Georg Stirnweiß und Manfred Müller sind mit den Neuerungen im Höchstadter Freibad zufrieden. Dennoch sehen sie noch Verbesserungsbedarf.
Eine Testfahrt: Georg Stirnweiß legt seine in Handschuhe gehüllten Hände vorsichtig auf die Radleisten seines Rollstuhls. Der neue Weg, der im Freibad für Barrierefreiheit sorgen soll, wirkt steil. Stirnweiß gibt sich einen Ruck und rollt langsam den Berg hinab. Dann bremst er, kehrt um und müht sich den Hügel wieder hinauf. "Für einen geübten Rollstuhlfahrer ist die Steigung kein Problem", sagt er. Test bestanden.
Stirnweiß, Zweiter Vorsitzender des Vereins barrierefreies Miteinander im Landkreis Erlangen-Höchstadt, und Behindertenbeauftragter Manfred Müller nehmen die Neuerungen im Wellenfreibad unter die Lupe - und sind zufrieden: "Der Rollweg, der direkt zum Becken führt, und der Badelift zum Einsteigen ins Wasser, sind für Rollstuhlfahrer schön gelöst", sagt Müller.
Er selbst habe die Sanierungsarbeiten leider nicht begleiten können, da er erst Mitte April zum Behindertenbeauftragten der Stadt Höchstadt bestellt worden sei - zu einem Zeitpunkt also, an dem die Arbeiten schon fast abgeschlossen waren. "Es ist aber alles sehr gut gelungen", sagt Müller.
Sehbehinderte können nun auch sicher im Freibad unterwegs sein. Vor der Treppe brachten die Arbeiter spezielle Bodenfliesen ein. Diese machen durch ihre genoppte Oberfläche auf die Stiege aufmerksam. Gefährliche Kanten wurden mit Schildern und Blumenkübeln verstellt.
Dennoch sieht Manfred Müller noch Verbesserungsbedarf. Die Umkleidekabinen und die sanitären Einrichtungen seien für Behinderte nicht ideal: "Da ist alles noch ein bisschen improvisiert." Umziehen können sich Rollstuhlfahrer in der Umkleidekabine der Eishockey-Mannschaft. Dusche und WC befinden sich ein paar Meter weiter in einem separaten Raum.
Letzterer ist aber noch nicht auf die Bedürfnisse behinderter Menschen ausgerichtet. "Vor 30 Jahren hat eben noch niemand daran gedacht, dass hier auch einmal Behinderte schwimmen möchten", sagt Müller.
Die Mängel sollen in den nächsten ein bis zwei Jahren behoben werden, verspricht Bürgermeister Gerald Brehm (JL). In einem zweiten Bauabschnitt kümmert sich die Stadt um die Sanierung des Kinderbeckens und der Sanitäranlagen. "Wir wollen dabei eng mit Herrn Müller zusammenarbeiten", sagt Brehm. Denn der kennt die Probleme, wenn Nicht-Behinderte für Rollstuhlfahrer planen. "Es kommt häufig vor, dass der Spiegel nicht auf der richtigen Höhe angebracht ist", sagt Müller. Was nütze einem Behinderten ein Spiegel, wenn er dazu aufstehen müsste? Auch Georg Stirnweiß' Ehefrau bedauert, dass die barrierefreie Planung im Kopf vieler Architekten noch nicht verankert sei.
"Viele Behinderte bräuchten zum Umziehen eine Liege - doch oft ist nur eine Sitzgelegenheit vorgesehen. Wie soll man sich da aus- und ausziehen?", fragt sie.
Klar, dass Georg Stirnweiß seit über 30 Jahren nicht mehr im Höchstadter Freibad war. Jetzt hat er wieder die Möglichkeit dazu. "Mit Hilfe meiner Frau komme ich schon zurecht", sagt er. Ob er allerdings öfter Gast sein wird, weiß er noch nicht.
"Wenn so etwas neu ist, dann gibt es natürlich noch Bedenken und Scheu", sagt Müller. Es sei verständlich, dass es den Rollstuhlfahrern unangenehm ist, wenn sie mit einer Art Kran für alle sichtbar ins Wasser gehoben werden. Dennoch appelliert Müller an die Betroffenen, ihre Scham zu überwinden und die Angebote auch zu nutzen.
Stirnweiß hat damit keine Schwierigkeiten. Er freut sich vielmehr, dass in den vergangenen Jahrzehnten solche Fortschritte erzielt wurden.
Barrierefreiheit sei damals noch so etwas wie ein Fremdwort gewesen. Heute ist sie in vielen Ländern schon Standard.
Und trotzdem ist noch Luft nach oben. Manchmal steigt man in größeren Städten aus der U-Bahn aus und es gibt einen Treppenlift für Rollstuhlfahrer - nur leider ist er ohne Strom. Man müsste erst jemanden anrufen, der dann extra kommt, um den Lift zu aktivieren. Zu umständlich, findet Müller. "Behinderte müssen - auf gut Deutsch gesagt - auch mal motzen. Sonst ändert sich nichts." Denn während viele Einrichtungen schon barrierefrei sind, sind es viele Köpfe noch nicht.