Der wilde Sturmritt will gelernt sein

3 Min
Foto: Volker Danzer/www.dvfoto.de
Foto: Volker Danzer/www.dvfoto.de
Wie eine sanfte Peitsche streicht das Seil über Wanatas Haut - das kitzelt! Trotzdem bleibt der Wallach ganz entspannt und wartet, was sich Yvonne sonst noch so für die Trainingsstunde ausgedacht hat.
Wie eine sanfte Peitsche streicht das Seil über Wanatas Haut - das kitzelt! Trotzdem bleibt der Wallach ganz entspannt und wartet, was sich Yvonne sonst noch so für die Trainingsstunde ausgedacht hat.
 
Wanata reicht's: Während Yvonne mit ihrem Schwert lächelt, bleckt das American Quarter Horse schon die Zunge.
Wanata reicht's: Während Yvonne mit ihrem Schwert lächelt, bleckt das American Quarter Horse schon die Zunge.
 
Zu Beginn des Tütenstock-Trainings darf Wanata erst einmal ausführlich schnuppern...
Zu Beginn des Tütenstock-Trainings darf Wanata erst einmal ausführlich schnuppern...
 
In Kombination mit Wind kann ein Tütenstock ganz schön beängstigend sein.
In Kombination mit Wind kann ein Tütenstock ganz schön beängstigend sein.
 
Dank der sanften Worte seiner "Chefin" Yvonne hat sich Wanata aber ganz schnell wieder beruhigt.
Dank der sanften Worte seiner "Chefin" Yvonne hat sich Wanata aber ganz schnell wieder beruhigt.
 
Tütenstock schön und gut, denkt sich Wanata...
Tütenstock schön und gut, denkt sich Wanata...
 
Aber muss Yvonne ihm gleich die Plastikmütze aufsetzen?
Aber muss Yvonne ihm gleich die Plastikmütze aufsetzen?
 
Bodenarbeit: Ob im Trab rechtsherum....
Bodenarbeit: Ob im Trab rechtsherum....
 
Auch wenn das Seil unkontrolliert durch die Luft fliegt, bleibt Wanata ganz ruhig. Gespannt wartet er darauf, wo die sanfte Peitsche ihn wohl treffen mag...
Auch wenn das Seil unkontrolliert durch die Luft fliegt, bleibt Wanata ganz ruhig. Gespannt wartet er darauf, wo die sanfte Peitsche ihn wohl treffen mag...
 
So ein Tütenstopck kann ganz schön zärtlich sein - wenn Yvonne ihn in der Hand hält.
So ein Tütenstopck kann ganz schön zärtlich sein - wenn Yvonne ihn in der Hand hält.
 
Zwei, die sich verstehen: Wanata kuschelt zärtlich mit seiner Pferdeflüsterin Yvonne Göbel. Fotos: Julia Volkamer
Zwei, die sich verstehen: Wanata kuschelt zärtlich mit seiner Pferdeflüsterin Yvonne Göbel.  Fotos: Julia Volkamer
 
Keine Angst vor wehendem Plastik: Beim Tütentraining ist Wanata nicht mehr ängstlich, sondern neugierig.
Keine Angst vor wehendem Plastik: Beim Tütentraining ist Wanata nicht mehr ängstlich, sondern neugierig.
 
Aufmerksam, aber nicht ängstlich: Wanata stellt beim Flattern der Tüte am Stock die Ohren, Yvonne spricht ihm mit sanften Worten gut zu.
Aufmerksam, aber nicht ängstlich: Wanata stellt beim Flattern der Tüte am Stock die Ohren, Yvonne spricht ihm mit sanften Worten gut zu.
 
... oder links herum, bis ein Pferd alle Gangarten so diszipliniert beherrscht dauert es schon seine Zeit.
... oder links herum, bis ein Pferd alle Gangarten so diszipliniert beherrscht dauert es schon seine Zeit.
 
Viel Geduld und Einfühlungsvermögen sind nötig, bis ein Pferd dem Reiter bedingungslos gehorcht - und auf Kommando die verschiedenen Gangarten in sämtliche Richtungen geht.
Viel Geduld und Einfühlungsvermögen sind nötig, bis ein Pferd dem Reiter bedingungslos gehorcht - und auf Kommando die verschiedenen Gangarten in sämtliche Richtungen geht.
 
Die Bodenarbeit fordert nicht nur das Pferd, sondern auch den Reiter.
Die Bodenarbeit fordert nicht nur das Pferd, sondern auch den Reiter.
 
Macht sich Yvonne klein, kommt Wanata erwartungsvoll auf sie zu.
Macht sich Yvonne klein, kommt Wanata erwartungsvoll auf sie zu.
 
Wer ist hier der Boss? Macht sich Yvonne groß, weicht Wanata sofort respektvoll zurück.
Wer ist hier der Boss? Macht sich Yvonne groß, weicht Wanata sofort respektvoll zurück.
 
Haben ihre Rollen bei den Florian-Geyer-Spielen gefunden: Yvonne Göbel spielt die kämpferische Berta von Bruneck, ihr Wallach Wanata übt Zurückhaltung und hat einen stehenden Part.
Haben ihre Rollen bei den Florian-Geyer-Spielen gefunden: Yvonne Göbel spielt die kämpferische Berta von Bruneck, ihr Wallach Wanata übt Zurückhaltung und hat einen stehenden Part.
 
Ein glückliches Leben: Unter vielen anderen Pferden lebt Wanata auf der LTS-Western-Reitanlage zwischen Marktbreit und Ochsenfurt. Nach dem Training wartet er (hinten rechts) schon darauf, dass Yvonne ihm noch etwas Leckeres zum Knabbern bringt.
Ein glückliches Leben: Unter vielen anderen Pferden lebt Wanata auf der LTS-Western-Reitanlage zwischen Marktbreit und Ochsenfurt. Nach dem Training wartet er (hinten rechts) schon darauf, dass Yvonne ihm noch etwas Leckeres zum Knabbern bringt.
 
Irgendwann hat auch das geduldigste Pferd genug vom Fotoshooting: Wanata bleckt die Zunge und will lieber wieder auf seine Weide.
Irgendwann hat auch das geduldigste Pferd genug vom Fotoshooting: Wanata bleckt die Zunge und will lieber wieder auf seine Weide.
 

Bis Reiter und Pferd für das Gebrüll und Getöse bei den Florian-Geyer-Spielen gewappnet sind, braucht es viel Ruhe und Geduld.

E s sind mindestens zehn, vielleicht sogar fünfzehn Mann, sie haben Dreck im Gesicht, fuchteln wild mit Mistgabeln, Schaufeln und lodernden Fackeln in ihren schmutzigen Händen. Mit ohrenbetäubendem Gebrüll stürzen sie durch das Tor, das auf die Bühne führt. So mancher Zuschauer zuckt erschrocken zusammen - "Rosie" dagegen bleibt ganz entspannt. Mit aufmerksam gestellten Ohren und im vollen Galopp prescht sie in der Meute mit. Ihr Reiter ist Florian Geyer, Wortführer des fränkischen Bauernaufstands im Jahr 1525, und er wirft so manchem Widersacher sein klingendes Schwert entgegen.

Das alles beeindruckt "Rosie" überhaupt nicht. Sie kennt das Tohuwabohu, das die Schauspieler veranstalten, jedes Jahr aufs Neue, an drei Wochenenden auf den Gelände, wo einst das Geyer-Schloss in Giebelstadt stand. Auf der Bühne ist sie schon ein alter Hase - auch wenn "Rosie" eigentlich ein Pferd ist.
Und zwar ein American Quarter Horse, eine Rasse, die schon von den Cowboys im Wilden Westen bevorzugt wurde und damit scheinbar prädestiniert ist für kühne Verfolgungsjagden. Allerdings gibt es, wie bei den Menschen, auch unter den Pferden solche und solche. Während "Rosie" nach ihrem Auftritt am liebsten gleich wieder auf die Bühne galoppieren würde, käme ein solcher Sturmritt für "Wanata" nicht in Frage.
Dabei hat auch das neun Jahre alte Quarter Horse schon des Öfteren auf der Florian-Geyer-Bühne gestanden. Aber: "Es ist nicht jedes Pferd für alles geeignet", weiß Yvonne Göbel. Zärtlich krault sie ihrem Schützling die Stirn, er schnaubt zufrieden. "Der Charakter des Pferdes ist sehr wichtig." Und "Wanata" scheint nicht der geborene Draufgänger zu sein. In seinem ersten Jahr mit Florian Geyer sollte er den Sturm mitreiten - das war zu viel für den schwarz gesprenkelten Wallach. Er ging durch, sauste entnervt von der Bühne. Vor fünf Jahren war das, und seitdem arbeitet Yvonne daran, ihm die Angst zu nehmen. Seither hat "Wanata" eher stehende Rollen - doch auch das musste er erst lernen.

Ganz am Anfang hieß es, Vertrauen zu dem damals Dreijährigen aufzubauen. "Ich habe dann gemerkt, dass er nicht mehr gegen mich kämpft, dass er mich als Boss akzeptiert." Danach begann die 31-Jährige mit Bodenarbeit, ließ ihn im Kreis Schritt gehen, traben, galoppieren, links herum, rechts herum, immer wieder. "Zudem war ich viel im Gelände unterwegs, das stärkt den Charakter", weiß Yvonne Göbel, die so viele Stunden bei "Wanata" verbringt wie es ihr Beruf als Mechatronikerin zulässt. Geräusche, unerwartete Bewegungen, allein ein Windstoß, eine Pfütze oder ein aufgeschreckter Vogel konnten ihn schon aus der Fassung bringen.
Inzwischen ist das Duo beim Tütenstock-Training angelangt: Am Ende eines Holzstockes hängt eine Plastiktüte, die sich bewegt, raschelt und mit einem Luftzug die Richtung ändert - alles kein Problem mehr für "Wanata". Vom Sturmlauf bei den Florian-Geyer-Spielen 2017 ist er aber trotzdem noch weit entfernt. "Man kann die Tiere schon formen", weiß Yvonne. "Übers Knie brechen darf man aber nichts."
Dieser Ansicht ist auch Iris von Crailsheim. Die Vorsitzende des Kitzinger Tierschutzvereins ist Pferdekennerin und setzt bezüglich der Geyer-Spiele voll auf die Pferdehalter. "Voraussetzen sollte man, dass die Reiter gut ausgebildet und auch die Pferde ausbildungs- und konditionsmäßig der Aufgabe gewachsen sind", erklärt sie. "Den Tieren darf nicht aus Unwissenheit oder Gleichgültigkeit zu viel zugemutet oder grob mit ihnen umgegangen werden."

Das kann Yvonne Göbel im Namen aller Florian-Geyer-Reiter garantieren. So wird "Wanata" in diesem Jahr wieder dabei sein und eine Rolle im Stehen übernehmen. "Das können auch nicht alle Pferde." Diese Herausforderung wird er locker meistern, genauso, wie Yvonne ihre Rolle als Berta von Bruneck mit Leib und Seele spielt. Vom Kampfbauer über die "Standardleiche" bis hin zur widerspenstigen Prinzessin hat sie schon die verschiedensten Charaktere verkörpert - die Bruneckerin hat es ihr aber besonders angetan. "Sie reitet, kämpft, hat Text - das macht mir einfach Spaß." Scheinbar hat sie ihre Paraderolle gefunden, wie auch "Wanata" seinen Part. "Jeder soll das machen, was am besten zu ihm passt", ist Yvonnes Motto. Es gilt sowohl für sie selbst als auch für ihren vierbeinigen Liebling.


INFO:

Florian-Geyer-Spiele: Sie finden jedes Jahr im Juli auf der Freilichtbühne in Giebelstadt statt, wo einst das Geyer-Schloss stand. Seit 1990 widmet sich der holländische Schauspieler und Regisseur Renier Baaken der Arbeit am Geyer-Stück, das bis vor einem Jahr als "Florian Geyer - der Rebell" aufgeführt wurde. Zusammen mit Co-Regisseurin Sabine Schnurrer hat er den Einteiler in drei in sich abgeschlossene Episoden aufgeteilt.
2016 feierte der erste Teil "Franken in Flammen" Premiere. In diesem Jahr zeigt das Ensemble, das schon seit vielen Jahren zusammenspielt, die Fortsetzung "Die Macht des Blutes". 2018 soll der dritte Teil uraufgeführt werden.

Termine: Die Vorführungen finden am 14. und 15., 21. und 22. sowie 28. und 29. Juli jeweils um 20.30 Uhr statt, Karten gibt es unter Tel. 0180/6050400 oder bei Schreibwaren Krenkel, Tel. 09334/397, sowie an der Abendkasse ab 18 Uhr.

Info auf der Homepage unter www.florian-geyer-spiele.de ljr