Er hat eine Frau vergewaltigt, niedergestochen und lebendig begraben - sie überlebte schwer verletzt. Fast 30 Jahren später wurde der Täter nun gefasst.
Knapp 30 Jahre nach der Tat ist es Kripo und Staatsanwaltschaft gelungen, ein schweres Gewalt- und Sexualverbrechen aufzuklären. Ein 55-Jähriger soll eine damals 22-Jährige vergewaltigt und niedergestochen haben. Der 55-jährige Tatverdächtige sitzt seit Montag in Untersuchungshaft.
Opfer über mehrere Stunden vergewaltigt
An einem Montag, dem 04. Januar 1988, hatte eine damals 22-Jährige aus dem Raum Offenbach eine Diskothek in der Aschaffenburger Innenstadt besucht. Als sie gegen 2.00 Uhr das Lokal verlassen hatte und in ihren in der Heinsestraße geparkten Mitsubishi einsteigen wollte, wurde sie von dem Täter mit einem Stichwerkzeug bedroht und überwältigt.
Der Mann zwang die junge Frau in der Folge in ein abgelegenes Waldstück in Richtung Haibach zu fahren. Dort vergewaltigte sie der Täter über mehrere Stunden und stach letztlich mehrfach auf sie ein. Sich des Todes der Frau sicher, verscharrte er das Opfer oberflächlich und flüchtete mit deren Auto.
Schwerverletzte rettet sich zu Straße
Die 22-jährige Schwerstverletzte rettete sich zur Haibacher Straße und wurde dort kurz nach 05.00 Uhr von einem Autofahrer gefunden. Sie wurde in eine Klinik eingeliefert, notoperiert und überlebte das Kapitalverbrechen nur knapp. Der Aufenthalt dauerte mehrere Wochen. Die Kriminalpolizei
Aschaffenburg übernahm die weiteren Ermittlungen.
Unverzüglich war eine Großfahndung mit zahlreichen Einsatzkräften eingeleitet worden. Mit Hochdruck fahndete die Polizei nach dem Tatverdächtigen, der auf circa 25 Jahre geschätzt worden war. Außerdem suchte man unter anderem am Tatort, im Wald am Hasenkopf, intensiv nach den Kleidungsstücken und anderen verschwundenen Gegenständen des Opfers. Am Morgen des Tattags, gegen 10.30 Uhr, konnte der Mitsubishi der Frau am Wittelsbacher Ring sichergestellt werden.
Kein Fahndungserfolg
Trotz intensiver Fahndungs- und Ermittlungsmaßnahmen gelang es der Sonderkommission damals nicht, einen Tatverdächtigen zu ermitteln. Zahlreiche Presseveröffentlichungen, unter anderem mit einem Phantombild und der Auslobung von 5.000 DM, führten zwar zu mehreren Hinweisen, jedoch keinem entscheidenden. Auch Anwohnerbefragungen im Bereich der Heinsestraße und das Verteilen von Flugblättern in über 40 Gaststätten verliefen ergebnislos. Letztlich musste das Verfahren von der Staatsanwaltschaft Aschaffenburg zunächst wegen unbekannter Täterschaft eingestellt werden.
Die äußerst brutale Vergewaltigung und der Mordversuch ließen die Ermittler allerdings - wie in allen noch ungeklärten Verbrechen - nicht ruhen. So schließt sich der Kreis wieder zur Gegenwart:
"Cold Case" - Ermittlungen nach fast 30 Jahren
Die Tatsache, dass Mord strafrechtlich nicht verjährt, ist auch für die Ermittler der Kripo Aschaffenburg immer wieder Anlass für sogenannte "Cold Case" Ermittlungen. Dabei geht es darum, die Unterlagen und Beweismittel dieser zum Teil Jahrzehnte zurückliegenden Fälle immer wieder einer neuen Betrachtung zu unterziehen, um neue Ermittlungsansätze zu gewinnen. Regelmäßig werden im Zuge dessen auch Asservate neuen Spurensicherungsmethoden nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft unterzogen.
So nahmen sich Anfang Januar 2015 Beamte der Kripo Aschaffenburg in enger Abstimmung mit der Staatsanwaltschaft Aschaffenburg eines ungeklärten Sexual-und Gewaltverbrechens aus dem Jahr 1988 erneut an.
DNA-Spuren führen zu Tatverdächtigem
Auch mit Unterstützung der Operativen Fallanalyse (OFA Bayern) und des Bayerischen Landeskriminalamtes wurde der Fall erneut aufgerollt. Letztgenannte führten umfangreiche und intensive Nachuntersuchungen von Asservaten hinsichtlich DNA-Spuren durch. Tatsächlich erhärtete das Ergebnis dieser Untersuchungen dann den dringenden Tatverdacht gegen den jetzt 55-Jährigen mit Wohnsitz im Landkreis Aschaffenburg.
Auf Grundlage der Ermittlungen der 15-köpfigen Ermittlungskommission "Hasenkopf" beantragte die Staatsanwaltschaft Aschaffenburg am 19.10.2017 einen Untersuchungshaftbefehl wegen des dringenden Tatverdachts des versuchten Mordes. Der Tatbestand der Vergewaltigung ist zwar seit 2008 verjährt, kann aber sehr wohl im Falle einer Verurteilung wegen Verdeckungsmordes bei der Strafzumessung berücksichtigt werden.
Täter räumt Vergewaltigung ein
Am 22.10.2017 wurde der Beschuldigte im Rahmen einer Durchsuchungs- und Verhaftungsaktion, an der neben zwei leitenden Staatsanwälten über 35 Polizeibeamte teilnahmen, aufgrund des erwirkten Haftbefehls in seiner Wohnung widerstandslos festgenommen und in einer Haftzelle untergebracht. Gesprächsweise räumte er gegenüber dem Leitenden Oberstaatsanwalt die Vergewaltigung ein, nicht aber den versuchten Mord. Zu einer förmlichen Beschuldigtenvernehmung war er nicht bereit.
Am 23.10.2017 wurde der Beschuldigte dem Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Aschaffenburg vorgeführt, der die Aufrechterhaltung des Haftbefehls wegen versuchten Mordes anordnete. Bei der Haftbefehlseröffnung machte der nunmehr durch einen Rechtsanwalt vertretene Beschuldigte keine Angaben zur Sache.
Mehrere Straftaten begangen
Der 55-Jährige ist bereits mehrfach strafrechtlich in Erscheinung getreten. So wurde er im Jahr 2005 vom Amtsgericht Aschaffenburg wegen Vergewaltigung, versuchter sexueller Nötigung und Körperverletzung zu zwei Jahren Freiheitsstrafe mit Bewährung verurteilt, die er nach Bewährungswiderruf bis zum 10.06.2008 verbüßte. Seitdem ist er wegen Eigentumsdelikten und Sachbeschädigung verurteilt worden.
Die Ermittlungen, auch ob der 55-Jährige für weitere bislang nicht aufgeklärte Sexualstraftaten und Tötungsdelikte als Täter in Frage kommt, dauern an. Diesbezüglich werden auch nach der Verhaftung des Tatverdächtigen sichergestellte mögliche Beweismittel überprüft.
Manfred Schweidler