"Falsch informiert"? Bamberger Erzbischof rudert in Richter-Streit zurück

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Nach einer Predigt des Bamberger Erzbischofs hagelte es bundesweit Kritik. Nun hat er mit der SPD-Kandidatin für das Verfassungsgericht telefoniert - und machte ein Eingeständnis.

Update vom 17.07.2025: "Falsch informiert" - Erzbischof Gössl rudert zurück

Der Bamberger Erzbischof Herwig Gössl hat eingeräumt, über Positionen der SPD-Richterkandidatin Frauke Brosius-Gersdorf zum Thema Lebensschutz falsch informiert gewesen zu sein. Wie ein Sprecher der Erzdiözese mitteilte, haben Gössl und Brosius-Gersdorf inzwischen miteinander telefoniert, nachdem der Erzbischof der Juristin am Mittwoch ein persönliches Gespräch angeboten hatte. 

Gössl sei "falsch informiert" gewesen und bedauere das "nachdrücklich", hieß es in der Mitteilung. Am vergangenen Sonntag hatte der katholische Geistliche in einer Predigt gesagt, Brosius-Gersdorf bestreite "angeblich das Lebensrecht ungeborener Menschen". Er sprach zudem von einem "innenpolitischen Skandal". Brosius-Gersdorf habe in dem Telefonat klargestellt, "dass sie sich immer schon für den Schutz des ungeborenen Lebens einsetzte und das auch heute tut", teilte das Erzbistum mit. Die SPD Bamberg teilte ebenso mit, dass es ein Treffen mit Gössl gegeben habe. "Es war ein guter und vertrauensvoller Dialog und ein konstruktiver Austausch der unterschiedlichen Blickwinkel", so die Partei.

Die Wissenschaftlerin hatte im ZDF vor wenigen Tagen den Erzbischof für dessen Predigt kritisiert. Sie finde es besonders verstörend, dass der Bamberger Erzbischof in Bezug auf ihre Person von einem "Abgrund von Intoleranz und Menschenverachtung" gesprochen habe, sagte sie in der Sendung "Markus Lanz". "Ich finde das infam." Das Gegenteil sei der Fall, im Zentrum ihrer wissenschaftlichen Arbeit stehe das Bemühen um sozial Schwache. 

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Limburgs Bischof Georg Bätzing, hat Brosius-Gersdorf unterdessen in Schutz genommen. "Diese Frau hat es nicht verdient, so beschädigt zu werden", sagte er der "Augsburger Allgemeinen". Am vergangenen Freitag war die Wahl zweier neuer Richterinnen und eines Richters für Karlsruhe kurzfristig von der Tagesordnung des Bundestags abgesetzt worden. Der Druck gegen die von der SPD vorgeschlagene Kandidatin Brosius-Gersdorf war in der Union zu groß geworden.

Update vom 16.07.2025: Brosius-Gersdorf zu Gössl-Predigt: "Ich finde das infam"

Nach Irritationen um eine Predigt hat der Bamberger Erzbischof Herwig Gössl der Juristin Frauke Brosius-Gersdorf ein persönliches Gespräch angeboten. Er wolle damit Missverständnisse ausräumen, schrieb Gössl in einer Erklärung. Er betont darin auch: "Dass meine Predigt instrumentalisiert wird, um die Person Brosius-Gersdorf oder das Ansehen des Bundesverfassungsgerichts zu beschädigen, bedauere ich ausdrücklich."

Die von der SPD für das Bundesverfassungsgericht nominierte Staatsrechtlerin Brosius-Gersdorf hatte sich am Dienstagabend im ZDF geäußert und war dabei auf Gössls Predigt vom Wochenende zu sprechen gekommen. Sie finde es besonders verstörend, dass der Erzbischof in Bezug auf ihre Person von einem "Abgrund von Intoleranz und Menschenverachtung" gesprochen habe, sagte sie in der Sendung "Markus Lanz". "Ich finde das infam." 

Richter-Kandidatin Brosius Gersdorf wehrt sich gegen Kritik - Erzbischof bietet Gespräch an

Gössl hatte am Sonntag im Bamberger Dom gepredigt und dabei zunächst über ein Urteil zu Kruzifixen in Schulen gesprochen. Dann sagte er: Es habe in der vergangenen Woche "gleich noch einen zweiten innenpolitischen Skandal" gegeben "durch die geplante Nominierung einer Richterin für das Bundesverfassungsgericht, die angeblich das Lebensrecht ungeborener Menschen bestreitet. Ich möchte mir nicht vorstellen, in welchen Abgrund der Intoleranz und Menschenverachtung wir gleiten, wenn die Verantwortung vor Gott immer mehr aus dem Bewusstsein der Menschen verschwindet."

In seiner Erklärung schrieb der Erzbischof nun: "Ich habe zu keinem Zeitpunkt die angesehene Juristin Frauke Brosius-Gersdorf persönlich angreifen oder diffamieren wollen. Ihre Kompetenz als Juristin und ihre persönliche Integrität habe ich niemals in Zweifel gezogen." Mit dem "innenpolitischen Skandal" habe er "die Vorgänge im Bundestag um die geplante und dann vertagte Nominierung der Verfassungsrichterin gemeint".

Unterdessen hat Bundesforschungsministerin Dorothee "Doro" Bär Verständnis für die Bedenken von Unionsabgeordneten gegen die Kandidatin für das Bundesverfassungsgericht, Frauke Brosius-Gersdorf, geäußert und der Richterin nahegelegt, ihre Kandidatur zu überdenken. "Wir haben lauter mündige Abgeordnete, und wenn die sagen, ich kann mit meinem Gewissen Frau Brosius-Gersdorf nicht wählen, dann akzeptiere ich das, dann respektiere ich es und dann erwarte ich aber auch von der Kandidatin, dass sie mal für sich selbst überlegt, ob sie die Richtige ist", sagte die CSU-Politikerin in der ARD-Talkshow "Maischberger".

Bär verteidigte Kritik an der Richterin. Man tue Frauen keinen Gefallen, wenn man sich nicht mit ihren Inhalten auseinandersetzen dürfe "und ein bisschen Resilienz und ein bisschen, dass man auch kritikfähig sein muss, erwarte ich auch von jemandem, der sich ins höchste deutsche Gericht wählen lassen möchte", fügte sie hinzu.

Ursprungsmeldung: "Innenpolitischer Skandal" - Erzbischof von Bamberg mit harter Kritik an SPD-Richterkandidatin

Die Streitigkeiten um die Nachbesetzungen am Karlsruher Bundesverfassungsgericht sind nun auch in Bamberg angekommen. Am Freitag (11. Juli 2025) waren die Wahlen von SPD-Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf und zweier weiterer neuer Richter kurzfristig von der Tagesordnung abgesetzt worden, weil der Druck gegen Brosius-Gersdorf in der Union zu groß geworden war, wie die dpa berichtet.

Kritisiert wird diese vor allem für ihre Haltung zu Abtreibungen. Dazu soll sie demnach geschrieben haben: "Es gibt gute Gründe dafür, dass die Menschenwürdegarantie erst ab Geburt gilt." Dennoch sei Brosius-Gersdorf nicht dafür, den Embryo/Fetus grundrechtlich schutzlos zu stellen, berichtet jedoch die taz. Spätabtreibungen ordne sie daher auch weiterhin als rechtswidrig ein. Für ihre generelle Position in dieser Debatte kritisierte Bambergs Erzbischof Herwig Gössl die SPD-Kandidatin bei seiner Predigt zum Heinrichsfest am Sonntag stark. Eine mögliche Wahl der SPD-Kandidatin zur Verfassungsrichterin sei seiner Meinung nach ein "innenpolitischer Skandal", betonte er auch in einer Mitteilung des Erzbischöfliches Ordinariats Bamberg.

SPD Bamberg nach Predigt von Erzbischof stinksauer - weisen Behauptungen "entschieden zurück"

In seiner Rede erklärte er: "Ich möchte mir nicht vorstellen, in welchen Abgrund der Intoleranz und Menschenverachtung wir gleiten, wenn die Verantwortung vor Gott immer mehr aus dem Bewusstsein der Menschen verschwindet." Die Schwächeren hätten dann keine Stimme mehr: "Nicht die Ungeborenen und nicht die pflegebedürftigen Alten; nicht die psychisch Kranken und auch nicht die sozial Schwachen; nicht die Menschen, die sich aufgrund von Krieg und Verfolgung auf die Flucht begeben und auch nicht die Natur, die gewissenlos ausgebeutet und zerstört wird."

In einer aktuellen Mitteilung der Bamberger SPD weist diese Gössls Behauptung von einem Skandal "entschieden zurück".  Darüber hinaus heißt es: "Frauke Brosius-Gersdorf ist eine hoch angesehene Staatsrechts-Professorin und die unangemessenen Äußerungen von Herrn Erzbischof Herwig Gössl befeuern die ohnehin schon unwürdige und diffamierende Debatte weiter", so die Vorsitzenden der Bamberger SPD Olaf Seifert und Eva Jutzler.

Gössls Äußerungen würden das Vertrauen in das Bundesverfassungsgericht "völlig ohne Not aufs Spiel" setzen, so die SPD. Die Vorsitzenden kritisieren: "Die Aufgabe der katholischen Kirche muss es sein, zusammenzuführen, statt zu spalten und die ohnehin schon große Politik- und Institutionenverdrossenheit in einigen Teilen der Bevölkerung weiter zu befeuern."

Auch Kruzifix-Urteil bei Heinrichsfest-Rede in der Kritik

Schon vor vergangenem Freitag meldeten in der Union mehrere Dutzend Abgeordnete bei einer Abfrage durch die Fraktionsspitze Bedenken an der von der SPD vorgeschlagenen Brosius-Gersdorf als Kandidatin zur Verfassungsrichterin an. Gründe dafür seien laut dpa ihre liberale Haltung zu Abtreibungen, aber auch ihre Forderung nach einer Impfpflicht während der Corona-Pandemie und ihre Haltung gegen das Neutralitätsgebot des Verfassungsgerichts im Streit um das Kopftuch bei Rechtsreferendarinnen. Die Anfeindungen gegen Brosius-Gersdorf im Netz gingen nach Angaben der SPD aktuell jedoch bis hin zu Morddrohungen. 

Infolgedessen prüfte der österreichische Plagiatsprüfer Stefan Weber auch Brosius-Gersdorfs Doktorarbeit und fand Parallelen zu der Habilitationsschrift ihres Mannes. Der früheren Universität der SPD-Kandidatin reicht das formal aber nicht aus, um eine Überprüfung einzuleiten. Laut Berichten der taz stellte Weber mittlerweile außerdem klar, dass er Brosius-Gersdorf keinen Plagiatsvorwurf mache. Ihre Arbeit sei vor der ihres Mannes erschienen.

In seiner Predigt am Sonntag kritisierte der Bamberger Erzbischof auch das kürzlich getroffene Kruzifix-Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes, wonach ein Kreuz im Eingangsbereich eines staatlichen Gymnasiums die Religionsfreiheit verletzte. "Für mich ist das Kreuz in der Öffentlichkeit das Zeichen, das uns an unsere menschliche Verantwortung Gott gegenüber erinnert und uns mahnt, ihnen in gelebter Toleranz und Menschenliebe nachzufolgen", so Gössl. Er dankte ausdrücklich allen "demokratisch gesonnenen Menschen, die sich in Politik und Gesellschaft für den Verbleib der Kreuze in der Öffentlichkeit einsetzen", heißt es in der Mitteilung.

Dieser Artikel wurde mit Material der Deutschen Presse-Agentur (dpa) erstellt. 

Vorschaubild: © Pressestelle Erzbistum Bamberg / Dominik Schreiner