Bis Reiter und Pferd für das Gebrüll und Getöse bei den Florian-Geyer-Spielen gewappnet sind, braucht es viel Ruhe und Geduld.
E s sind mindestens zehn, vielleicht sogar fünfzehn Mann, sie haben Dreck im Gesicht, fuchteln wild mit Mistgabeln, Schaufeln und lodernden Fackeln in ihren schmutzigen Händen. Mit ohrenbetäubendem Gebrüll stürzen sie durch das Tor, das auf die Bühne führt. So mancher Zuschauer zuckt erschrocken zusammen - "Rosie" dagegen bleibt ganz entspannt. Mit aufmerksam gestellten Ohren und im vollen Galopp prescht sie in der Meute mit. Ihr Reiter ist Florian Geyer, Wortführer des fränkischen Bauernaufstands im Jahr 1525, und er wirft so manchem Widersacher sein klingendes Schwert entgegen.
Das alles beeindruckt "Rosie" überhaupt nicht. Sie kennt das Tohuwabohu, das die Schauspieler veranstalten, jedes Jahr aufs Neue, an drei Wochenenden auf den Gelände, wo einst das Geyer-Schloss in Giebelstadt stand. Auf der Bühne ist sie schon ein alter Hase - auch wenn "Rosie" eigentlich ein Pferd ist.
Und zwar ein American Quarter Horse, eine Rasse, die schon von den Cowboys im Wilden Westen bevorzugt wurde und damit scheinbar prädestiniert ist für kühne Verfolgungsjagden. Allerdings gibt es, wie bei den Menschen, auch unter den Pferden solche und solche. Während "Rosie" nach ihrem Auftritt am liebsten gleich wieder auf die Bühne galoppieren würde, käme ein solcher Sturmritt für "Wanata" nicht in Frage.
Dabei hat auch das neun Jahre alte Quarter Horse schon des Öfteren auf der Florian-Geyer-Bühne gestanden. Aber: "Es ist nicht jedes Pferd für alles geeignet", weiß Yvonne Göbel. Zärtlich krault sie ihrem Schützling die Stirn, er schnaubt zufrieden. "Der Charakter des Pferdes ist sehr wichtig." Und "Wanata" scheint nicht der geborene Draufgänger zu sein. In seinem ersten Jahr mit Florian Geyer sollte er den Sturm mitreiten - das war zu viel für den schwarz gesprenkelten Wallach. Er ging durch, sauste entnervt von der Bühne. Vor fünf Jahren war das, und seitdem arbeitet Yvonne daran, ihm die Angst zu nehmen. Seither hat "Wanata" eher stehende Rollen - doch auch das musste er erst lernen.
Ganz am Anfang hieß es, Vertrauen zu dem damals Dreijährigen aufzubauen. "Ich habe dann gemerkt, dass er nicht mehr gegen mich kämpft, dass er mich als Boss akzeptiert." Danach begann die 31-Jährige mit Bodenarbeit, ließ ihn im Kreis Schritt gehen, traben, galoppieren, links herum, rechts herum, immer wieder. "Zudem war ich viel im Gelände unterwegs, das stärkt den Charakter", weiß Yvonne Göbel, die so viele Stunden bei "Wanata" verbringt wie es ihr Beruf als Mechatronikerin zulässt. Geräusche, unerwartete Bewegungen, allein ein Windstoß, eine Pfütze oder ein aufgeschreckter Vogel konnten ihn schon aus der Fassung bringen.
Inzwischen ist das Duo beim Tütenstock-Training angelangt: Am Ende eines Holzstockes hängt eine Plastiktüte, die sich bewegt, raschelt und mit einem Luftzug die Richtung ändert - alles kein Problem mehr für "Wanata". Vom Sturmlauf bei den Florian-Geyer-Spielen 2017 ist er aber trotzdem noch weit entfernt. "Man kann die Tiere schon formen", weiß Yvonne. "Übers Knie brechen darf man aber nichts."
Dieser Ansicht ist auch Iris von Crailsheim. Die Vorsitzende des Kitzinger Tierschutzvereins ist Pferdekennerin und setzt bezüglich der Geyer-Spiele voll auf die Pferdehalter. "Voraussetzen sollte man, dass die Reiter gut ausgebildet und auch die Pferde ausbildungs- und konditionsmäßig der Aufgabe gewachsen sind", erklärt sie. "Den Tieren darf nicht aus Unwissenheit oder Gleichgültigkeit zu viel zugemutet oder grob mit ihnen umgegangen werden."
Das kann Yvonne Göbel im Namen aller Florian-Geyer-Reiter garantieren. So wird "Wanata" in diesem Jahr wieder dabei sein und eine Rolle im Stehen übernehmen. "Das können auch nicht alle Pferde." Diese Herausforderung wird er locker meistern, genauso, wie Yvonne ihre Rolle als Berta von Bruneck mit Leib und Seele spielt. Vom Kampfbauer über die "Standardleiche" bis hin zur widerspenstigen Prinzessin hat sie schon die verschiedensten Charaktere verkörpert - die Bruneckerin hat es ihr aber besonders angetan. "Sie reitet, kämpft, hat Text - das macht mir einfach Spaß." Scheinbar hat sie ihre Paraderolle gefunden, wie auch "Wanata" seinen Part. "Jeder soll das machen, was am besten zu ihm passt", ist Yvonnes Motto. Es gilt sowohl für sie selbst als auch für ihren vierbeinigen Liebling.
INFO:
Florian-Geyer-Spiele: Sie finden jedes Jahr im Juli auf der Freilichtbühne in Giebelstadt statt, wo einst das Geyer-Schloss stand. Seit 1990 widmet sich der holländische Schauspieler und Regisseur Renier Baaken der Arbeit am Geyer-Stück, das bis vor einem Jahr als "Florian Geyer - der Rebell" aufgeführt wurde. Zusammen mit Co-Regisseurin Sabine Schnurrer hat er den Einteiler in drei in sich abgeschlossene Episoden aufgeteilt.
2016 feierte der erste Teil "Franken in Flammen" Premiere. In diesem Jahr zeigt das Ensemble, das schon seit vielen Jahren zusammenspielt, die Fortsetzung "Die Macht des Blutes". 2018 soll der dritte Teil uraufgeführt werden.
Termine: Die Vorführungen finden am 14. und 15., 21. und 22. sowie 28. und 29. Juli jeweils um 20.30 Uhr statt, Karten gibt es unter Tel. 0180/6050400 oder bei Schreibwaren Krenkel, Tel. 09334/397, sowie an der Abendkasse ab 18 Uhr.
Info auf der Homepage unter www.florian-geyer-spiele.de
ljr