Volkacher Berg-Predigt mit Pater Clemens

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Augustiner-Pater Clemens Nöth, ein gebürtiger Windheimer, hält sonntags um 8 Uhr den katholischen Gottesdienst in der Kirche Mariä Schutz auf der Vogelsburg. Foto: Patty Varasano
Augustiner-Pater Clemens Nöth, ein gebürtiger Windheimer, hält sonntags um 8 Uhr den katholischen Gottesdienst in der Kirche Mariä Schutz auf der Vogelsburg.  Foto: Patty Varasano

Besucherschwund ist in "Mariä Schutz" auf der Volkacher Vogelsburg kein Thema. Ein 84-jähriger gebürtiger Windheimer Pater, eine Sieben-Minuten-Predigt, und warum man mit 1,69 Meter der Größte sein kann.

Wenn am Sonntagfrüh der Winzer Rainer Sauer (63) zwischen halb sechs und sechs aufsteht, um nach Würzburg zu fahren, kann der Justizvollzugsbeamte Georg Siedler (56), wenn er will, noch eine Runde schlafen. Und am nächsten Sonntag ist es dann vielleicht genau umgekehrt. Abwechselnd holt einer von beiden im Kloster den Augustiner-Pater Clemens Nöth ab, zum Gottesdienst auf der Vogelsburg. Abfahrt in Würzburg um 6.45 Uhr. Der 84 Jahre alte gebürtige Windheimer ist meist schon seit 5.30 Uhr auf den Beinen, um sich vorzubereiten.

Von einer Frühmesse wie auf der Vogelsburg kann mancher Pfarrer nur noch träumen: 100 Stühle sind aufgestellt, häufig bleibt fast keiner leer. Das Durchschnittsalter der Besucher ist weitaus niedriger als üblich, es sind relativ viele Männer dabei, nicht nur Rentner. Wie kommt die Kirche "Mariä Schutz" am Sonntag, noch dazu um 8 Uhr früh, zu so vielen Besuchern?

Gute Wünsche für die Woche

Sauer und Siedler sagen, das liege vor allem "am Clemens" und daran, wie er Gottesdienst feiert: Ganz undramatisch, ohne den Kirchen-Oberen ständig die Leviten zu lesen, ohne unkonventionelle Einlagen bei der Verkündigung von Gottes Wort. Und die Leute könnten immer was mitnehmen für die neue Woche. Sieben Minuten dauert die Predigt, auch das schätzt man. Außerdem so eingespielte Rituale wie die Begrüßung vor dem Gottesdienst am Eingang mit Handschlag und einigen Sätzen, wenn auch im Sitzen. Denn lange stehen schafft der Pater nicht mehr, und von der Sakristei zum Altar geht er am Stock, langsam, in kurzen Schritten, seit das Gehen nach einer Bandscheiben-OP vor vielen Jahren zunehmend beschwerlicher geworden ist. Der Gottesdienst endet mit guten Wünschen für die neue Woche.

Montags fängt der Pater an, die Predigt für den Sonntag zu bearbeiten: Er nimmt aus seiner Sammlung eine, die er vor Jahren hielt, ergänzt den Text mit aktuellen Bezügen. Dann übt er in seiner Klosterzelle, die Predigt so zu lesen, dass sie akustisch auch gut ankommt. Mit logopädischer Unterstützung ist der ehemalige Pfarrer von Reichenbach und Burghausen nach einer OP an den Stimmbändern sprachlich wieder fast der Alte.

Oft Besucher aus alter Heimat

Schwester Hedwig - Priorin der Augustinus-Schwestern und liturgischer Beistand beim Sonntagsgottesdienst - und die Fahrer kennen die meisten Besucher: "Die kommen aus Orten an der Mainschleife, aber auch aus größerer Entfernung." Schon mehrfach waren auch Monika und Hermann Hillenbrand aus Reichenbach im Frühgottesdienst. Sie pflegen eine intensive Freundschaft mit dem ehemaligen Windheimer. "Im Februar erst war unser Sohn Stefan dabei, der sein neues Auto von Clemens hat weihen lassen!", erzählt die Reichenbacherin.

Wer am Sonntag Pater Clemens geholt hat und wieder heimfährt, wissen die Besucher der Messe, denn: Der Fahrer übernimmt die Lesung. Das Gespräch mit Siedler und Sauer ist übrigens etwas zäh angelaufen, weil beide der Meinung waren, dass man diesen Fahrdienst am Sonntagfrüh nicht, ums kirchennah auszudrücken, an die große Glocke hängen sollte. Sie tun es gern und hoffen, dass ihnen der 84-Jährige noch einige Zeit dazu Gelegenheit gibt. Vogelsburg-Würzburg und zurück, Kilometergeld aus dem Klingelbeutel - oder? "Das fehlt grad noch", sagen beide. Sie verstehen ihre Fahrten als Beitrag zur seelsorglichen Grundversorgung für die Vogelsburg. Warum kommen so früh am Sonntag so viele Besucher in die Kirche "Mariä Schutz"?

Ein Mann aus Fahr schätzt den Sonntagsgottesdienst immer zur selben Zeit. Mit abwechselnd Samstagabend und Sonntagfrüh könne er sich nicht anfreunden. Und immer wieder wird auch der Clemens genannt, mit und ohne Pater.

Dass man ihn am Sonntag bei seiner "Berg-Predigt" auf einer Anhöhe liegenden Vogelsburg aufsucht, schließt auch Anerkennung für seine Lebensleistung ein: 29 Jahre im Kongo, bei Pygmäen, für die er trotz seiner Körpergröße von 1,69 Meter immer ein Großer war. "Buschpapst" hat man ihn liebevoll genannt und davon profitiert, dass der Missionar nicht nur einen Piloten-Schein hatte, sondern auch ein Jagdgewehr. Dadurch kam bei den Pygmäen, öfter als beim Anschleichen, Fleisch in die Töpfe. Es folgten zehn Jahre im Kloster in Walldürn, danach wurde er als Ruheständler im Kloster Fährbrück für die Vogelsburg entdeckt.

Bis zu zwölf Augustinus-Schwestern lebten einst auf dem Berg, jetzt sind es noch zwei, die nach dem Verkauf der Anlage an die Juliusspital-Stiftung ein Wohnrecht auf Lebenszeit haben. Wenn sie mal die Vogelsburg verlassen, was wird dann aus der Frühmesse?

Das Problem, so Schwester Hedwig, werde sein, einen Priester zu finden. Gottesdienstbesucher wären genug da, Fahrer auch und Maria-Luise Laymann aus Volkach, die schon seit 15 Jahren sonntags früh droben am Berg die Orgel spielt, denkt mit Sicherheit auch noch nichts ans Aufhören.