Der "Pawlowsche Hund" ist ein Experiment des Physiologen und Mediziners Iwan Pawlow, welcher den in der Psychologie noch heute bedeutsamen Begriff der klassischen Konditionierung prägte.
Kurzbiografie: Iwan Pawlow
Der Pawlowsche Hund
Die Ergebnisse des Experiments
Die Bedeutung für die Psychologie
Den Begriff der Konditionierung hat sicherlich jeder schon einmal gehört; doch was genau die "klassische Konditionierung" meint, ist nicht unbedingt bekannt. Das Konzept wurde von Iwan Pawlow geprägt und geht auf sein Experiment zurück, das auch als der "Pawlowsche Hund" bekannt wurde.
Kurzbiografie: Das musst du zu Iwan Pawlow wissen
Der russische Mediziner und PhysiologeIwan Petrowitsch Pawlow wurde im Jahr 1849 geboren. Sein Leben sowie seine Schulzeit verbrachte er daraufhin in seinem Geburtsort Rjasan. Er schätze es dabei besonders, die Möglichkeit zu haben, auch seinen persönlichen Interessen Aufmerksamkeit zu schenken.
Unter Einfluss der zeitgenössischen Denker und Wissenschaftler wandte sich sein Interesse der Naturwissenschaft zu. Um sein Wissen auszubauen, studierte er zunächst an der Universität St. Petersburg, wechselte dann als Professor an die Kaiserliche Militärmedizinische Akademie. Im Jahre 1883 promovierte Pawlow zum Doktor der Naturwissenschaften.
Seine Forschung war sehr vielseitig. Er machte bemerkenswerte Fortschritte in Bezug auf die Physiologie des Herzens, des Nerven- und des Verdauungssystems. Einen großen Durchbruch erlangte er vor allem durch seine Verhaltungsforschung: Er war der Auffassung, dass jegliches menschliches Verhalten von Reflexen abhänge. Diese These untersuchte er in dem berühmten Experiment des "Pawlowschen Hundes", welches anschließend zur Ausreifung seiner Theorie der klassischen Konditionierung beitrug.
Der Pawlowsche Hund: Pawlows Durchbruch
Pawlows Studie begann damit, dass er die Verdauungsabläufe bei Hunden untersuchte. Schon bald richtete sich sein Interesse jedoch auf den Speichelreflex des Hundes: Ab 1889 legte er seinen Schwerpunkt darauf, zu beobachten, wie sich der Speichelreflex konditionieren lässt.
Dass das Tier Speichel- und Magensaft beim Anblick des Futters absondert, ist den meisten Menschen bekannt. Während seiner vorherigen Versuche war Pawlow jedoch aufgefallen, dass der Speichelausfluss bereits dann einsetze, wenn das Tier nur seine Schritte hörte. Er vermutete, dass dies daran lag, dass es das Geräusch der Schritte bereits mit dem Futter verband. Dieses Signal war gewohnheitsmäßig und fest mit der Nahrungszunahme verkoppelt, sodass der Speichel bereits dann zu fließen begann.
Der automatische Speichelausfluss, der dann beginnt, wenn der Hund das Futter sieht oder riecht, nannte er den unbedingten beziehungsweise unkonditionierten Reflex. Diese Reaktion ist dabei ganz natürlich und zwanghaft; sie benötigt also keinen zusätzlichen Reiz. Das Futter selbst fungiert als unkonditionierter Stimulus oder auch unkonditionierter Reiz.
Der bedingte oder konditionierte Reflex
Der bedingte oder auch konditionierte Reflex meint im Gegensatz dazu eine Koppelung von einem neuen Reiz beziehungsweise Stimulus mit derselben Reaktion: Die Reaktion wird "erlernt". Jedes Mal, bevor der Hund sein Futter erhielt, klingelte er mit einem Glöckchen. Nach einigen Durchführungen ließ sich beobachten, dass der Speichelausfluss des Hundes als konditionierter Reflex bereits beim Glockenton einsetzte.
Klingeln der Glocke (neutraler Reiz) => keine Reaktion
Nach der Konditionierung
Klingeln der Glocke (konditionierter Stimulus) => Reaktion (Speichelfluss, konditionierte Reaktion)
Die Erkenntnisse Pawlows
Das Prinzip der Konditionierung, die Pawlow bei dem Hund feststellen konnte, führte dazu, dass er dieses Phänomen auch auf das menschliche Verhalten übertrug: nicht nur tierisches, sondern auch menschliches Verhalten sollte durch das Experiment verständlicher gemacht werden. Vor allem für das Verstehen und die Entwicklung von Lernprozessen ist die Konditionierung eine sehr wichtige Grundlage.
Die Erkenntnis, dass selbst neutrale Reize so verkuppelt werden können, dass sie eine konditionierte Reaktion hervorrufen, war revolutionär. Die Basis der Reiz-Reaktions-Theorie sind dabei die angeborenen, unkonditionierten Verhaltensweisen. Jedoch ist hier auch eine gewisse Kontiguität der Reize erforderlich: Es kann nur zu einer Konditionierung kommen, wenn diese zeitlich nahe beieinander liegen. Vergeht ein längeres Zeitintervall zwischen einem neutralen Reiz und der unkonditionierten Reaktion, ist eine Verknüpfung dieser nur erschwert oder gar nicht möglich. Eine stabile und anhaltende Konditionierung ist laut des Pawlowschen Experiments auch nur dann möglich, wenn während des Prozesses der neutrale Stimulus auch zeitlich vor dem des konditionierten Stimulus auftritt.
Beispiel: erst Klingeln der Glocke (neutraler Stimulus), dann Futter (unkonditionierter Stimulus) -> Reaktion (Speichelfluss, unkonditionierte Reaktion). Auch das Phänomen der Extinktion war für Pawlow bemerkenswert: wurde eine Reaktion konditioniert, bedeutet dies nicht automatisch, dass diese auch auf Dauer fortbesteht. Mit der Extinktion ist eine Art "Auslöschung" des konditionierten Reiz-Reaktions-Verhaltens gemeint: Wird der neutrale Reiz nicht von Zeit zu Zeit wieder an den unkonditionierten Reiz gekoppelt, findet auch die konditionierte Reaktion nicht mehr statt. Klingelte er also in einigen Intervallen die Glocke, ohne danach Futter bereitzustellen, hörte auch der Speichelfluss als konditionierte Reaktion auf. Mit der Generalisierung beschrieb Pawlow das Phänomen, das auftrat, wenn er andere Glöckchen klingelte: Hörte der Hund einen Stimulus, der ähnlich dem neutralen Stimulus war, trat die konditionierte Reaktion ebenfalls auf. Die Stimuli wurden also von dem Hund so generalisiert, dass sie dieselbe Reaktion hervorriefen.
Die Bedeutung des Experimentes
Das Experiment des Pawlowschen Hundes ist heute sehr bekannt und von großer Bedeutung für die Psychologie. Die Erkenntnisse lassen sich gut auf die menschlichen Verhaltensweisen übertragen: vor allem Verhaltensstörungen oder menschliche Angstreaktionen können oftmals sehr gut mithilfe des Modells der klassischen Konditionierung erklärt werden.
Ein Beispiel kann dies verdeutlichen: John B. Watson, ein amerikanischer Psychologe, versuchte, eine Angstreaktion bei einem 11 Monate alten Jungen zu konditionieren. Das Experiment ist auch als Little-Albert-Experiment bekannt und wurde im Jahr 1920 durchgeführt. Dem Kind wurde eine weiße Maus gezeigt, welche als neutraler Stimulus zunächst keine Reaktion auslöste. Anschließend kombinierte der Psychologe das Zeigen der Maus mit einem darauf folgenden lauten Knall als unkonditionierten Stimulus, der als unkonditionierte Reaktion einen Schreck und Weinen bei dem Jungen auslöste. Nach einiger Wiederholung war die Konditionierung so stark verankert, dass eine Generalisierung stattfand: Als der Junge älter war, zeigte er eine Angst vor vielen verschiedenen Pelztieren und zum Teil sogar vor Männern mit einem Bart.
Uwe Wawrinowski beschrieb in seinem Buch der Beobachtungslehre, dass es mithilfe der klassischen Konditionierung auch möglich sei, erwünschtes oder unerwünschtes Verhalten bei Menschen zu bewirken. Als pädagogische Methode folgerte er, dass erwünschtes Verhalten mit einer belohnenden, erfreulichen Reaktion verbunden werden sollte. Umgekehrt kann unerwünschtes Verhalten unterbunden werden, indem es mit einem unerfreulichen Ereignis oder einem Verbot verknüpft wird.
Fazit
Der Fakt, dass das Experiment auf Grundlage der Reaktionen von Hunden beruht, lässt die Frage offen, inwiefern die Ergebnisse überhaupt auf den Menschen übertragbar sind. In der Kritik steht hierbei vor allem, dass die Komplexität des menschlichen Hirns sowie alle Denkprozesse gar nicht beziehungsweise nur sehr stark vereinfacht dargestellt werden. Zudem zieht die Konditionierung eine Gefahr mit sich: Erzieher oder andere Autoritätspersonen könnten das Prinzip zu ihrer Gunsten missbrauchen.
Mit den Erkenntnissen Pawlows wurde ein Meilenstein für die Psychologie gelegt. Viele weitere Lerntheorien, Angsterklärungstheorien oder Verhaltensstörungserklärungen beruhen auf dem Basiskonzept der klassischen Konditionierung.