Ministerpräsident Horst Seehofer zeigt in Kitzingen, was er kann: Auf die Menschen eingehen.
Die Erwartungen waren so unterschiedlich wie die rund 450 Menschen, die sich Freitagnachmittag am Kitzinger Marktplatz eingefunden haben. Der Applaus und die Emotionen zeigten: Horst Seehofer hat die Menschen erreicht. Weil er seine eigenen Ansprüche an einen Politiker - zuhören, verstehen, handeln - erfüllt hat. Und weil er schmeichelnd und humorvoll sein kann.
Die CSU hatte zum Kreisbürgerfest eingeladen. Die Bänke am Marktplatz waren gut gefüllt. Pünktlich und gut gelaunt entstieg der Ministerpräsident seinem schwarzen Dienstwagen. Interview mit einem TV-Sender, ein kurzes Gespräch mit drei Bürgern, die keine Windräder an der Mainschleife sehen wollen und einen weiteren Abstand der Anlagen zu Ortschaften fordern, dann Hände schütteln mit zwölf Weinhoheiten und der obligatorische Schluck aus der Kandel mitsamt Erklärung des Hofrates Walter Vierrether.
"Der könnte meine Rede glatt selber halten", scherzte der Ministerpräsident, erläuterte seine Pläne für Bayern dann aber doch lieber selbst in eigenen Worten.
"Es wäre schön, wenn er etwas zu Kitzingen sagen könnte", hatten sich im Vorfeld die CSU-Stadträte Hiltrud Stocker und Hartmut Stiller gewünscht. Gerade die Konversion, also die Umwandlung der ehemaligen US-Kasernen, sei ein wichtiges Anliegen. "Manchmal habe ich schon den Eindruck, dass wir in Kitzingen etwas abgehängt sind", meinte Stiller. Andere Regionen würden mehr und besser gefördert.
Die Wünsche der beiden CSU-Stadträte sind am gestrigen Nachmittag nicht erhört worden. Dann schon eher der Wunsch von Ruth Bauer, langjährige Vorsitzende der Senioren-Union. Ein Rundumpaket zur bayerischen Politik hatte sie von Seehofer erwartet.
Und der lieferte.
Die Pkw-Maut auf deutschen Straßen? "Werden wir durchsetzen", sagte Seehofer im Brustton der Überzeugung. "Wir bezahlen schließlich auch, wenn wir durch andere Länder fahren." Sein Modell: Wer einen Kfz-Steuerbescheid erhält, hat damit auch die Straßenbenutzung bezahlt. Die Einnahmen aus dem System müssten zwingend in Verkehrsmaßnahmen investiert werden. Der Bedarf summiert sich schon jetzt auf rund 30 Milliarden Euro.
Das zweite Projekt, an dessen Umsetzung der bayerische Ministerpräsident in Kitzingen keine Zweifel aufkommen ließ, lautet Mütterrente. 350 Euro pro Jahr und Kind will er den Müttern zukommen lassen, deren Kinder vor 1992 geboren wurden. "Das werden wir ab 2014 machen", versicherte er.
Auch für die drei Windkraft-Skeptiker hatte er gute Nachrichten: Schützenswerte Räume wie die Mainschleife müssten vom Bau neuer Anlagen ausgenommen werden.
Seehofers goldene Regel dazu: "Was man selber nicht vor dem Balkon will, sollte man auch nicht anderen zumuten." Ein Leben im Einklang mit Menschen und Natur müsse das Ziel sein. Deshalb: Weg von der Atomkraft, hin zu erneuerbaren Energien.
An Selbstvertrauen mangelt es dem Bayerischen Ministerpräsidenten nicht. Davon konnten sich die Gäste am Marktplatz mehrfach überzeugen. Seine eigene Rechenschaft nach fünf Jahren Regierung in Bayern klang so: "Dem Land geht es so gut, wie nie zuvor." Die Nabelschnur nach Brüssel oder Berlin bräuchte Bayern nicht. "Wir könnten es auch alleine." Von einem relativ armen Land habe sich Bayern zur Topregion entwickelt, zur Vorstufe zum Paradies. Und Unterfranken? Spiele dabei ein ganz starke Rolle. "Ich fühle mich hier wohl", versicherte Seehofer. Mehr noch: "Ich fühle mich hier geborgen." Der Dank für den Aufschwung gebühre der Bevölkerung.
"Das Leben belohnt Leistung", so Seehofers Credo.
Stillstand wäre jetzt aber der falsche Weg, genau so wie Überheblichkeit. "Wir dürfen nicht über unsere Verhältnisse leben", mahnte der Ministerpräsident und sprach sich deutlich gegen Steuererhöhungen in den kommenden Jahren aus.
Mehreinnahmen durch Minderausgaben könnten über einen ganz anderen Topf generiert werden, geht es nach dem Willen des Ingolstädters. Den Länderfinanzausgleich bezeichnete Seehofer jedenfalls sehr deutlich als "bescheuertes System." Er habe nichts gegen Solidarität, es könne aber nicht das Problem von München sein, wenn Berlin nicht fähig zum Haushalten sei.
Auf Klaus Wowereits ewige Einlassung:"Wir sind arm, aber sexy" ist Seehofer nach längerem Überlegen die richtige Antwort eingefallen: "Wir sind reich, aber nicht blöd."
Blöd gelaufen ist Seehofers Auftritt in Kitzingen keineswegs, wer Freitagnachmittag am Marktplatz war, ist reich an neuen Eindrücken heim gekehrt. Ruth Bauer dürfte zufrieden gewesen sein. "Solche Veranstaltungen sind wichtig", hatte sie im Vorfeld gesagt. "Wir müssen die Leute ja zur Wahl bringen."