Online-Rechtsberatung: Mehr Schein als Sein? Experten-Test entlarvt ernüchternde Ergebnisse

6 Min
Bei der Online-Rechtsberatung gibt es noch viel Luft nach oben.
Anwalt, Rechtsberatung, Online-Rechtsberatung
ArLawKa/AdobeStock

Bei juristischen Problemen kann eine erste Online-Rechtsberatung im Internet helfen. Die Stiftung Warentest hat sieben Vermittlungsportale und Online-Anwaltskanzleien zu fünf Musterfällen befragt. Das Ergebnis überzeugte die Testenden nicht.

Rechtsberatungsportale im Internet versprechen zeitnahen und individuellen juristischen Rat von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten. Einige Portale versprechen sogar, dass die Rechtsberater rund um die Uhr im Einsatz sind. Das ist natürlich übertrieben, ab schnell geht es wirklich. Die Zeitschrift Finanztest der Stiftung Warentest hat sieben auf ihre Qualität und auf ihr Honorar hin untersucht. Das Ergebnis fällt ziemlich ernüchternd aus. Wer den gesamten Report lesen will, kann ihn downloaden (Preis: 4,90 Euro).    

Ist der Rechtsrat aus dem Netz zuverlässig?

Um es vorwegzusagen: Der Rechts­rat aus dem Netz ist zwar schnell – aber nicht immer gut. Im Fazit der Stiftung heißt es deshalb: "Die Ergebnisse der Beratung waren ernüchternd. Die Qualität reichte von mustergültig bis weit daneben. Kein Anbieter hat uns in allen Fällen überzeugt, manch einer gab überhaupt keine brauchbaren Antworten." So richtig überraschend ist das Ergebnis nicht. Schließlich sind die meisten Rechtsfälle ausgesprochen diffizil und die Rechtsprechung der Gerichte dazu ebenso. Schnell und nebenbei lassen die meisten Fälle jedenfalls nicht lösen.  

Der erste Weg bei einer rechtlichen Frage führt ins Internet. Dort stößt du auf die einschlägigen Internetportale. Dahinter stecken entweder Vermittlungsportale oder große Anwaltskanzleien. Und so gehst du vor: Du beschreibst den Sachverhalt und dann formulierst du deine Frage, möglichst präzise. Ist der Fall zu komplex oder schaffst du es nicht, dich klar auszudrücken, solltest du das ausführliche, persönliche Gespräch mit einem Anwalt suchen. Die Online-Anbieter erwecken nach Feststellung der Stiftung Warentest zwar den Eindruck, für alle Rechtsfragen den passenden Sachverstand vorzuhalten, dem ist aber anscheinend nicht immer so.

Manchmal sind Dokumente zur Prüfung notwendig. Die Übermittlung von Dateien ist bei allen Portalen möglich und funktioniert je nach Anbieter "mehr oder weniger umständlich", so der Eindruck der Testenden. Die beteiligten Rechtsportale und Kanzleien erhoffen sich, dass sich aus dem "Erstkontakt" eine Mandatsübertragung zur Abwicklung des Falls ergibt. Deshalb gibt es unterschiedliche Preismodelle für die Erstauskunft. 

Wie teuer ist die Online-Rechtsberatung?

Die Preise im Test reichen für die Online-Rechtsberatung von 5 Euro bis knapp 290 Euro. Die teuerste Beratung im Test bietet YourXpert.de. Das Online-Portal bietet auch eine kostenlose, schriftliche Ersteinschätzung, sagt aber ausdrücklich, dass diese nicht rechtssicher ist. Der preiswerteste Anbieter ist Justanswer.de, der mit 5 Euro startet. Dahinter steckt ein Probeangebot für drei Tage. Eigentlich offeriert das Online-Portal ein Abo für 49 Euro im Monat. Die Mehrzahl der Online-Anbieter bewegen sich zwischen 80 Euro bis 120 Euro für die Erstauskunft.

Yourexpert.de:

  • Info zum Beratungsangebot: "befriedigend" (2,6)
  • Nutzerfreundlichkeit der Webseite: "befriedigend" (2,8)
  • AGB-Mängel: "keine"
  • Mängel Datenschutz: "gering"
  • Zahl der Anwälte: 199 Kanzleien
  • Preis im Test: 94,90 Euro bis 288,90 Euro
  • Kurz-Kommentar Finanztest: Kostenlose Ersteinschätzung

 

Justanswer.de:

  • Info zum Beratungsangebot: "befriedigend" (3,4)
  • Nutzerfreundlichkeit der Webseite: "befriedigend" (3,2)
  • AGB-Mängel: "deutlich"
  • Mängel Datenschutz: "gering"
  • Zahl der Anwälte: ca. 200
  • Preis im Test: Festpreisangebot, Abo 49 Euro im Monat
  • Kurz-Kommentar Finanztest: Bezahlung erst nach positiver Bewertung

AGB: Allgemeine Geschäftsbedingungen

Beratungs-Profil statt Qualitätsurteil

Der Test der Stiftung Warentest folgt nicht dem üblichen Ranking. Es gibt kein zusammenfassendes Qualitätsurteil nach den üblichen Noten (von eins bis fünf). Stattdessen gibt es eine Art Profil der Online-Rechtsberatung. Es folgt zwar in den Beurteilungspunkten 'Info zum Beratungsangebot' und 'Nutzerfreundlichkeit der Webseite' dem üblichen Ranking, ist aber in den Punkten (AGB, Datenschutz) eher allgemein gehalten. Die Angabe zur Zahl der Anwälte gibt einen Eindruck von der Größe des verfügbaren Netzwerks und der Kurz-Kommentar verweist auf Besonderheiten des Online-Anbieters.

Juraforum.de:

  • Info zum Beratungsangebot: "befriedigend" (3,2)
  • Nutzerfreundlichkeit der Webseite: "ausreichend" (4,1)
  • AGB-Mängel: "sehr gering"
  • Mängel Datenschutz: "sehr gering"
  • Zahl der Anwälte: 202
  • Preis im Test: 79 Euro bis 89 Euro
  • Kurz-Kommentar Finanztest: Zusatzservice: Künstliche Intelligenz (KI) beantwortet Rechtsfragen

 

Anwaltonline.com:

  • Info zum Beratungsangebot: "befriedigend" (3,3)
  • Nutzerfreundlichkeit der Webseite: "gut" (1,9)
  • AGB-Mängel: "gering"
  • Mängel Datenschutz: "deutlich"
  • Zahl der Anwälte: 8
  • Preis im Test: 99,95 Euro bis 144,95 Euro
  • Kurz-Kommentar Finanztest: Lange Antworten

 

Frag-einen-Anwalt.de:

  • Info zum Beratungsangebot: "gut" (2,1)
  • Nutzerfreundlichkeit der Webseite: "gut" (2,4)
  • AGB-Mängel: "sehr gering"
  • Mängel Datenschutz: "gering"
  • Zahl der Anwälte: 416
  • Preis im Test: 80 Euro bis 90 Euro
  • Kurz-Kommentar Finanztest: Info zum bearbeitenden Anwalt

AGB: Allgemeine Geschäftsbedingungen

Warum ist das Online-Portal Advocado außen vor?

Das Online-Portal Advocado behandelt die Stiftung als Sonderfall, weil es nicht vergleichbar sein soll. Dieses Argument überzeugt bei näheren Überprüfung allerdings nicht. Es bleibt das Geheimnis der Stiftung, warum sie letztlich das Online-Portal aus Greifswald nicht in den Test aufgenommen hat.

Und so arbeitet das Mandantengewinnungsportal Advocado: In einer kostenlosen Ersteinschätzung klärt ein Partner-Rechtsanwalt über die Erfolgsaussichten und Rechtslage auf. Nur wenn anwaltlicher Beistand sinnvoll ist, erhält der Kunde ein Festpreisangebot, das alle Kosten und Leistungen auflistet. Advocado arbeitet mit mehr als 550 Partner-Anwälten zusammen. Das Feedback übermittelt der Partneranwalt nicht per E-Mail, sondern per Anruf. Im Telefonat erläutert er seine Einschätzung und offeriert ein Preisangebot, wenn er sich dem Fall weiterhin annehmen soll. 

Rechtsanwalt24.de:

  • Info zum Beratungsangebot: "befriedigend" (3,4)
  • Nutzerfreundlichkeit der Webseite: "befriedigend" (3,5)
  • AGB-Mängel: "sehr gering"
  • Mängel Datenschutz: "sehr gering"
  • Zahl der Anwälte: keine Angabe
  • Preis im Test: 89 Euro
  • Kurz-Kommentar Finanztest: Umfassende schriftliche Ersteinschätzung, aber nicht in allen Fällen erhalten

  

Recht24-7.de:

  • Info zum Beratungsangebot: "befriedigend" (3,0)
  • Nutzerfreundlichkeit der Webseite: "gut" (2,1)
  • AGB-Mängel: "keine"
  • Mängel Datenschutz: "deutlich"
  • Zahl der Anwälte: ca. 75
  • Preis im Test: Festpreis 119 Euro
  • Kurz-Kommentar Finanztest: Versprechen – Rechtsrat von spezialisierten Anwälten, Antworten im Test Rechtsassessorin ('Gehilfin im Amt‘)

AGB: Allgemeinen Geschäftsbedingungen

Die Musterfälle aus dem Miet- und Vertragsrecht

Die Stiftung Warentest hat sich viele Gedanken gemacht, in welcher Form sie die Online-Rechtsberatung überhaupt testen kann. Sie hat dafür fünf Fälle aus den unterschiedlichen Gebieten entwickelt. Konkret sind die Rechtsfälle aus dem Miet-, Vertrags-, Verkehrs-, Arbeits- und aus dem Bankenrecht. Die kurze Fallbeschreibung und die dazu passenden Fragen gingen an alle Online-Rechtsberatungen im Test. Anschließend beurteilten Experten der Stiftung mit juristischem Sachverstand die Antworten. Jeder der sieben Anbieter leistete sich mindestens einen Aussetzer bei den Antworten: "Zum Teil erteilten sie haarsträubende Ratschläge", heißt es im Test-Report. Und um diese Fallbeispiele ging es:

Testfall 1: Mietrecht

  • Der Fall: Es geht um die Nachforderung des Vermieters bei einer Nebenkostenabrechnung der Wohnung und zur richtigen Miethöhe.
  • Finanztest-Musterlösung: Die Antworten müssen auf eine mögliche fehlerhafte Abrechnung hinweisen und den Rat enthalten, die Nachzahlung nicht zu überweisen und stattdessen Einsicht in die Belege zu verlangen. Bei der Miethöhe geht es um einen Hinweis auf die Mietpreisbremse.
  • Die Antworten: Nur eine von sieben Erstkommentare war brauchbar.

Testfall 2: Vertragsrecht

  • Der Fall: Es geht um eine einseitige Preiserhöhung bei einem Festnetz-Internetvertrag. Frage: Besteht der Vertrag zum alten Preis fort?
  • Finanztest-Musterlösung: Einseitige Preiserhöhungen sind unwirksam, deshalb ist der Vertrag weiterhin gültig. Die Kundin sollte der Preiserhöhung widersprechen.
  • Die Antworten: Nur die Anwälte von JustAnswer, YourXpert und Frag-einen-Anwalt liegen mit ihrer Antwort richtig. 

Die Musterfälle aus dem Verkehrs- und Arbeitsrecht

Testfall 3: Verkehrsrecht

  • Der Fall: Es besteht der Verdacht auf Unfallflucht mit einem Mietwagen. Die Betroffene will wissen, wie sie sich gegenüber der Polizei verhalten soll und wer für die Schäden aufkommt.
  • Finanztest-Musterlösung: Unfallflucht ist eine Straftat, der Vorwurf ist ernst zu nehmen. Ein Strafverteidiger sollte den Unfall prüfen und Akteneinsicht nehmen. Die Kfz-Haftpflichtversicherung des Vermieters zahlt die Schäden, wenn keine Unfallflucht vorliegt.
  • Die Antworten: Die Antworten sind dünn. Recht24/7 rät der Frau, eine wahrheitsgemäße Aussage bei der Polizei zu machen, obwohl sie dazu nicht verpflichtet ist und Strafverteidiger davon abraten. Eigene Akteneinsicht wird vorgeschlagen, obwohl das so gut wie unmöglich ist. Die meisten Online-Beratungen empfehlen, einen Rechtsanwalt zu beauftragen. Nur vier Berater weisen darauf hin, dass im Falle der Unfallflucht der Schaden selbst zu bezahlen ist.

Testfall 4: Arbeitsrecht

  • Der Fall: Es geht um eine Kündigung in der Elternzeit. Der Aufhebungsvertrag soll mit drei Monats-Entgelten Abfindung abgegolten sein, ansonsten soll eine betriebsbedingte Kündigung folgen.
  • Finanztest-Musterlösung: Der Erfolg der Kündigungsdrohung ist unwahrscheinlich: Auch in der Elternzeit gilt der Kündigungsschutz. Der Aufhebungsvertrag ist ungünstig für die Betroffene. Wichtiger Hinweis auf das Arbeitslosengeld: Bei unterschriebenen Aufhebungsverträgen droht eine Sperre.
  • Die Antworten: Insgesamt gibt es keine hinreichenden und richtigen Antworten. Finanztest resümiert: "schlimmste Fehlleistung in diesem Fall."

Testfall 5: Bankenrecht

  • Der Fall: Als Alleinerbin soll eine Frau die Schulden von einem Kredit bezahlen. Die Forderung hat die Bank an einen Anwalt abgetreten. Die Erbin findet in den Unterlagen ihres verstorbenen Vaters keine Hinweise auf den Kredit. Wie soll die Frau auf das Anwaltsschreiben reagieren?  
  • Finanztest-Musterlösung: Die Forderung sollte die Frau - innerhalb einer Woche - zurückweisen und die Kreditunterlagen bei der Bank anfordern und prüfen. Die Berufung eines Nachlassverwalters durch das zuständige Amtsgericht kann eine Lösung sein.
  • Die Antworten: Vier Fallbearbeitungen (Juraforum, Recht24/7, Rechtsanwalt24, AnwaltOnline) sind entweder falsch oder unvollständig.

Den richtigen Anwalt finden

Das Fazit der Stiftung Warentest: Die Rechtsberatung per Mausklick ist mehr schlecht als recht. Eine Rechtsberatung im Internet kann zwar günstig sein, oftmals mangelt es aber an der Qualität der Antworten. Das sind die ernüchternden Ergebnisse. Eigentlich ist das Internet nur der Ort, um neue Mandanten im heiß umkämpften Markt der Rechtsanwälte zu akquirieren. Manchmal ist es dann doch besser, sich selbst auf die Suche zu machen, um den "Anwalt seines Vertrauens" zu finden. Bewertungen im Internet sind nicht besonders verlässlich.

Dich interessieren Produkt-Tests und du vertraust auf die Ergebnisse von Stiftung Warentest und Öko-Test? Dann findest du hier weitere Auswertungen, die für dich relevant sein könnten: