Aus damals 800 Deutschen Mark Mietkaution entwickelte sich in knapp 60 Jahren an der Börse ein Wert von 115.000 Euro.
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Aus damals 800 Deutschen Mark Mietkaution entwickelte sich in knapp 60 Jahren an der Börse ein Wert von 115.000 Euro.
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Aus damals 800 Deutschen Mark Kaution in Aktien angelegt, entwickelten sich in 62 Jahren 115.000 Euro. Wie kann das sein und wem gehört die Mega-Summe: der Mieterin oder der Wohnungsgesellschaft?
Miet-Kaution ist in Form von Aktien nichts Ungewöhnliches
Anstatt 800 DM soll es jetzt 115.000 Euro geben
Wohnungsgesellschaft will nur 409,03 Euro zahlen
Neue Rechtslage des § 551 BGB ist anzuwenden
Aktien sind zu übertragen
Die Geschichte begann noch zu D-Mark-Zeiten. Jetzt, 60 Jahre später, verklagt eine Kölnerin ihre ehemalige Wohnungsgesellschaft wegen einer Kaution. Der Vermieter hatte den Betrag einvernehmlich in Aktien angelegt, die sich prächtig über die Jahrzehnte entwickelten. Und nach Ende des Mietvertrages das: Die Wohnungsgesellschaft will die Mega-Summe nicht auszahlen. Das Kölner Amtsgericht (AG) musste sich den spektakulären Fall vorknöpfen.
Miet-Kaution in Form von Aktien ist nichts Ungewöhnliches
Oft verlangen Vermietende bei der Anmietung einer Wohnung die Zahlung einer Kaution. Dies ist gesetzlich zulässig und dient der Sicherheit. Häufig entbrennt allerdings nach Beendigung des Mietverhältnisses eine Debatte über die Rückzahlung. Die Vermietenden dürfen die Kaution aber nicht einfach auf ihr eigenes Konto überweisen, sondern müssen sie für die Mietenden anlegen. Und zwar getrennt von dem eigenen Vermögen, damit das Geld im Falle eines Konkurses oder einer Zahlungsunfähigkeit nicht verloren geht.
Bevor du als Mieter* in zustimmst, dass die Mietsicherheit in Aktien oder Fonds fließt, solltest du dir darüber im Klaren sein, dass je nach Kursentwicklung nicht nur Erträge fließen, sondern auch die Kaution selbst auf dem Spiel stehen kann.
Ist das Mietverhältnis beendet, kannst du als Mieter*in die Rückgabe der Kaution verlangen, in diesem Fall die Aktien. Wenn sich deren Wert im günstigsten Fall in den letzten Jahren vervielfacht hat, ist ein Rechtsstreit vorprogrammiert. Genauso war das jetzt im Kölner Fall.
Anstatt 800 DM soll es jetzt 115.000 Euro geben
Das Gericht entschied, dass der Frau anstatt der ursprünglich Mietkaution von 800 DM jetzt die gigantische Summe von 115.000 Euro in Form von Aktien zusteht (Urteil vom 19.7.2022, Az.: 203 C 199/21).
Und das war die Geschichte: 1960 hatten die inzwischen verstorbenen Eltern der klagenden Frau eine Wohnung im rechtsrheinischen Köln gemietet, und zwar bei der GAG Immobilien AG, der größten Wohnungsgesellschaft der Stadt. Als Mietsicherheit vereinbarten beide Seiten die Zahlung einer Kaution in Höhe von 800 DM, die anschließend von der Wohnungsgesellschaft in eigene Aktien angelegt wurde. Eine extra treuhänderisch beauftragte Person verwaltete die Aktien.
Der Mietvertrag enthielt zudem eine Wahlrechtsklausel zugunsten der Wohnungsgesellschaft. Sie sollte nach Ende des Mietverhältnisses entscheiden, ob sie die Aktien ausgibt oder den Nennwert von 800 DM an die Mietenden auszahlt.
Wohnungsgesellschaft will nur 409,03 Euro zahlen
Im Jahr 2005 zogen die Eltern in eine andere Wohnung derselben Wohnungsgesellschaft. In dem neu abgeschlossenen Mietvertrag wurde erneut die Zahlung einer Kaution in Höhe von 409,03 Euro (das entspricht 800 DM) vereinbart.
Zudem einigten sie sich darüber, dass die Mietsicherheit von dem bisherigen Mietvertrag zu übertragen sei. Ab 2005 zahlte die Wohnungsgesellschaft dann vereinbarungsgemäß jährlich Geldbeträge aus, die sie mit der Miete verrechnete. Die Dividende, die die Gesellschaft präzise in den übersandten Steuerbescheinigungen verzeichnete, summierte sich bis 2017 auf fast 6.000 Euro brutto.
Nach dem Ende des Mietverhältnisses im Jahr 2018 verlangte die Tochter die Herausgabe der Aktien. Das lehnte die Wohnungsgesellschaft ab und berief sich auf das im ersten Mietvertrag vereinbarte Wahlrecht. Die Wohnungsgesellschaft zahlte nur die Kaution aus, und zwar in Höhe von 409,03 Euro.
Neue Rechtslage des § 551 BGB ist anzuwenden
Zu Unrecht, wie das AG Köln nun entschied. Das Gericht sprach der Frau 115.000 Euro in Aktien (Stand: Dezember 2021) zu. Als Begründung musste das Gericht in die Geschichte des Mietverhältnisses einsteigen.
Im Jahr 2005 hätten die Beteiligten einen völlig neuen Mietvertrag geschlossen. Darin sei das Wahlrecht der Wohnungsgesellschaft nicht mehr ausdrücklich vorgesehen. Deshalb sei zu vermuten, dass die alten Konditionen für die Kaution sich ebenso auf den neuen Mietvertrag fortschreiben sollten. Der Vermieter wähnte sich nach diesen Einlassungen des Gerichts schon auf der Siegerstraße. Doch weit gefehlt.
Denn das Gericht entdeckte einen Paragrafen, der dem widersprach. Die Wohnungsgesellschaft könne sich nicht auf das Wahlrecht berufen, da eine solche Vereinbarung wegen der Vorschrift des § 551 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) unwirksam sei.
Aktien sind zu übertragen
Diese Regelung sehe vor, dass die Erträge aus einer Kaution unabhängig von der gewählten Anlageform immer den Mietenden zustehen. Zu den Erträgen zählen die Aktien, nicht nur die ausgezahlten Dividenden, sondern ebenso etwaige Kursgewinne, so das AG Köln.
Die Tatsache, dass § 551 BGB im Jahr 1960 noch nicht existierte, führe zu keinem anderen Ergebnis. Da die Beteiligten den Übertrag der Mietsicherheit vereinbart hätten, käme es allein auf den Zeitpunkt des neuen Vertragsschlusses an. Im Jahr 2005, zum Zeitpunkt des neuen Vertrags, existierte § 551 BGB jedoch bereits.
Daher müsse sich die Frau nicht mit der Auszahlung der 409,03 Euro begnügen, sondern könne auch die Herausgabe der Aktien verlangen. Diese hatten zum Zeitpunkt der Klageerhebung einen Kurswert von 115.000 Euro. Bisher ist das Urteil des AG Köln noch nicht rechtskräftig. Es bleibt daher abzuwarten, ob die Wohnungsgesellschaft gegen die Entscheidung Berufung einlegt, was zu erwarten ist.
Fazit
Wieder einmal bewahrheitet sich die Volksweisheit: "Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand". Es war wirklich nicht zu erwarten, dass das Kölner Gericht einen Dreh findet, um das Aktienpaket der Mieterin zuzusprechen. Wie diese schöne Gerichts-Geschichte endet, bleibt abzuwarten.
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