Die Aktienkurse befinden sich im freien Fall. Wie steht es in wirtschaftlicher Hinsicht eigentlich um das Sammeln von Briefmarken und Münzen?
Seit 60 Jahren sammelt Franz Ullmann nun schon Briefmarken. Mit sieben Jahren hat es bei ihm angefangen. Trotzdem erinnert er sich noch ganz genau an sein erstes Exemplar: Eine australische Marke mit Koalabären als Motiv. Jeder Schüler habe damals sein Sammelalbum dabeigehabt. Für Ullmann war es anfangs ein Hobby, das Sehnsüchte bedient: "Man hat Briefmarken aus Australien gesehen und sich im Geiste dorthin versetzt."
Mittlerweile hat der Bamberger das Sammeln professionalisiert, forscht seit Jahrzehnten zur Postgeschichte, schätzt den Geldwert aufgetauchter Sammlungen und ist Zweiter Vorsitzender im Briefmarken- und Münzsammlerverein Bamberg e. V., wo er hin und wieder auch Vorträge hält. Gemeinsam mit dem Erster Vorsitzenden Klaus Höchstetter, der Experte für das Sammeln von Münzen ist, hat unsere Zeitung zwei Menschen befragt, mit deren Wissen sich ein ganzes Magazin zum Thema "Sammeln als Wertanlage?" schreiben ließe.
Aktie des kleinen Mannes
Ullmann erklärt, dass Briefmarken viele Jahrzehnte als "Aktie des kleinen Mannes" galten. In den 60er- bis 90er Jahren sei noch viel Geld in Marken investiert worden, als eigentlich schon absehbar war, dass aufgrund der immensen Auflagen kaum Wertsteigerungen erwartet werden dürften. "So wurde die Geldanlage zu einer gigantischen Geldvernichtung", resümiert der Sammler.
Entsprechend ausgedünnt sind auch die Reihen des Vereins. Während es in dessen Hochphase 80 waren, sind es derzeit nur noch 31 mit einem Altersdurchschnitt von 72 Jahren. Dennoch werde die Sammlergemeinde nie ganz aussterben, meint Ullmann: "Das Jagen von wertvollen Dingen und Sammeln ist seit der Steinzeit im Menschen verhaftet." Der Briefmarkenexperte sehe vielmehr eine Verlagerung hin zum postgeschichtlichen Sammeln von Briefen.
An spannenden Zusammenhängen mangelt es nicht: "Die Welt der bunten Bildchen ist voll von Kuriositäten und Stoffen für Romane über Fälschungen, Betrügereien bis hin zum Mord. Über alle weltbekannten Raritäten gibt es Anekdoten und wahre Geschichten über deren Auffindung und die teilweise lückenlose Provenienz der Besitzer." Für den finanziellen Aspekt der privaten Beschäftigung mit Briefmarken findet Ullmann jedoch deutliche Worte: "Der Markt ist tot. Die alten Marken, also 19. Jahrhundert in der mittleren Preisklasse von 5000 bis 6000 Euro gewinnen aber nach wie vor an Wert."
Auch die Zeiten der wertvollen Dachbodenfunde seien längst vorbei. Alte Speicher, auf denen eine Kiste mit alten Marken oder Korrespondenzen liegt, gebe es praktisch nicht mehr. "Die Sammlungen von Erben, die ich in den letzten drei Jahrzehnten begutachtet habe, sind in fast allen Fällen erst in der Nachkriegszeit aufgebaut worden." Der Verdacht auf einen Schatz bestünde dagegen erst dann, wenn das Material mindestens 100 Jahre alt ist. Wobei man sich auch hier nicht der Illusion hingeben dürfe, alt sei gleich wertvoll: "Ich habe schon Sammlungen gesehen, die zwar enorm wertvolle Marken enthielten, allerdings in einer Qualität, die nicht mehr den heutigen Vorstellungen entspricht und damit praktisch unverkäuflich ist."
Wer Briefmarken heute noch als Wertanlage kaufen möchte, benötige enormes Wissen um den Markt und die Marken selbst. Folgende Grundregeln gibt Ullmann Interessierten mit an die Hand: "Eine wertvolle Briefmarkensammlung in der Idealvorstellung ist eine postgeschichtliche, gut beschriebene, über Jahrzehnte erstandene und gepflegte Sammlung mit einwandfreien und qualitätvollen Stücken eines nicht zu großen Gebietes."