Missbrauchstudie enthüllt: 88 Opfer im Erzbistum Bamberg

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"Ich schäme mich", sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx (oben Mitte), bei der Vorstellung der Missbrauchsstudie in Fulda. Links im Bild der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick. Foto: Arne Dedert, dpa
"Ich schäme mich", sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx (oben Mitte), bei der Vorstellung der Missbrauchsstudie in Fulda. Links im Bild der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick. Foto: Arne Dedert, dpa
Das Erzbistum Bamberg stellte regionalisierte Zahlen der Studie dar: Hier wurden 88 Opfer und 41 Täter festgestellt.Barbara Herbst
Das Erzbistum Bamberg stellte regionalisierte Zahlen der Studie dar: Hier wurden 88 Opfer und 41 Täter festgestellt.Barbara Herbst
 
Generalvikar Georg Kestel und die Missbrauchsbeauftragte Eva Hastenteufel-Knörr. Barbara Herbst
Generalvikar Georg Kestel und die Missbrauchsbeauftragte Eva Hastenteufel-Knörr. Barbara Herbst
 
Die Präventionsbeauftragte des Erzbistums Bamberg, Monika Rudolf.Barbara Herbst
Die Präventionsbeauftragte des Erzbistums Bamberg, Monika Rudolf.Barbara Herbst
 

Tausende Missbrauchsfälle hat es laut einer Studie innerhalb der Katholischen Kirche gegeben. Auch im Erzbistum Bamberg kam es zu Übergriffen. Die Kleriker zeigen sich entsetzt und wollen die Taten aufklären.

Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Reinhard Marx, hat die Opfer des massenhaften sexuellen Missbrauchs unter dem Dach der Kirche um Entschuldigung gebeten. "Allzulange ist in der Kirche Missbrauch geleugnet, weggeschaut und vertuscht worden", erklärte Marx am Dienstag in Fulda bei der Vorstellung einer Studie, die den sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen durch katholische Kleriker in den vergangenen Jahrzehnten umfangreich dokumentiert.

Zwischen 1946 und 2014 sollen bundesweit 1670 Kleriker 3677 Kinder und Jugendliche missbraucht haben, wie aus der Studie hervorgeht. Das Erzbistum Bamberg stellte regionalisierte Zahlen vor. Demnach wurden für den Zeitraum der Untersuchung in 1711 Personalakten 41 Hinweise auf Missbrauchstäter entdeckt. 88 Opfer im Alter zwischen vier und 20 Jahren sind identifiziert worden.

"Es ist erschütternd, in welchem Ausmaß sexuelle Übergriffe durch Geistliche geschehen sind", sagte der Bamberger Generalvikar Georg Kestel. Vermehrt geschehen sind diese in den Privatwohnungen der Kleriker, in mindestens sieben Fällen sogar "über mehrere Jahre hinweg". Am häufigsten betroffen waren Ministranten. In zwei von drei der bekannten Fälle sind die Opfer männlich. Die meisten Übergriffe ereigneten sich in den 70er und 80er-Jahren, aber auch aktuell melden sich Menschen, die selbst betroffen sind oder eine Beobachtung gemacht haben.

Weil die Kirche den Studienmachern keinen Zugriff auf Originaldokumente gestattet hatte, werfen ihr Kritiker vor, die Missbrauchsfälle allenfalls intransparent aufzuarbeiten. Laut Kestel liege es aus Datenschutzgründen auf der Hand, Personalakten vertraulich zu behandeln. Er sieht ein ganz anderes Problem: "Viele der Missbräuche sind gar nicht in die Personalakten aufgenommen worden." Auch weil sich Opfer sexualisierter Gewalt nur selten oder erst viel später melden.

Nur gegen 26 der 41 ermittelten Kleriker aus der Region wurde Strafanzeige gestellt, gerade einmal sechs Täter später vor Gericht verurteilt. "Eingestellt werden die Verfahren oft, weil die Übergriffe verjährt sind oder der Beschuldigte verstarb", erklärt die Missbrauchsbeauftragte des Erzbistums, Eva Hastenteufel-Knörr.

Die Zahlen seien allenfalls die "Spitze des Eisbergs", sagt der Leiter der Studie, Harald Dreßing. Die Untersuchung benennt zudem problematische Strukturen, die Missbrauchsfälle auch heute begünstigen könnten, betonte Dreßing. Die Missbrauchsthematik sei daher keineswegs überwunden. "Das Risiko besteht fort", sagte er.

Nun müsse man die Täter zur Verantwortung ziehen und "als Institution Kirche die gebotenen Konsequenzen ziehen", sagt Generalvikar Kestel. In Bamberg setze man seit 2013 auf ein umfangreiches Präventionsprogramm, das etwa die Hälfte der Mitarbeiter im Erzbistum bereits in Anspruch genommen hat. Das Programm zeige Wirkung, meint die Präventionsbeauftragte Monika Rudolf.

Kardinal Marx forderte, die Themen Zölibat und Homosexualität zu diskutieren. Die riefen für sich genommen zwar keinen Missbrauch hervor, könnten aber "Teil eines Gesamtproblems sein", so Marx.

Kommentar des Autors: "Täter nicht länger schützen"

Ein Neuanfang muss her. Das fordert der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz Reinhard Marx. Damit reagiert er auf das unfassbare Ausmaß des Missbrauchskandals, das die aktuelle Studie enthüllt hat. Hohe Würdenträger aus beinahe allen Regionen des Landes verurteilen die Taten aufs Schärfste, gestehen Fehler ein und zeigen Verständnis mit den Opfern. Das ist das Mindeste, was sie tun können.Vielmehr müssen.

Grundsätzlich ist es auch zu begrüßen, dass sich die Kleriker der katholischen Kirche mit den Missbräuchen auseinandersetzen, die oftmals innerhalb ihrer Gemäuer, immer aber unter ihrem Dach geschehen sind. Mit Taten, die ihr eigentliches Credo der Nächstenliebe ad adsurdum führen. Die am Fundament der Institution Kirche rütteln.

Aber ist es dafür zu spät?

Wie Zahlen dieser und vieler weiterer Studien belegen, ist sexueller Missbrauch ein fester Bestandteil der kirchlichen Welt. Mindestens seit Jahrzehnten, viel wahrscheinlicher aber schon immer. Umso bemerkenswerter ist es, dass sich die Kirchenvertreter selbst nach Bekanntwerden tausender Fälle noch immer nicht bereit zeigen, Missbrauch als strukturelles Problem zu erkennen. Prävention und Intervention werden nun gefordert. Gut so, denn etwaige Taten in der Zukunft gilt es mit allen Mitteln zu verhindern.

Aber die Täter dürfen nicht länger geschützt bleiben. Um die Missbräuche wirklich aufzuarbeiten, müssen die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Ermahnungen und Versetzungen reichen nicht aus: Die Täter, und zwar alle, müssen endlich vor Gericht gestellt werden.