Gamification soll in der Pflege vermehrt eingesetzt werden, da sich einige Vorteile im Bereich der geistigen Gesundheit gezeigt haben. Wir stellen die Auswirkungen auf die kognitive Gesundheit vor.
- Gaming wirkt sich positiv auf das Gehirn aus
- Im Fokus stehen vor allem spezielle therapeutische Spiele
- Testverfahren laufen bereits in deutschen Altenheimen
Bewohner*innen von Seniorenheimen sollen ihre körperliche sowie geistige Fitness durch Videospiele verbessern. Dazu wurden nun spezielle Spielekonsolen hergestellt, die bereits in der Praxis eingesetzt werden. Im Folgenden fassen wir den aktuellen wissenschaftlichen Stand zusammen.
Gaming und die Auswirkungen auf das Gehirn
Die therapeutische Kraft von Videospielen und Gaming wurde lange Zeit unterschätzt. So ist Wissenschaftler*innen bereits seit vielen Jahren bekannt, dass sich die räumliche Orientierung, die Gedächtnisbildung, das strategische Denken sowie die Feinmotorik durch das Videospielen verbessern lassen. Das zeigt auch eine Studie des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung und der Psychiatrischen Universitätsklinik der Charité im St. Hedwig-Krankenhaus. Auch bei Menschen, die bereits älter als 70 Jahre sind, haben sich die relevanten Hirnareale durch das Gaming noch vergrößert. Gesellschaftsspiele waren in Alten- und Pflegeheimen schon immer beliebt. Sowohl als geistige Beschäftigung und für die feinmotorischen Fähigkeiten als auch um Gemeinschaften aufzubauen. Kartenspiele, Würfelspiele oder Ratespiele werden dabei gerne genutzt. Bundesweit werden bereits jetzt in vielen Pflegeeinrichtungen seniorengerechte Videospiele getestet. Ein Beispiel ist die Spielekonsole vom Start-up Retrobrain.
Alle Bewohner*innen erhalten dazu eine Karte mit einem QR-Code, anhand derer eine individuelle Spieleauswahl für sie getroffen wird. Schließlich gibt es auch einige Spiele, auf die verzichtet werden sollte. Beispielsweise ist es für einen Herzpatienten wenig sinnvoll, an einem digitalen Pingpong-Tisch zu schwitzen oder für einen Patienten mit Schlaganfall auf einem digitalen Postfahrrad Briefe auszutragen. Die vom Start-up hergestellte MemoreBox überträgt die Bewegung der Spielenden durch eine Kinect-Kamera direkt in das Spielgeschehen. Alle Spiele können sowohl sitzend als auch stehend durchgeführt werden. Fehlerzahlen oder Reaktionszeiten werden gespeichert und können vom Pflegepersonal analysiert werden. Dadurch haben die Spiele einen therapeutischen Mehrwert. Vorteilhaft ist an dieser Art von Gaming zudem, dass die Bewohner*innen sie alleine durchführen können. In Zeiten von Fachkräftemangel ist keine zusätzliche Betreuung notwendig.
Die Spiele sind optimal an das Alter der Patient*innen angepasst. Wer heute etwa 80 Jahre alt ist, hatte in den sechziger Jahren vermutlich die eigene "Höchstzeit". Daher werden im Hintergrund der Spiele beliebte Schlager aus dieser Zeit gespielt, wie zum Beispiel "Am Golf von Biskaya" von Freddy Quinn. Die Erklär-Stimme entspricht dabei akustisch dem Typ "sympathischer Schwiegersohn". Darüber hinaus soll der tägliche Umgang mit Videospielen auch dem Demenz-Prozess entgegenwirken. Dieser Frage sind Forschende am Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf nachgegangen: So hat sich einerseits die körperliche Bewegung bei der Behandlung und Vorbeugung von Demenz als hilfreich erwiesen, andererseits haben Videospiele einen Effekt auf die Hirnstruktur und führen zu einer Vergrößerung des Hippocampus. Wichtig ist dabei, dass die Spieler*innen eine dreidimensionale Vorstellung entwickeln, sich also in einem virtuellen Raum bewegen. Ob sie ihr Gehirn in einer virtuellen oder echten Umgebung trainieren, spielt keine Rolle, die Leistungsfähigkeit des Gedächtnisses nimmt zu.
Daddeln gegen Demenz
Gaming hat das Potenzial, zumindest den Ausbruch einer Alzheimer-Demenz zu verzögern. Das wäre ein Meilenstein im Kampf gegen die Krankheit, da pharmakologisch nach wie vor kaum Möglichkeiten bestehen. Momentan fehlt in deutschen Pflegeheimen häufig die Zeit, um sich mit den Senior*innen ausreichend zu beschäftigen und kognitive sowie körperliche Fähigkeiten zu fördern.
Durch eine Spielekonsole, wie beispielsweise die MemoreBox, geschieht dies auch ohne das Zutun von Pfleger*innen. In den Spielen werfen die Bewohner*innen Kugeln auf eine Kegelbahn oder tragen auf einem Fahrrad Briefe in einer virtuellen Stadt aus. Dabei macht man sich den natürlichen Spieltrieb des Menschen zunutze und kann auch für mehr Spaß und Freude im Alltag der Senior*innen sorgen.