiner Übung der Welt. Dennoch lief alles super. Wir wurden am Samstagmorgen alarmiert und gegen Mittag standen schon rund 40 Fahrzeuge aus ganz Unterfranken abfahrbereit in Hösbach. Unser Gerätewagen-Sanitätsdienst war in Rech stationiert, wir hatten dort ein paar Hilfeleistungen zu absolvieren, nichts Dramatisches. Öliger Schlamm, der in die Augen gelaufen ist, Schürfwunden und so. Viel wichtiger waren die Gespräche, die wir mit den Betroffenen geführt haben. Das Gefühl zu vermitteln, dass sie nicht alleine sind in ihrer Not. Die Bilder aus dem Krisengebiet habe ich heute noch im Kopf, fünf, sechs Meter tiefe Krater, der Unrat aus den Häusern, der sich meterhoch türmt, die Spürhunde, die im Schlamm nach Leichen gesucht haben. Es hat wirklich ausgeschaut wie im Krieg. Und der Geschmack von trockenem Schlamm, den meine ich heute noch im Mund zu spüren. Was bleibt, ist ein Gefühl von Dankbarkeit für die einfachen Dinge des Lebens. Der Kühlschrank ist voll, ich kann im Supermarkt einkaufen, aus der Dusche kommt warmes Wasser und die Klospülung funktioniert. Die Menschen an der Ahr haben all das nicht mehr."
Thorsten Dennerlein, 31 Jahre, Kreisfachdienstleiter Betreuungsdienst: "Dieser Einsatz stellte sich für mich als einer der anspruchsvollsten seit Deggendorf 2013 heraus. Die Menschen waren so dankbar, ich würde jederzeit wieder nach Rheinland-Pfalz fahren, falls ich gebraucht werde. Im Rahmen des unterfränkischen Betreuungskontingents waren die SEG Betreuung unter der Leitung von Rebecca Krenzer und die SEG Verpflegung unter meiner Leitung vom 26. bis 29. Juli in Bad Neuenahr im Einsatz. Der Feldküchenplatz wurde betrieben durch die Feldküchen aus Kitzingen, Schweinfurt und Mömlingen. Bis zu 5000 Essen konnten wir so an einem Tag in unseren Küchen zubereiten und somit Helfer und Betroffene versorgen. Unsere 16 Einsatzkräfte waren dabei fast pausenlos im Einsatz. Zu dem Aufgabengebiet unserer SEG Betreuung gehörten unter anderem die Ausgabe der Verpflegung, Ausgabe von Gegenständen des täglichen Bedarfs und die Betreuung der Einsatzkräfte sowie der Betroffenen. Unsere Helfer hatten für die Sorgen und Nöte der Hilfesuchenden immer ein offenes Ohr. Als eine besondere Herausforderung vor Ort stellte sich die Beschaffung von Lebensmitteln dar. Ohne unser lokales Netzwerk hier im Landkreis Kitzingen, auf das wir zurückgreifen konnten, hätte das gar nicht funktioniert. Die örtlichen Lieferanten konnten nur noch kleine Mengen zur Verfügung stellen. Daraufhin nahm ich Kontakt zum Edeka in Rottendorf auf, welcher uns sofortige Unterstützung zusicherte. So sponserten die Edeka/Frankengut Rottendorf nicht nur die Fleisch- und Wurstwaren, sondern organisierten auch den kostenfreien Transport der Kühlwaren über die Firma FDG-Gutmann aus Haidt in das Schadensgebiet. Schon bei den Einsatzvorbereitungen und im weiteren Verlauf unterstützten uns verschiedene Unternehmen aus dem Landkreis Kitzingen, unter anderem der Frischedienst Walther, „Hafen 7“, Rewe Roppelt, Wurst Wachter, die Bäckerei Matthäus aus Marktsteft und die Fundgruben Gerolzhofen und Werneck. Unser Netzwerk in der Heimat hat uns die Hilfe in Rheinland-Pfalz jedenfalls um einiges erleichtert. Eine Woche nach Ende unseres Einsatzes machten sich erneut zwei Einsatzkräfte unserer SEG auf den Weg ins Schadensgebiet, um unsere Ersatzfeldküche den Helfern am Verpflegungszentrum in Grafschaft leihweise bis zum Ende des Einsatzes zu überlassen."
Steffen Lechner, 33 Jahre, Vorsitzender der Kreis-Wasserwacht Kitzingen: "Die zwei Tage im Einsatzgebiet an der Ahr waren zugleich erschreckend und beeindruckend. Erschreckend, weil wir alle eindrücklich vor Augen geführt bekamen, wie machtlos wir gegen die Kraft der Wassermassen sind. Beeindruckend, weil wir berührende Begegnungen mit den Menschen vor Ort hatten. Sie haben alles verloren und wollten uns ihr letztes Brot anbieten. Unglaublich. Unser kompletter Hochwasserrettungszug war am 15. und 16. Juli, also kurz nach der Flut, zum zweiten Mal überhaupt im Einsatz. Der erste Einsatz war nach dem Donau-Hochwasser in Deggendorf gewesen. Sieben Fahrzeuge a fünf Mann haben sich dieses Mal Richtung Rheinland-Pfalz auf den Weg gemacht. Boote, Taucher, EDV, die komplette Ausrüstung. Unser Auftrag bestand darin, einen Abschnitt der Bundesstraße, welche von den Ausuferungen der Ahr betroffen war, unter die Lupe zu nehmen. Wo liegen Autos? Gibt es dort Vermisste? Zum Glück mussten wir keinen Toten sichten, sondern „nur“ jede Menge Fahrzeugwracks. Diese wurden später von der Bundeswehr geborgen. Dank unserer Informationen und Bilder unseres Sonargerätes wussten sie genau, womit sie nach Rückgang des Pegels zu rechnen haben. So schlimm die Eindrücke vor Ort auch waren, das Wir-Gefühl und die Dankbarkeit der Einheimischen ging uns allen sehr zu Herzen. Das war die beste Motivation für den nächsten Einsatz.“
"Wir sind da, wenn Betroffene über ihre Ängste reden wollen"
Alfred Schnabel, 70 Jahre, Einsatzleiter in der Psychosozialen Notfallversorgung: "Nach dem ersten Schock werden die Erlebnisse nach und nach verarbeitet. Und dann ist es wichtig, dass jemand da ist, der zuhört. Genau darin besteht unsere Aufgabe. Wir sind da, wenn Betroffene über ihre Ängste und Sorgen reden wollen und wir helfen auch den Einsatzkräften, wenn sie bei ihrer Arbeit Schlimmes erleben. Unsere Arbeitsgruppe PSNV ist ein Zusammenschluss von Rettungsorganisationen, Kirchen, der Polizei und des Landkreises Kitzingen. Hanjo von Wietersheim hat die Gruppe vor 15 Jahren gegründet. In diesem Jahr hatten wir schon 49 Einsätze, so ein Großereignis wie in Rheinland-Pfalz habe ich allerdings noch nie erlebt. Und ich bin schon seit 15 Jahren dabei. Etwa 100 bis 120 psychosoziale Fachkräfte aus ganz Deutschland waren im gesamten Gebiet im Einsatz. Unsere Einheit bestand aus fünf Leuten. Wir waren beispielsweise in Mayschoß fast durchgängig vor Ort. Betroffene erzählten uns, wie sie auf den Dächern ihrer Häuser saßen, während die Fluten durch den Ort schossen, wie Häuser weggebrochen sind und dass ihre eigenen vier Wände abgerissen werden müssen.
Es ist wichtig, dass sie diese Geschichten erzählen können, dass sie ihre Verzweiflung in Worte fassen. Das entlastet zumindest ein wenig und verringert die Möglichkeit, dass es zu posttraumatischen Störungen kommt. Natürlich haben wir bestimmte Methoden, um mit den Menschen ins Gespräch zu kommen, aber unser Angebot ist völlig freiwillig. Wir achten auch darauf, ob jemand eine professionelle psychische Betreuung braucht und geben diese Information an die Kräfte vor Ort weiter. Psychologen und Seelsorger der Kirchen führen unsere Arbeit derzeit fort."
bei aller Hochachtung für den Einsatz, aber ich kann den Vergleich mit Krieg nicht mehr hören. Das mag für die Zerstörung gelten.
Krieg ist aber eine ganz andere Dimension und viel grausamer, weil Menschen Menschen töten.