Coburg: Er freut sich auf viele Busse-Busse

4 Min
'Ein Mensch mit viel Gespür für die Menschen: Bodo Busse im Gespräch. Foto: Jochen Berger
'Ein Mensch mit viel Gespür für die Menschen: Bodo Busse im Gespräch.  Foto: Jochen Berger

Bodo Busse verlässt Coburg: Zum Abschied stellten wir ihm ein paar einfache Fragen, vor allem aber persönliche. Er ist den Coburgern ans Herz gewachsen.

Herr Busse, mit welchen Gefühlen verlassen Sie Coburg?
Bodo Busse: Mit viel, viel Wehmut. Ich bin hier in sieben Jahren sehr heimisch geworden, künstlerisch und auch persönlich. Coburg ist ein geradezu idyllisches Lebensparadies. Selbstverständlich gab es auch Probleme, die wir gelöst haben. Am Ende strahlt das Gute, es gab wenig, was den Abschied leichter machen würde. Aber wir Leute vom Theater, wir gehen ja nie so ganz. Es bleiben immer Freundschaften, und in der Pflege von Beziehungen sind wir sehr erfahren. Trotzdem, es wird mir sehr weh ums Herz.

Was haben Sie, in Coburg lebend, am liebsten gemacht?
Ich habe die Natur in der Stadt und der Umgebung sehr genossen. Der Hofgarten ist mir zu einem Flucht- und Meditationsort geworden, zu jeder Jahreszeit. Ich bin auch gerne einfach durch die Stadt gelaufen. Coburg bietet unglaubliche Lebensqualität, man hat hier alles. Die kurzen Wege. Von Coburg aus immer mal zum Roten Ochsen in Sesslach, nach Bamberg, in die benachbarten Theater. Meine Villa Hügel werde ich sehr vermissen, den morgendlichen Blick beim Kaffee auf die Veste, die vermittelt ja richtig Schutz- und Heimatgefühl. Das empfindet auch mein Partner Antonio (Grimaldi) so. Die wunderbaren Restaurants - ich habe sehr zugenommen in Coburg! Die Genussregion habe ich gelebt. Auch alle unsere Freunde und Bekannten sind traurig, dass Sie jetzt nicht mehr so hierher kommen können. Für den Tourismus habe ich ziemlich viel getan .

Was konnten Sie denn an Coburg gar nicht leiden?
Das Residenzlertum. Und eine gewisse Dickköpfigkeit, Resistenz gegenüber rationalen Argumenten. An der fränkischen Hartnäckigkeit, da kann man schon ein bisschen verzweifeln, wenn der Franke trotz endloser Gesprächsrunden dann doch wieder zu seiner ursprünglichen Meinung zurückkehrt.
Ich hatte geglaubt, dass wir in der ästhetischen Erziehung ein bisschen weiter kommen würden. Das Publikum öffnet sich, aber es geht sehr langsam. Allerdings steht da Coburg nicht allein. Sehr enttäuscht war ich in dieser Spielzeit, dass so herausragende Inszenierungen wie "Das schlaue Füchslein" oder "Die stumme Serenade" so sehr, sehr schlecht besucht waren.
Was ich sehr problematisch finde, ist, dass über alles sofort geredet wird, oft vollkommen verdreht. Aber wohlbemerkt: Die Liebenswürdigkeit der Leute überwiegt, man wird schnell akzeptiert, es herrscht liberales Klima. Das ist nicht überall so.

Welches Resümee ziehen Sie aus Ihrer ersten Intendanz? Was war das Schönste, das Sie erlebt haben?
Es ist wahnsinnig beglückend, dass ich meine künstlerische Strategie durchhalten konnte. Ich musste nicht von meinen Vorstellungen abweichen. Die Angst hatte ich ursprünglich schon. Tatsächlich kann man hier alles machen, das ganze internationale Theaterprogramm, es gibt keine Einschränkungen. Gut, für die Umsetzung braucht man Partner, Sponsoren, man muss kreativer sein, der Rahmen ist kleiner, das ist die Herausforderung. Aber man spürt die lange Theatertradition, Coburg ist eine ernstzunehmende Stecknadel in der deutschen Theaterlandschaft, was auch durch Bewertungen der FAZ oder der Süddeutschen Zeitung belegt wird. Das tut der Stadt sehr gut, ist ein weiteres Alleinstellungsmerkmal. Aber vielleicht haben wir das ja auch erreicht, wenn ich das mal so sagen darf. Ich bin ja kein sonderlich eitler Mensch.
Wir blicken zurück auf eine scharf ästhetisch herausfordernde "Butterfly", auf einen "Lohengrin" und einen "Parsifal", die uns eigentlich viel zu groß sind, die aber zu herausragenden Publikumserfolgen wurden.
Besonders stolz bin ich auf das Autorenforum. Auch die Lust am eigenen Inszenieren ist sehr gewachsen, ich kann gar nicht sagen, wie das in Saarbrücken weiter geht. - Es gibt so viel, das ich nennen könnte. Immer wieder gab es persönliche Momente, wo Kunst und Wirklichkeit sich mit Gänsehauteffekt überlagerten, wo es war, als ob sich die Zeiten durchmischten.

Was war der schrecklichste Moment für Sie hier in Coburg?
Als wir am 30. Oktober 2013 fassungslos auf der Bühne im Wasser standen. Man hat das Ende gesehen. Ich erinnere mich an meine schock-dumme Frage an den technischen Leiter: "Herr Kaiser, müssen wir heute Abend die Vorstellung absagen?" Und Herr Kaiser antwortete bedächtig: "Herr Busse, wahrscheinlich nicht nur die heute Abend." Das war die Stunde Null, das war eine große Krise für uns alle. Aber es war auch die Wende. Alle hielten zusammen, auch die Stadtverwaltung, stellten erst mal die Spielfähigkeit des Hauses wieder her. Von da an wurden die Weichen gestellt für die Generalsanierung.

Was war der skurrilste Moment?
Ach, wir hatten hier zusammen so viel Spaß, Roland Kluttig und ich haben uns manchmal gebogen vor Lachen über unsere eigenen wirren Gedanken. Was ich hier gelernt habe, ist Selbstironie, dass man sich selbst nicht so ernst nehmen darf.
Was hat Sie persönlich am tiefsten getroffen?
Am Anfang der dritten Spielzeit hatte ich eine schwere gesundheitliche Krise, einen richtigen Zusammenbruch. Ich hatte in den ersten beiden Spielzeiten so viel Energie investiert, mich verausgabt. Man muss sich verausgaben, aber es muss im Rahmen bleiben, man muss innere Distanz wahren. Klar gab es auch viele Konflikte. Es war nicht alles eitel Sonnenschein. Mit Krisen umzugehen, das muss man ja erst lernen, auch, dabei eine Integrationsfigur zu bleiben.
Natürlich hat man irgendwann einen gewissen Kreis ausgeschritten. Langeweile und Routine dürfen nicht eintreten, die sind tödlich. Vielleicht gehe ich ja deshalb zu diesem Zeitpunkt, wo es richtig weh tut. Außerdem hat das Publikum einen Anspruch darauf, irgendwann andere Impulse zu erleben.

Sie meinen, wenn es am schönsten ist, soll man gehen?
Ja, ich bin sehr gerührt, dass viele kommen und sagen, schade. Ich werde mich freuen über all die Busse-Busse, mit denen die Coburger zu mir nach Saarbrücken kommen... (Lacht hämisch.) Die sollen alle zu mir nach Saarbrücken kommen...
Jetzt dürfen Sie noch mal richtig kritisch sein im Hinblick auf die Stadtpolitik.
Ich würde mir wünschen, dass nicht alles ständig so zerredet wird. Die Sanierung des Landestheaters ist ja jetzt durch, was OB Tessmer zu danken ist. Aber all diese endlosen, lähmenden, unproduktiven Gesprächsrunden... Traurig finde ich es auch, dass man nicht öffentlich seine Meinung sagen darf, ohne aus irgendeiner Ecke abgestraft zu werden. Schlossplatz-Tiefgarage. Da sage ich jetzt nichts mehr dazu. Insgesamt war der Dialog mit der Kommunalpolitik aber gut.

Bis an jene Grenze eben, wo besagte Dickköpfigkeit...
Ja genau. Ich wünsche mir für Coburg, dass die Stadt auf dem sicher nicht leichten Weg der Generalsanierung des Landestheaters nicht den Mut verliert. Dass endgültig nicht mehr Sinn und Notwendigkeit des Theaters infrage gestellt werden, auch wenn mir klar ist, dass das nicht in allen Stadtratsköpfen angelangt ist. Ach, und ganz konkret: Tarifsteigerung müssen ausgeglichen werden. Dafür muss es endlich zwischen Stadt und Freistaat eine automatische Regelung geben. Wir brauchen keine riesigen Etaterhöhungen, aber ein eingefrorener Etat ist kontinuierliche Kürzung. Das bringt das Theater an den Abgrund.

Gibt es das Bedürfnis nach einem Schlusswort?
Ich gehe mit großer Wehmut. Ich freue mich auf viele Besuche in Coburg, die ich machen werde, wenn das Haus seinen Leistungsstand hält. Der gute Geist in allen Bereichen möge bestehen bleiben.

Das Gespräch führte
Carolin Herrmann.


Bodo Busse, 1969 in Stuttgart, geboren, studierte Musik-, Literaturwissenschaft und Rhetorik in Tübingen. Nach verschiedenen Stationen wurde er 2002 als Musikdramaturg und Mitglied der Opernleitung an das Staatstheater Wiesbaden berufen. Seit der Spielzeit 2010/2011 führte Bodo Busse das Landestheater Coburg. Mit der bevorstehenden Spielzeit 2017/18 wird Busse Generalintendant des Saarländischen Staatstheaters.