Für Johannes Morhard ist die Unterwallenstadter Bartholomäuskapelle ein heimeliger Ort. Das Besondere hier ist die Beziehung des Gebäudes zu seiner Umgebung und zu einer rührigen Dorfgemeinschaft.
Die Worte, mit denen Johannes Morhard den Charme seines Lieblingsplatzes beschreibt, fügen sich zu einem Reim: "Ein heimeliger Ort. Kleine Häuser umringen den Lindenplatz, hüten die Kapelle wie ihren Schatz." Die Sicht des Lichtenfelsers auf seinen Lieblingsplatz ist eine vielfältige. Voller Tiefen, Bezüge und Zugänge. Das alles wird deutlich, wenn der Architekt Morhard über die Bartholomäuskapelle im Lichtenfelser Ortsteil Unterwallenstadt spricht.
Es gibt ein Innen und ein Außen. Der Ort ist betretbar. Was Menschen dort drinnen im Laufe der Jahrhunderte stoßgeseufzt, erfleht, erbeten und mit einem Höheren abgemacht haben, führt in ihr Inneres. Das, was sie dabei beschirmt und umgibt, führt zur Dorfgemeinschaft. Die Kapelle thront auf einer Anhöhe des Lindenplatzes. Dem widmen die Unterwallenstadter alljährlich ein Fest.
Der Vorstellung, dass ein Ort eine eigene Seele besitzen kann, steht der Architekt nahe. Sogar sehr. Er verweist dabei auf den japanischen Architekten Tadao Ando, der einen Konferenzpavillon erbaute und dabei dem Beton die Asche angrenzender Kirschbäume beimischte.
"Wenn Gebäude aus dem Nutzen, aus dem Ort heraus entwickelt werden, haben sie eine Seele, wenn der Mensch im Mittelpunkt steht und der Architekt danach plant, hat der Raum eine Seele", ist sich Morhard sicher. Von Kindesbeinen an kennt er die Kapelle. Als Kind fuhr er, der am anderen Ende von Lichtenfels aufwuchs, mit dem Fahrrad an ihr vorbei, wenn er zum Baggersee wollte. Das war Kindheit.
Im Erwachsenenalter begegnete er der Kapelle noch mal und anders: Im Archiv des Erzbistums Bamberg durch handschriftliche Notizen, durch alte Rechnungen früherer Renovierungen. Für sakrale Bauwerke hatte er schon als Kind etwas übrig.
"Meine Eltern zeigten mir und meinen Geschwistern immer im Urlaub die jeweiligen Kirchen."
Mehr als steinerne Funktion Nicht bloß Steine, nicht nur Funktion - ein Gebäude ist ein Gegenüber, mit dem sich Mitleid empfinden lässt. "Wenn es falsch verstanden, falsch gebaut wird", wie der Architekt sagt. Es ist ihm auch gegeben, einem Bauwerk gegenüber ein Gewissen aufzubringen. Ein schlechtes sogar, "wenn man aus wirtschaftlichen Gründen ein Detail nicht so ausführen kann, wie man es am besten möchte".
Im Auftrag des Kapellenerhaltungsvereins kam er der Kapelle und ihrem Wesen sehr nahe. Er stieg ihr sogar aufs Dach. Renovierung, Restaurierung, Altehrwürdiges und neuer Ausdruck. Von Kindesbeinen an kennt er dieses Gotteshaus.
Als besonders würdig empfindet der 41-Jährige dabei, dass die jahrhundertealte Sandsteinplatte des Nebenaltars als neuer Volksaltar ihr Weihevolles behält. Es ist nach den Umbauarbeiten licht und hell geworden in der Kapelle, die an das Martyrium des Apostels Bartholomäus erinnert. Das Deckenfresko ist gewiss nicht von einem Tiepolo oder einem Michelangelo, es wirkt weit ungelenker und die Proportionen sind etwas schief. Körper und Gesichter zeigen unterschiedliche malerische Klasse. Ob womöglich zwei Maler am Werk waren? Möglich, räumt Morhard ein. Und lächelt.
Die Kapelle ist wohl tatsächlich mehr als "nur" ein Gotteshaus. Sie ist der Ort, um den sich herum eine Gemeinschaft angesiedelt hat, um dort zu wachsen. Unter den Linden am Brunnen, kurz vor der Eisenbahnbrücke und dem Main.
"Die Menschen dort pflegen die Gemeinschaft, ihre Freundschaften, man wird immer herzlich empfangen", weiß Morhard.
Als ob der Ort für sich selbst steht, als ein Dorf, unberührt vom Fortschritt und von den Problemen der Moderne, empfindet er. Und eben das macht die Seele dieses Lieblingsplatzes aus. Das, was aus der Gemeinschaft, der Architektur, der Geschichte und dem Ort ins jeweils andere freundlich hinüberspielt. Er, der in Schney wohnt, hat "ein Zuhausegefühl" in der Kapelle oder am Lindenfest entwickelt. "Ich würde dort gerne meine Kinder aufwachsen sehen", sagt der zweifache Vater. Nach der Geburt seiner Tochter Anna machte die Familie den ersten längeren Kinderwagenspaziergang zum Lindenfest.