"Verraten und verkauft": Privater Krankenhaus-Konzern soll Regiomed-Kliniken übernehmen

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Sana soll Regiomed-Kliniken in Coburg und Lichtenfels übernehmen - "verraten und verkauft"
Mitarbeiter des Coburger Regiomed-Klinikums haben zusammen mit Verdi-Vertretern gegen eine Übernahme des Krankenhauses durch den Konzernriesen Sana protestiert - und heftige Kritik an der ...
Sana soll Regiomed-Kliniken in Coburg und Lichtenfels übernehmen - "verraten und verkauft"
Collage inFranken.de: Matthias Einwag (Archiv) ; ver.di Oberfranken-West

Die Regiomed-Kliniken in Coburg und Lichtenfels sollen durch Sana übernommen werden. Der Gläubigerausschuss sprach sich einstimmig für Abschlussverhandlungen aus. Viele Beschäftigte sind tief verunsichert - in der Coburger Politik löste die Entscheidung Verwunderung aus.

Verwunderung und Wut in Coburg: Der private Krankenhaus-Konzern Sana könnte schon bald die Kliniken des Regiomed-Verbunds in der Vestestadt und in Lichtenfels übernehmen. Schon länger steckt das Unternehmen, das ursprünglich durch die Träger der vormals kommunalen Kliniken gegründet wurde, in der Krise. Daher hatten die Gesellschafter, unter ihnen der Lichtenfelser Landrat Christian Meißner (CSU), den Plan, dass die Kommunen die Kliniken wieder selbst verantworten. Dies wurde allerdings im Dezember 2023 aufgrund zu erwartender Kosten von Stadt und Landkreis Coburg abgelehnt.

Am 2. Januar 2024 stellte der Regiomed-Verbund dann wegen finanzieller Schwierigkeiten einen Insolvenzantrag. Seitdem waren Insolvenzverwalter und Geschäftsführung auf der Suche nach einem Investor. Erneut machten alle Kommunen ein Angebot - diesmal auch der Krankenhausverband Coburg (KHV). Doch zur großen Überraschung von Oberbürgermeister Dominik Sauerteig (SPD) und Landrat Sebastian Straubel (CSU) entschied sich der Gläubigerausschuss einstimmig gegen den KHV - und für abschließende Verhandlungen mit Sana. Im Vorfeld protestierten Mitarbeiter und Verdi-Vertreter heftig gegen die aus ihrer Sicht problematische Privatisierung der Klinik. 

Regiomed-Gläubigerausschuss entscheidet sich für Verhandlungen mit Sana 

Im Insolvenzverfahren für die Klinikgruppe Regiomed zeichnet sich aktuell eine zweigeteilte Lösung für Bayern und Thüringen ab. Wie Regiomed-Geschäftsführer Michael Musick und Sanierungsexperte Rainer Eckert am Dienstag (21. Mai 2024) in Coburg mitteilten, liegt für die fränkischen Standorte ein Angebot der Sana Kliniken AG vor. Das Angebot umfasst demnach auch die Zentralverwaltung und die Medical School. Der Gläubigerausschuss habe einstimmig dafür gestimmt, das Sana-Angebot zu Ende zu verhandeln, teilten die beiden mit.

Eine sonst wahrscheinliche Zerschlagung der Gruppe wäre in der Umsetzung deutlich schwieriger. Ob das Sana-Angebot auch umgesetzt werden kann, hänge dabei von den Verpächtern der betroffenen Gebäude ab - also den Kommunen selbst. Für die Thüringer Standorte sieht es den Angaben zufolge derzeit danach aus, dass es zu einer Übernahme durch die betroffenen Landkreise kommen könnte. Die kommunalen Angebote - auch in Franken - bestehen demnach weiter.

Wann es zu einer Einigung mit Sana kommen könnte, sei derzeit noch unklar, hieß es. Wie inFranken.de erfahren konnte, wurde bereits intern kommuniziert, dass die Übernahme durch den Konzern so gut wie sicher scheint. Am Montag und Dienstag, 27. und 28. Mai 2024, trifft auch die Gläubigerversammlung bei Regiomed eine Entscheidung. Die Klinikgruppe hat nach Eigenangaben rund 5000 Beschäftigte. Von der Insolvenz betroffen sind die Kliniken in Coburg, Lichtenfels, Neustadt (Bayern), Hildburghausen und Sonneberg (Thüringen) sowie medizinische Versorgungszentren, Seniorenzentren, Wohnheime und der Rettungsdienst

"Würde Bieterverfahren sofort beenden": Verdi kritisiert Coburger Kommunalpolitik heftig 

Zuvor hatten der Coburger Kreistag und Stadtrat in einer mehrstündigen, nicht-öffentlichen Sitzung und mit laut Stadt "eingehenden Diskussionen" dafür gestimmt, das Angebot für die Kliniken Coburg und Neustadt und das MVZ und die Medical School aufrechtzuerhalten. Doch der Gläubigerausschuss, der am Freitag (17. Mai 2024) tagte, entschied sich gegen das vom Krankenhausverband vorgelegte Angebot.

Am Dienstag (21. Mai 2024) protestierten Verdi-Vertreter und Beschäftigte während einer "aktiven Mittagspause" lautstark vor dem Rondel am Coburger Krankenhaus gegen die geplante Übernahme. Mit Schildern wie "Verraten und verkauft?" und "Wir lassen keine Privaten rein" verliehen sie ihrem Unmut Ausdruck. Trotz der klaren Positionierung der Belegschaft hätten sich die kommunalen Vertreter aus Stadt und Landkreis um eine klare Entscheidung für das Klinikum gedrückt, kritisiert die Gewerkschaft. "Ein Beschluss wie: 'Wir vermieten unser Klinikum nicht an private Klinikbetreiber' würde das Bieterverfahren sofort beenden und der kommunalen Verantwortung gerecht werden", erklärt Betriebsratsmitglied Tarik Birinci.

"Was uns als Beschäftigte wirklich zu schaffen macht, ist die Unsicherheit", so Birgit Eckl, Krankenpflegerin am Klinikum Coburg. Dies betreffe insbesondere die künftigen Gehälter. Mitte Mai war eine erste bundesweite Tarifverhandlungsrunde zwischen Sana und Verdi ohne Ergebnis verlaufen. Die Gewerkschaft fordert, dass Sana mindestens "mindestens Anschluss an den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst" hält und den Beschäftigten zwölf Prozent mehr Lohn zahlt. Im März berichtete ein ehemaliger Regiomed-Angestellter gegenüber inFranken.de von nicht bezahlten Zuschlägen - der Verbund reagierte.

Böse Klinik-Überraschung für Coburger OB - "nicht durch verantwortliche Akteure" informiert

Für den Coburger Oberbürgermeister Dominik Sauerteig ( SPD) und Landrat Sebastian Straubel (CSU) war die Nachricht wohl eine böse Überraschung, wie aus einem gemeinsamen Statement von Stadt und Landkreis herauszulesen ist. Man habe ein "tragfähiges und nachhaltiges Angebot für eine Trägerschaft in öffentlicher Hand erarbeitet und eingereicht", heißt es dort. Auch der zuständige Krankenhausverband Coburg habe dem zugestimmt, "in der Erwartung, dass der Gläubigerausschuss das kommunale Angebot bevorzugt".

Erst am Mittwoch (22. Mai 2024) hätten Straubel und Sauerteig "über Medienberichte und nicht etwa durch die aktuell im Regiomed-Verbund verantwortlichen Akteure" von der Entscheidung des Gläubigerausschusses erfahren, so die vorwurfsvollen Worte aus Coburg. Nachdem den Spitzen des Krankenhausverbandes insgesamt noch keine Detailinformationen vorlägen, bitten Oberbürgermeister und Landrat demnach "um Verständnis, dass die nun eingetretene Situation derzeit noch nicht vertieft kommentiert werden kann". 

"Selbstverständlich werden wir weitergehende Gespräche und Verhandlungen ausgerichtet an den Interessen des Coburger Landes führen. Vorgabe sind für uns dabei die Prämissen, dauerhaft hochwertige medizinische Versorgung inklusive des Klinikneubaus und gute Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten in der gesamten Region zu gewährleisten", werden Sauerteig und Straubel zitiert. Bei Verdi macht man sich derweil Sorgen um die wohl anstehenden Gespräche zu den Klinik-Immobilien mit Sana. "Was machen wir denn, wenn privater Investor und Vermieter sich nicht einigen? Die Beschäftigten und die Bevölkerung brauchen jetzt Sicherheit", fordert Moritz Faude, Gewerkschaftssekretär für Gesundheit. Weitere Nachrichten aus Coburg gibt es in unserem Lokalressort.