Arbeitswelt im Wandel: "Unternehmen und Bewerber auf Augenhöhe"

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Professor Tim Weitzel.
Professor Tim Weitzel.

Arbeitswelten wandeln sich, Bewerber begegnen Unternehmen heute mindestens auf Augenhöhe. Auch, weil sie zur Mangelware geworden sind. Das bietet den Jobinteressierten große Chancen. Welche genau, erklärt der Bamberger Professor Tim Weitzel.

Wie ein Damoklesschwert schwebt der Begriff "Fachkräftemangel" über hiesigen Unternehmen. Für viele Stellen lassen sich kaum Interessenten finden. Was sich damit für Bewerber ändert und was sie dennoch beachten müssen, erklärt der Wirtschaftsinformatiker an der Universität Bamberg, Professor Tim Weitzel: Herr Weitzel, der Fachkräftemangel scheint allgegenwärtig - wo hapert's? Tim Weitzel: Es gibt zu wenige Kandidatinnen und Kandidaten, und die, die da sind, sind nicht immer ausreichend qualifiziert. Heute haben wir weniger als halb so viele Ausbildungsanfänger wie noch 1950. Gleichzeitig sind die Jobs anspruchsvoller und komplexer geworden als früher. Sie machen dadurch zwar deutlich mehr Spaß. Es wird aber schwieriger, Menschen zu finden, die da reinpassen.

Woran liegt das? Zum einen werden sich Bewerber klarer, dass sie einen Wert haben. Es gibt ein gekipptes Machtverhältnis. Mittlerweile ist es so, dass Unternehmen dringender nach Mitarbeitern suchen als anders herum. Das gilt zwar nicht für alle Bereiche und Aufgaben. Aber für knappe Profile wie zum Beispiel Wirtschaftsinformatiker gilt es besonders. Vor allem im Mittelstand sind mehr als die Hälfte der Stellen gar nicht mehr oder nur schwierig zu besetzen.

Wie sieht es in Oberfranken aus? Aus vielen Gesprächen wissen wir, dass auch für die Unternehmen in der Region die größten Herausforderungen darin bestehen, gute Mitarbeiter zu finden und zu binden.

Die Arbeitswelt wird komplexer: Was ist an neuen Aufgaben hinzugekommen? Man muss heute neben rein fachlichen Anforderungen auch team- und kommunikationsfähig sein. Das liegt daran, dass komplexere Jobs so viele Fähigkeiten beanspruchen, die gar nicht mehr in eine Person passen. Typische komplexe Aufgaben werden mittlerweile im Team gelöst. Vor 20 Jahren waren mehr die sogenannten Hard Skills gefragt, weil viele theoretisch auch die Arbeit alleine verrichten konnten. Heute suchen Firmen neben der rein fachlichen Exzellenz auch noch soziale Fähigkeiten. Die Anforderungen sind also größer geworden.

Einige Personaler sagen, viele Bewerber seien den gestiegenen Voraussetzungen nicht gewachsen: Hinkt das Bildungssystem hinterher? Da gibt es eher zwei andere Probleme. Auf der einen Seite steht die noch immer zu geringe Geburtenrate. Auf der anderen Seite sind viele der zusätzlichen Fähigkeiten wie soziale und kommunikative Kompetenzen nur schwer lehr- und lernbar. Das wird zwar in der Schule versucht. Aber es herrscht Skepsis, in welchem Umfang diese Fähigkeiten wirklich aufbaubar sind. Oft steckt es in der Persönlichkeit, ob sich jemand anderen gegenüber öffnen kann - und das ist nur selten änderbar.

Idealtypus: hochbegabte Rampensau? (lacht) Idealerweise gibt es einen Data Scientist, der gut programmieren kann, und eine Rampensau ist.

Gestaltet sich der Fachkräftemangel in allen Branchen gleich? Besonders betroffen ist die IT-Branche. Dort ist aber schon viel passiert. Sie war früh gezwungen, innovativ zu sein. Mitarbeiter als Botschafter fürs eigene Unternehmen zu verwenden, ist dort schon lang gängige Praxis. Etwas anders sieht es im Handel aus: Dort ist es relativ einfach, Mitarbeiter zu finden.

Viele freie Stellen, wenig Interessenten: Klingt easy für Jobsuchende. Was gilt es für Bewerber dennoch zu beachten? Eine Menge. Der Bewerber muss sich bewusst sein, dass er eine knappe Ressource ist. Beispiel Vorstellungsgespräch: Früher überprüfte das Unternehmen, ob es den Bewerber aufnehmen konnte. Heute überlegt auch der Bewerber, ob das Unternehmen zu ihm oder ihr passt. Mehr als jeder zweite hat bereits ein Jobangebot abgelehnt, weil er merkte: Dort passe ich nicht hin.

Dienstwagen oder Work-Life-Balance: Was ist den jungen Menschen wichtig? Vor 20 Jahren war Jobsicherheit eine der wichtigsten Anforderungen an den neuen Job. Heute sind Arbeitsbedingungen und die Unternehmenskultur viel wichtiger geworden. Die Menschen wollen einen Job, bei man etwas beitragen kann, bei dem man sich weiterentwickeln kann, in dem ein gutes Arbeitsklima herrscht und sie Wertschätzung erfahren. Das Gehalt spielt zwar auch eine Rolle, aber eine untergeordnetere.

Anschreiben, Lebenslauf, Zeugnisse: Sieht so die Bewerbung von heute noch aus? Den Lebenslauf erwarten die meisten Personaler noch. Aber es gibt Tendenzen, dass etwa das Anschreiben an Bedeutung verliert. Viele wollen sich heute über mobile Kanäle bewerben, dabei ist ein umfangreiches Anschreiben nur hinderlich. Und: Wie aussagekräftig ist es überhaupt? Jeder siebte Bewerber hat sein eigenes Anschreiben nie gesehen, weil es ein Freund oder Verwandter verfasst hat. Es könnte in Zukunft wohl verschwinden. Wichtiger werden die weniger manipulierbaren und aussagekräftigeren Netzwerkinformationen. Zum Beispiel über Plattformen wie Monster, Xing und LinkedIn.

Kommen junge Bewerber noch um solche berufliche Netzwerke herum? Wie kann ein Personaler, der händeringend Kandidaten sucht, welche finden? Er wählt Kanäle, die er kennt, zum Beispiel LinkedIn und Xing. Dort sind viele Mitglieder angemeldet. Es ergibt also Sinn, sich dort ein Profil anzulegen, wenn man gefunden werden möchte.

Wie viele Bewerbungen schreibt ein durchschnittlicher Berufsanfänger? Das ist sehr unterschiedlich. Die Hälfte der Kandidaten sagen, dass sie sich gar nicht massiv bewerben wollen. Stattdessen laden sie ihre Lebensläufe auf Monster oder anderen beruflichen Netzwerken hoch und warten darauf, von Firmen angesprochen zu werden. Das geht natürlich einfacher, wenn sie Data Scientist oder Wirtschaftsinformatik in ihrem Profil stehen haben, statt etwas, das weiter weg ist von direkten Marktbedarfen.

Die erste Hürde ist genommen: Man wird eingeladen. Das persönliche Gespräch ist das A und O, kostet viele aber große Überwindung. Was gilt es zu beachten? In Erstgesprächen machen Jobanfänger häufig den Fehler, als Erstes wegen Geld und Urlaub nachzufragen, anstatt auf Arbeitsinhalte einzugehen. Das sendet nicht die richtigen Signale. Oft gibt es auch den Fall, dass Bewerber vorher anrufen, um eine Frage stellen zu wollen. Häufig haben sie aber gar keine konkrete Frage. Manchmal wissen Bewerber auch über die eigenen Lebensläufe nicht Bescheid. Dasselbe gilt übrigens auch für die Personaler.

Was erwartet die Besucher des Personalforums? Bewerber und Unternehmen ziehen am gleichen Strang. Daher profitieren auch Bewerber von solch einem Forum. Je besser sich beide Seiten verstehen, desto geringer ist die Chance, dass es zu Missverständnissen kommt. Beide Seiten sind schließlich interessiert daran, gut zusammenzukommen.

Personalforum Oberfranken

Das Personalforum Oberfranken wird die Arbeitswelt von morgen aktiv mitgestalten - zusammen mit hochkarätigen Referenten. Teilnehmerzahl ist begrenzt, Anmeldung bis 12. Oktober. Zwei Tickets pro Unternehmen sind kostenfrei, jedes weitere kostet 49 Euro. Infos: im Internet unter personalforumoberfranken.eventbrite.de