"Er ist wirklich noch präsent trotz der Demenz", stimmt Gerda Gebhardt zu. "Wer weiß, ob er noch leben würde, wenn er nicht zuhause leben würde", sagt Birgit Bail und erinnert sich: Eine mehrwöchige Kurzzeitpflege in Ebermannstadt, während Gerda Gebhardt selbst im Krankenhaus war, musste die Familie frühzeitig abbrechen, weil der schwerkranke Hans Gebhardt sich derart unwohl gefühlt hätte.
Papierkrieg in der Not
Um ihren Vater jeden Morgen, sieben Tage in der Woche pflegen zu können, verzichtet Tochter Birgit Bail seit dreieinhalb Jahren auf eine Arbeit und ihr Gehalt. Sie bekommt dafür lediglich Rentenpunkte angerechnet, aber: "Ein pflegender Angehöriger, der dazu bereit ist, ist nicht einmal krankenversichert. Das ist ein absolutes No-Go von unserem Gesundheitssystem und unserem Staat", kritisiert Bail.
Ein "Riesenproblem" sei die komplizierte Bürokratie: Viele Anträge, verschiedene Formulare, langwierige Verfahren, Sachleistungen, Verhinderungs- oder Kurzzeitpflege, Widerspruchsschreiben oder Begründungsgesuche. Mit den bürokratischen Hürden schlägt sich vor allem der Sohn Klaus Gebhardt herum. "Zu der Belastung durch den Kranken kommt noch die Belastung durch den ganzen Papierkrieg. Den pflegenden Angehörigen wird es dadurch noch schwieriger gemacht", verdeutlicht Bail.
"Es wird nicht automatisch geholfen, weil das kostet ja Geld. Hier ist das System einfach menschenunwürdig", kritisiert Angelika Fuchs.
Die Alten haben keine Stimme
Die 66-Jährige hat die Seniorengemeinschaft Ehrenbürg ins Leben gerufen und unterstützt die Gebhardts in Kirchehrenbach, wenn sie Hilfe benötigen. Die Pflege-Expertin kritisiert das Gesundheitssystem scharf: "Die alten Leute leiden und haben aber keine Stimme." Sie wünscht sich klarere Standards. Viele pflegende Angehörige wüssten zum Beispiel gar nicht, welche Leistungen ihnen zustehen. Niederschwellige Beratungsangebote müssten deshalb ausgebaut werden.
Bei der Familie Gebhardt kommen am Abend ambulante Pfleger vorbei, die dem demenzkranken Hans Gebhardt beim Ausziehen helfen und ihn ins Bett bringen. Doch nicht nur körperlich, auch emotional sei die Pflege in den eigenen vier Wänden belastend, betont Expertin Angelika Fuchs: "Man sieht als Ehefrau, Tochter oder Sohn wie sich der Pflegebedürftige jeden Tag verändert. Das ist für die Angehörigen oft sehr schwer."
Bail wünscht sich zudem eine Tagespflege für Senioren in Kirchehrenbach: "Das wäre eine Riesen-Entlastung. Und wenn die Pflegebedürftigen aus dem Fenster schauen, sehen sie das Walberla oder die Kirche."
Pflegeexpertin aus Kirchehrenbach gibt Tipps für die Pflege zu Hause
Angelika Fuchs hat vor sieben Jahren die Seniorengemeinschaft Ehrenbürg, einen Verein für Nachbarschaftshilfe, gegründet. Sie ist seit 30 Jahren in der Altenpflege tätig und unter anderem im Kreisseniorenring des Landkreises Forchheim aktiv. Folgende Dinge sollten Betroffene tun, wenn Sie kranke Angehörige zu Hause pflegen:
1. Krankenkasse informieren
Als erstes sollte man Kontakt mit der Krankenkasse aufnehmen, die wiederum an die zuständige Pflegekasse verweist. Die Kassen machen Termine aus und schicken Infos, was nun zu machen ist. "Die Krankenkasse ist eigentlich das wichtigste", betont Fuchs. "Die Kassen sind auch verpflichtet, gut zu beraten."
2. Holen Sie sich Rat Wenden Sie sich an soziale Beratungsstellen wie die Caritas. "Betroffene haben leider oft eine falsche Scham, gesehen zu werden", weiß Fuchs.
3. Tauschen Sie sich aus Gehen Sie auf Nachbarn oder andere im Ort zu, die Erfahrung mit der Pflege bedürftiger Menschen haben.
4. Denken Sie auch an sich! Viele Angehörige würden Gefahr laufen, sich zu überlasten. Es sei aber wichtig, auf das eigene Wohlbefinden zu achten. "Es gibt die Angst, dass andere denken, man schiebe den Angehörigen ab, wenn man sich Zeit für sich selbst nimmt", sagt Fuchs. Das sei falsch. "Man muss nicht immer den Barmherzigen spielen".
Die so genannten "Pflegenden Angehörigen"
sind der größte Pflegedienst des Landes.
Ohne diese Leistung würde das ganze Pflegesystem wie ein Kartenhaus zusammen stürzen - wo sollen denn all die Menschen untergebracht noch werden, wenn nicht die Angehörigen sie daheim betreuen würden? Und an die Kosten der stationären Pflege die dann zusätzlich anfallen würde