Stadtführung für Kinder: Staunende Gesichter

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„Schaut hin, da oben ist ein Wetterengel.“ Andrea Mc Wright-Lapp deutet auf die Spitze der evangelischen Kirche in Kitzingen. Und die Kinderaugen folgen ihr.
Fotos: Ralf Dieter
Das Kitzinger Wappen findet sich an vielen Orten in der Stadt. Die Kinder von St. Michael in Etwashausen haben das größte Wappen am Eingang zur Innenstadt entdeckt.
Ralf Dieter

Kinder sind die anspruchsvollsten Kunden. Andrea Mc Wright-Lapp hält Stadtführungen für Kinder und weiß, wie man sie für sich und die Geschichte der Stadt gewinnen kann.

„Määhhh“, erschallt es auf der Alten Mainbrücke aus gut 20 Kinderkehlen – und die Passanten wenden erstaunt ihre Köpfe. Andrea Mc Wright-Lapp steht inmitten der Kinderschar und lächelt. Ihre erste Kinderführung durch Kitzingen geht gut los. Die Kleinen sind mit Begeisterung dabei.

Rund 300 Gästeführungen bietet die Touristeninformation in Kitzingen Jahr für Jahr an. Von der „Kräuter küsst Wein Führung“ über den Hofratsempfang bis hin zur Kostprobentour. Für die kleinsten Gäste gibt es spezielle Führungen. Andrea Mc Wright-Lapp hat sich auf diese Aufgabe ganz besonders intensiv vorbereitet.

Die gelernte Erzieherin ist Deutsch-Amerikanerin und lebt seit etwa 50 Jahren in Unterfranken, die Hälfte davon in Kitzingen. Würzburg hat es ihr angetan – und Kitzingen ebenso. „Wenn man auf einer der Alten Mainbrücken steht und die Kulissen der Städte sieht, dann ist das einfach wunderschön“, sagt sie.

„Die persönlichen Geschichten und Anekdoten kommen bei allen Gästen am besten an.“
Andrea Mc Wright, Gästeführerin Kitzingen

Ihre Begeisterung gibt sie seit zwei Jahren an die Touristen weiter, die mit ihren Hotelschiffen in Kitzingen anlegen. Für die Führungen in englischer Sprache ist sie prädestiniert. Einen Überblick über die geschichtlichen Daten hat sie einem Skript entnommen, dass ihr die Tourist-Info überlassen hat. „Aber die reinen Daten werden für die Gäste schnell langweilig“, weiß die Gästeführerin. Also ist sie immer wieder bei ihren Kollegen mitgegangen und hat sich mit ihnen ausgetauscht. „Jeder macht das ein wenig anders“, weiß sie. „Aber bei allen Gästen sind die persönlichen Geschichten und Anekdoten am besten angekommen.“

Eine Stunde hat sie für die Erwachsenenführungen in englischer Sprache, eineinhalb für die deutschsprachigen. Nicht viel Zeit. Von der Brücke geht es zum Rathaus, weiter zum Falterturm und dann auf den Alten Friedhof, wo das „Dracula-Grab“ und seine Historie immer gut ankommen. Für die kleinen Gäste hat sie sich eine etwas abgewandelte und vor allem kindgerechte Tour ausgedacht. Los geht es mit einem improvisierten Schauspiel auf der Alten Mainbrücke.

Aus ihrer Umhängetasche zieht Andrea Mc Wright-Lapp nacheinander zwei Kronen, einen Schal und eine Mütze. „Seht ihr den Schwanberg“, fragt sie die Vorschulkinder von St. Michael in Etwashausen, die an diesem Vormittag mit ihren Erzieherinnen eine Führung gebucht haben. „Von dort hat Hadeloga einst ihren Schal dem Wind anvertraut.“ Ein Kind spielt bereitwillig den Wind und überbringt dem Schäfer Kitz den Schal. Dessen „Schafe“ blöken vor Begeisterung – und schon sind alle Kinder mittendrin in der Entstehungsgeschichte der Stadt. „Es macht mir einfach Spaß, die Kleinen einzubinden“, erklärt die gelernte Erzieherin und macht sich mit der Schar auf den Weg in Richtung Rathaus.

„Nicht rennen, nicht pennen“, lautet das Motto an den Fußgängerüberwegen. Vorsicht ist angebracht beim Spaziergang durch die Straßen der Stadt. Vor dem Rathaus demonstriert Andrea Mc Wright-Lapp anschaulich, wie im Mittelalter die Länge und Größe und damit auch der Preis einer Ware bemessen wurde. Sie hält ihren Schal hält an die Elle und die Kinder folgen ihr mit neugierigen Blicken.

Dann gehen die kleinen Gäste bereitwillig auf Entdeckungstour. Wie viele Wappen werden sie wohl in der Altstadt von Kitzingen finden? „Da ist eines“, ruft ein Mädchen und zeigt in Richtung Landratsamt, ein Junge entdeckt die Nachbildung der Alten Mainbrücke auf einem Blumenkübel. Und schon stehen die Kinder mitten drauf auf dem größten Wappen, das in der Stadt zu finden ist – eingearbeitet in den Fußweg zwischen Rathaus und Markt-Turm.

Dass dort oben, unter dem Dach des Turmes, einmal ein Mensch gewohnt hat, fasziniert die jungen Gäste sichtlich. Über dessen Aufgabe sind sie sich nicht ganz einig. „Nach Dieben Ausschau halten“, meint ein Junge. „Nach Hochwasser schauen“, schlägt ein anderer vor. Andrea Mc Wright erklärt, dass die Menschen vor hunderten Jahren vor allem Angst vor Feuer hatten. Dass es damals noch keine Feuerwehr und keine Sirene gegeben hatte, scheint manche Kinder zu verblüffen.

Weiter geht die Tour in Richtung Falterturm, wo die kleinen Entdecker begeistert mitmachen, als ihnen die Gästeführerin demonstriert, wie ein riesiges Falltor hochgezogen beziehungsweise heruntergelassen wurde. Emsig ahmen die Kinder die Bewegungen nach und verinnerlichen so ganz automatisch den ursprünglichen Namen des Turmes. „Die Franken haben aus dem Fall-Tor-Turm im Lauf der Jahrhunderte den Falterturm gemacht“, erklärt Andrea Mc Wright.

Ein kurzer Abstecher zur kürzesten Kitzinger Straße, die kurioserweise den längsten Namen trägt – Kapuzinerklosterbrückenstraße – und die Kinder von St. Michael kommen wieder am Marktplatz an. Wie viele Einwohner Kitzingen denn hat, will ein Mädchen noch wissen und dann ist es Zeit, Abschied zu nehmen.

Mit jedem Kind klatscht sich die Gästeführerin ab, überreicht allen ein Blatt mit Kitzinger Wappen zum Ausmalen und hofft, dass etwas hängen geblieben ist von ihren kindgerechten Erläuterungen zur Kitzinger Geschichte. Eine Hoffnung, die in Erfüllung gehen dürfte, deuten die Kleinen bei ihrem Heimweg doch schon wieder auf eine Fahne. Darauf zu sehen: das Kitzinger Wappen.