Reifenhersteller wie Michelin müssen sich um die Zukunft von Motoren keine Gedanken machen. Eines seiner fünf deutschen Werke betreibt der französische Konzern in der Nähe von Bamberg. Hier schaut ein neuer Chef, ob's rund läuft.
Matthias Litzlfelder
Ob mit Diesel oder ohne - weltweit sind immer mehr Fahrzeuge unterwegs. Insofern können die Hersteller von Reifen den Dieselskandal eigentlich links liegen lassen. "An den Stückzahlen ändert das tatsächlich wenig", sagt Jens Schlemmer, seit April neuer Direktor im Michelin-Werk
Hallstadt (Landkreis Bamberg). Die Nachfrage bleibe stabil. Aber das Thema Rollwiderstand stehe dadurch besonders im Fokus.
Ein geringerer Rollwiderstand beim Reifen bedeutet, dass weniger CO2 ausgestoßen wird. So eine Reduzierung wird in jüngster Zeit noch erstrebenswerter als sonst. Weil viele dem Dieselmotor den Rücken kehren und auf Benzinmotoren umsteigen, steigt die Klimabelastung durch Kohlendioxid ( CO2 ) wieder an. Der Diesel hat zwar ein Problem infolge des Ausstoßes von Stickoxiden. Durch eine effizientere Verbrennung ist er aber dem Benzinmotor überlegen, wenn es um einen möglichst geringen CO2-Ausstoß geht.
"Zu den Themen Rollwiderstand und Geräusch forschen alle Hersteller", sagt Schlemmer. Es sind wichtige Ansätze, um einen Reifen noch besser zu machen. Ein geringerer Rollwiderstand reduziert nicht nur Schadstoffe, sondern spart zugleich auch Energie. Und das Thema Geräusch eines Reifens wird laut Schlemmer künftig wohl noch bedeutender. "Wenn man für Elektroautos Reifen produziert, dann müssen diese leiser sein." Dabei komme es auf jede Gummi-Naht an.
Ziel: Trendumkehr
Michelin, nach Bridgestone aktuell zweitgrößter Reifenhersteller der Welt, betreibt in Deutschland fünf Produktionswerke. Im Werk Hallstadt werden seit 47 Jahren Pkw-Reifen gefertigt. Rund 900 Menschen sind hier beschäftigt. Die Zahl der Mitarbeiter ist seit Jahren stabil. Bei der Menge an produzierten Reifen ist das anders.
5,9 Millionen Reifen sieht der Hallstadter Jahresplan für dieses Jahr vor. Im Jahr 2015 plante man im Werk noch mit 6,5 Millionen Exemplaren. 2011 verließen rund 7,5 Millionen Reifen das Werk. "Wir werden daran arbeiten, diesen Trend wieder umzukehren", sagt Werkdirektor Schlemmer.
Der neue Chef ist nur wenige Monate jünger als das Werk, dem er vorsteht. Und der Diplomingenieur für Maschinenbau hat schon eine längere Konzern-Karriere hinter sich. Geboren in Karlsruhe - dort, wo Michelin seinen Deutschlandsitz hat - begann er gleich nach dem Studium Ende 1997 für das Unternehmen zu arbeiten. Er habe von Anfang an den sympathischen Umgang innerhalb der Firma geschätzt. Bei Michelin sei "vieles nicht so hochgestochen". Außerdem hatte Schlemmer schon zu Schulzeiten "eine gewisse Affinität zu Frankreich".
Hallstadt fünfte Station
Hallstadt ist für den 46-Jährigen die fünfte Michelin-Station. Als Betriebsorganisator und später Produktionsleiter in der Runderneuerung fing er im Werk Homburg an. Danach ging es für vier Jahre in die französische Zentrale nach Clermont-Ferrand. Anschließend war Schlemmer in Bangkok (Thailand) gefragt, wo er unter anderem den Teil eines neuen Werkes eröffnete. Dort befindet sich Michelins größtes Motorradreifen-Werk. Auch hier blieb Schlemmer vier Jahre. Immer mit dabei im Ausland: die Familie. Der neue Hallstadter Chef ist verheiratet und hat vier Kinder - zwei Jungen und zwei Mädchen - im Alter zwischen neun und 18 Jahren. "Das war ein Grund für mich, bei Michelin anzufangen. Ich wollte das Ausland kennenlernen", erzählt er. "Bei meiner Frau hat diese Überzeugung etwas länger gedauert."
Im Moment ist die Distanz zwischen ihm und seiner Familie noch riesig. Denn Frau und Kinder wohnen noch in Schanghai (China), wo Schlemmers letzter Arbeitsort vor Hallstadt war. Jetzt, wo die Kinder älter sind, ist ein schneller Wechsel auch aufgrund schulischer Verpflichtungen nicht mehr ganz so einfach. Erst im Juli kommt die Familie ins Bamberger Land. Die Möbel wiederum reisen per Schiff. "Das dauert dann sechs Wochen", berichtet Schlemmer. Ihm sei es lieber, eine Zeit lang getrennt zu sein, als immer lange Strecken zu fahren.
Insgesamt sei der Reifenmarkt stabil. Die geringeren Stückzahlen zu früher erklärten sich daraus, dass etwa in Asien neue Werke gebaut würden und dann der Markt mittlerweile vor Ort und nicht mehr von Europa aus beliefert werde.
Hallstadt beliefert nahezu alle großen Autohersteller mit Premium-Reifen der Zollgrößen 16 bis 18, in der Mehrzahl immer noch 16-Zoll-Reifen. Ein Projekt mit 19-Zoll-Reifen liegt laut Schlemmer in der Schublade, aber konkret geplant sei hier derzeit nichts. "Das hängt vom Markt ab." Und der ist weiter hart umkämpft.