Pflegenotstand in Franken: Eine Familie zeigt, wie schwierig die Pflege zu Hause ist

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Die 80-jährige Gerda Gebhardt pflegt seit sieben Jahren ihren Mann Hans zu Hause in Kirchehrenbach - eine körperlich und seelisch belastende Aufgabe. Foto: Ronald Heck
Die 80-jährige Gerda Gebhardt pflegt seit sieben Jahren ihren Mann Hans zu Hause in Kirchehrenbach - eine körperlich und seelisch belastende Aufgabe. Foto: Ronald Heck
Tochter Birgit Bail (l.) verzichtet auf Gehalt, um ihren Vater Hans Gebhardt zu pflegen. Sie kritisiert, dass pflegende Angehörige vom Gesundheitssystem nicht gut genug unterstützt werden. Foto: Ronald Heck
Tochter Birgit Bail (l.) verzichtet auf Gehalt, um ihren Vater Hans Gebhardt zu pflegen. Sie kritisiert, dass pflegende Angehörige vom Gesundheitssystem nicht gut genug unterstützt werden. Foto: Ronald Heck
 
Gerda Gebhardt muss Hans, der Demenz hat, das Essen und Trinken reichen. Sie kümmert sich 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche um ihren pflegebedürftigen Ehemann. Foto: Ronald Heck
Gerda Gebhardt muss Hans, der Demenz hat, das Essen und Trinken reichen. Sie kümmert sich 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche um ihren pflegebedürftigen Ehemann. Foto: Ronald Heck
 
Der 81-jährige Hans Gebhardt aus Kirchehrenbach hat den Pflegegrad 4. Früher war unter anderem Vorsitzender im Sportverein. Foto: Ronald Heck
Der 81-jährige Hans Gebhardt aus Kirchehrenbach hat den Pflegegrad 4. Früher war unter anderem Vorsitzender im Sportverein. Foto: Ronald Heck
 
Dass der kranke Hans Gebhardt daheim in seinem Elternhaus in Kirchehrenbach wohnen bleiben kann, ist der ganzen Familie wichtig. Foto: Ronald Heck
Dass der kranke Hans Gebhardt daheim in seinem Elternhaus in Kirchehrenbach wohnen bleiben kann, ist der ganzen Familie wichtig. Foto: Ronald Heck
 
Die Familie Gebhardt leidet vor allem unter der komplizierten Bürokratie: Der "Papierkrieg" belastet die pflegenden Angehörigen sehr. Foto: Ronald Heck
Die Familie Gebhardt leidet vor allem unter der komplizierten Bürokratie: Der "Papierkrieg" belastet die pflegenden Angehörigen sehr. Foto: Ronald Heck
 
Hans Gebhardt kann zum Beispiel noch immer regelmäßig den Kirchturm in Kirchehrenbach sehen: Die bekannte Umgebung des Dorfes sei für demente Menschen wichtig, betont auch Angelika Fuchs (zweite von rechts) von der Seniorengemeinschaft Ehrenbürg. Foto: Ronald Heck
Hans Gebhardt kann zum Beispiel noch immer regelmäßig den Kirchturm in Kirchehrenbach sehen: Die bekannte Umgebung des Dorfes sei für demente Menschen wichtig, betont auch Angelika Fuchs (zweite von rechts) von der Seniorengemeinschaft Ehrenbürg. Foto: Ronald Heck
 

Die Familie Gebhardt aus Kirchehrenbach pflegt ihren schwerkranken Vater daheim. Die Belastung ist hoch, die Bürokratie reibt sie auf. Vom Staat fühlt sie sich alleingelassen.

Liebevoll reicht die 80-jährige Gerda Gebhardt ihrem Mann Hans das Wasserglas. Der 81-Jährige benötigt auch beim Trinken Hilfe. Hans Gebhardt sitzt im Rollstuhl am Esstisch und nimmt mit zittriger Hand vorsichtig einen Schluck Wasser. Vor sieben Jahren wurde bei dem Kirchehrenbacher Demenz diagnostiziert. Die degenerative Gehirnerkrankung schreitet voran: Der Senior kann nicht mehr sprechen, alleine aufstehen oder sich versorgen. Gebhardt ist ein Pflegefall.

Seine Ehefrau Gerda und seine Kinder Birgit und Klaus pflegen ihn zu Hause in Kirchehrenbach. Eine enorme Herausforderung für die ganze Familie. "Es ist wirklich verdammt schwer", sagt Gerda Gebhardt.

Ein beschwerlicher Alltag

Jeden Morgen kommt Tochter Birgit Bail im Elternhaus vorbei, hilft ihrem demenzkranken Vater aus dem Bett, duscht ihn und kleidet ihn ein. Im Obergeschoss wohnt Sohn Klaus Gebhardt mit Frau und Enkeltochter, auch er hilft regelmäßig seinem pflegebedürftigen Vater.

Tagsüber kümmert sich die die 80-jährige Gerda Gebhardt meist alleine um ihren Ehemann. Zum Mittag muss sie ihn aus dem Sessel in den Rollstuhl heben, um ihm am Tisch das Essen zu reichen. Sie kann erst danach selbst essen, die Speisen sind dann meist kalt. Oft fehlt ihr auch der Appetit, die Seniorin hat in den vergangenen Jahren an Gewicht verloren. "Es ist schon arg beschwerlich und eine große Herausforderung", gibt Gebhardt zu.

Sie legt ihrem Mann auch die Senioren-Windeln an und setzt ihn danach zurück aufs Sofa. Nachmittags reicht sie ihm Kaffee oder Tee. "Den ganzen Tag bin ich mit meinem Mann beschäftigt, um ihm wirklich das zu geben, was er braucht", sagt die 80-Jährige.

Hans Gebhardt ist gebürtiger Kirchehrenbacher. Im Ort ist er unter anderem als langjähriges Mitglied beim TSV Kirchehrenbach bekannt. Wo es geht, nimmt Gerda Gebhardt ihren Ehemann mit: Ob zum Frühstück mit Freundinnen, zur Gymnastik oder auf Geburtstagsfeiern. "Ich lasse ihn nur ganz selten allein", sagt sie.

Der Wunsch, zu Hause zu leben

Dass Hans Gebhardt in seinem Elternhaus in Kirchehrenbach wohnen bleiben kann, ist der Familie wichtig. "Dadurch dass er daheim ist, geht es ihm trotz der schweren Krankheit gut", meint Tochter Birgit Bail. Seine Verfassung verschlechtere sich nur langsam - vor allem körperlich. Beim Spazierengehen in seinem Heimatort Kirchehrenbach erkenne er die Straßen, die Plätze, den Kirchturm. Die bekannte Umgebung beruhige ihn.

"Er ist wirklich noch präsent trotz der Demenz", stimmt Gerda Gebhardt zu. "Wer weiß, ob er noch leben würde, wenn er nicht zuhause leben würde", sagt Birgit Bail und erinnert sich: Eine mehrwöchige Kurzzeitpflege in Ebermannstadt, während Gerda Gebhardt selbst im Krankenhaus war, musste die Familie frühzeitig abbrechen, weil der schwerkranke Hans Gebhardt sich derart unwohl gefühlt hätte.

Papierkrieg in der Not

Um ihren Vater jeden Morgen, sieben Tage in der Woche pflegen zu können, verzichtet Tochter Birgit Bail seit dreieinhalb Jahren auf eine Arbeit und ihr Gehalt. Sie bekommt dafür lediglich Rentenpunkte angerechnet, aber: "Ein pflegender Angehöriger, der dazu bereit ist, ist nicht einmal krankenversichert. Das ist ein absolutes No-Go von unserem Gesundheitssystem und unserem Staat", kritisiert Bail.

Ein "Riesenproblem" sei die komplizierte Bürokratie: Viele Anträge, verschiedene Formulare, langwierige Verfahren, Sachleistungen, Verhinderungs- oder Kurzzeitpflege, Widerspruchsschreiben oder Begründungsgesuche. Mit den bürokratischen Hürden schlägt sich vor allem der Sohn Klaus Gebhardt herum. "Zu der Belastung durch den Kranken kommt noch die Belastung durch den ganzen Papierkrieg. Den pflegenden Angehörigen wird es dadurch noch schwieriger gemacht", verdeutlicht Bail.

"Es wird nicht automatisch geholfen, weil das kostet ja Geld. Hier ist das System einfach menschenunwürdig", kritisiert Angelika Fuchs.

Die Alten haben keine Stimme

Die 66-Jährige hat die Seniorengemeinschaft Ehrenbürg ins Leben gerufen und unterstützt die Gebhardts in Kirchehrenbach, wenn sie Hilfe benötigen. Die Pflege-Expertin kritisiert das Gesundheitssystem scharf: "Die alten Leute leiden und haben aber keine Stimme." Sie wünscht sich klarere Standards. Viele pflegende Angehörige wüssten zum Beispiel gar nicht, welche Leistungen ihnen zustehen. Niederschwellige Beratungsangebote müssten deshalb ausgebaut werden.

Bei der Familie Gebhardt kommen am Abend ambulante Pfleger vorbei, die dem demenzkranken Hans Gebhardt beim Ausziehen helfen und ihn ins Bett bringen. Doch nicht nur körperlich, auch emotional sei die Pflege in den eigenen vier Wänden belastend, betont Expertin Angelika Fuchs: "Man sieht als Ehefrau, Tochter oder Sohn wie sich der Pflegebedürftige jeden Tag verändert. Das ist für die Angehörigen oft sehr schwer."

Bail wünscht sich zudem eine Tagespflege für Senioren in Kirchehrenbach: "Das wäre eine Riesen-Entlastung. Und wenn die Pflegebedürftigen aus dem Fenster schauen, sehen sie das Walberla oder die Kirche."

Pflegeexpertin aus Kirchehrenbach gibt Tipps für die Pflege zu Hause

Angelika Fuchs hat vor sieben Jahren die Seniorengemeinschaft Ehrenbürg, einen Verein für Nachbarschaftshilfe, gegründet. Sie ist seit 30 Jahren in der Altenpflege tätig und unter anderem im Kreisseniorenring des Landkreises Forchheim aktiv. Folgende Dinge sollten Betroffene tun, wenn Sie kranke Angehörige zu Hause pflegen:

1. Krankenkasse informieren

Als erstes sollte man Kontakt mit der Krankenkasse aufnehmen, die wiederum an die zuständige Pflegekasse verweist. Die Kassen machen Termine aus und schicken Infos, was nun zu machen ist. "Die Krankenkasse ist eigentlich das wichtigste", betont Fuchs. "Die Kassen sind auch verpflichtet, gut zu beraten."

2. Holen Sie sich Rat Wenden Sie sich an soziale Beratungsstellen wie die Caritas. "Betroffene haben leider oft eine falsche Scham, gesehen zu werden", weiß Fuchs.

3. Tauschen Sie sich aus Gehen Sie auf Nachbarn oder andere im Ort zu, die Erfahrung mit der Pflege bedürftiger Menschen haben.

4. Denken Sie auch an sich! Viele Angehörige würden Gefahr laufen, sich zu überlasten. Es sei aber wichtig, auf das eigene Wohlbefinden zu achten. "Es gibt die Angst, dass andere denken, man schiebe den Angehörigen ab, wenn man sich Zeit für sich selbst nimmt", sagt Fuchs. Das sei falsch. "Man muss nicht immer den Barmherzigen spielen".