Norbert Düring aus Münnerstadt - Pilger oder Wanderer?

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Norbert DüringFoto: Natalie Schalk
Norbert DüringFoto: Natalie Schalk

Zu Fuß durch Deutschland: Wie Norbert Düring aus Münnerstadt erkunden viele ihr Heimatland auf Wander- und Pilgertouren.

Einige tun es mehrmals im Monat. Andere nur gelegentlich. Aber jeder zweite Deutsche wandert. Einem Forschungsbericht des Wirtschaftsministeriums zufolge ist Wandern die Freizeitaktivität der Deutschen schlechthin. Als historischer Auslöser dafür werden die Pilgerreisen des Mittelalters gesehen - und Pilgerreisen sind auch ein Auslöser für die neue Popularität des Wanderns.


Erste Gehversuche auf dem Jakobsweg

Besonders beliebt ist der in Deutschland weit verzweigte Jakobsweg. Auch der Münnerstädter Norbert Düring machte sich vor zehn Jahren auf den Weg nach Santiago de Compostela. Er lächelt bei der Erinnerung, denn seitdem ist er jedes Jahr zu Fuß auf Reisen gegangen. "Meine ersten Gehversuche ... aber es ist ja nicht so, dass man müder wird, je länger man unterwegs ist. Man wird von Tag zu Tag fitter." Nach 100 Tagen kam er in der spanischen Pilgermetropole an. Im Schnitt werden an der Endstation des Jakobswegs im Pilgerbüro jährlich etwa 15 000 Deutsche registriert. Das sind fast zehn Prozent der Pilger. Mehr kommen nur aus Spanien selbst.
Der aktive Katholik Norbert Düring ging am Jakobsweg in jede Kirche. Einige gefielen ihm besonders gut wie das Ulmer Münster und die Stadtkirche St. Jakob in Rothenburg ob der Tauber. "Aber ich möchte das Pilgern nicht an der Kirche festmachen", sagt der 59-Jährige. Auch die körperliche Herausforderung sei nicht das Entscheidende. "Es geht um das Bewusstsein. Um die Gnade, Zeit zu haben."


Seit den 60ern jedes Jahr nach Vierzehnheiligen

Düring bezeichnet sich als "passionierten Wallfahrer". Er ist Hausmeister in einem Kindergarten, lebt seit über 20 Jahren in Münnerstadt, stammt aber aus Bundorf im Kreis Haßberge. Seit Ende der 60er-Jahre ist er jedes Jahr von Bundorf aus mit nach Vierzehnheiligen gelaufen. Als Wallfahrer in so einer großen Gruppe läuft man anders, erklärt der 59-Jährige. Aber im Grunde geht es immer um das Gleiche: Die innere Ruhe und Gelassenheit, die sich beim Laufen einstellt, dabei der Blick auf die Natur und Begegnungen am Wegesrand sind die Hauptgründe, warum viele Deutsche ihr Heimatland zu Fuß erkunden. Nur die Hälfte der Pilger ist in religiöser Absicht unterwegs. Auch Dürings Frau Elisabeth läuft gerne. Sie sagt: Sie wandert und ihr Mann pilgert. "Den Unterschied haben wir noch nicht raus."


Von wegen Filzhut und Wanderlieder! HighTech-Kleidung und GPS-Gerät...

Vor ein paar Jahren herrschte noch die Vorstellung, das vor allem ältere Herren mit Filzhut auf dem Kopf und einem volkstümlichen Wanderlied auf den Lippen Berge hinaufmarschieren. Heute ist Wandern in Deutschland ein Wirtschaftsfaktor, der vom Tourismus über High-Tech-Kleidung bis zu Software und GPS-Geräten reicht. Es wird sehr differenziert betrachtet: Außer dem Pilgertrend gibt es die Trendsportart Nordic Walking. Das Geocachen. Und dann noch die Trekker und Fernwanderer. Und natürlich die Spaziergänger.


Wandern und pilgern

Seit Düring vom Jakobsweg zurückgekehrt ist, macht er jedes Jahr gemeinsam mit seiner Frau einen Wanderurlaub. Oder eine Pilgerreise - je nachdem, wie man's sieht. Manchmal entdecken sie ganz in der Nähe Kleinode wie die barocke Wallfahrtskirche Maria im Weingarten (Foto) über Volkach am Main. Die beiden sind den Ökumenischen Pilgerweg gelaufen, der durch Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen führt. Jetzt sind sie etappenweise auf dem Grenzweg zwischen Ost- und Westdeutschland unterwegs. Eine Strecke, die ähnlich wie der Jakobsweg in den vergangenen Jahren viel Zulauf hatte - wenn auch aus ganz anderen Gründen: 25 Jahre nach der Wiedervereinigung ist es wie eine Reise durch die Geschichte. Aber wenn der Wanderer gern pilgert, findet er auch auf dieser Strecke das ein oder andere Gotteshaus.

Unbekanntes, schauerliches und schönes Deutschland: Lesen Sie hier, was das Ehepaar Düring bisher auf dem Grenzweg erlebt hat.


Geht doch! Norbert Dürings Wandertipps

1. Gepäck Norbert Düring empfiehlt, sich auf grundlegende Dinge zu beschränken: "Im wörtlichen, aber auch im übertragenen Sinn!" Geistiger Ballast und der ein oder andere Unsinn, den jeder mit sich schleppt, wird im Lauf der Wanderung automatisch zurückgelassen. Düring ist bei seiner ersten großen Tour auf dem Jakobsweg mit zwölf Kilo (inklusive Wasserflasche) gestartet. Heute hat er nie mehr als acht Kilo dabei. Sehr praktisch: leichte, schnell trocknende Funktionskleidung.

2. Gelenke Mit Wanderstöcken zu laufen, senkt die Belastung für Beine, Gelenke und Wirbelsäule. Wer Knieprobleme hat, merkt bergab, wie gut Stöcke die stauchende Bewegung abfedern. Düring läuft ohne, nutzt aber einen Wanderstab. "Da kann man mal ne Brennessel beiseite schieben oder nen Hund vertreiben." Wichtig ist außerdem gutes Schuhwerk. Dann sei auch ein "Einlaufen" nicht nötig. "Blasen läuft man sich, wenn's der liebe Gott will", stellt er lakonisch fest. Und wenn's passiert: Blase aufschneiden. "Da gehört ein Fenster reingeschnitten. Das sagt Schwester Dagmar aus Vierzehnheiligen." Und die sei eine Autorität unter den Pilgern. Düring lacht. "Bei uns heißt sie Schwester Rabiata."

3. Gedanken Wer einen der zertifizierten Qualitätswanderwege wählt, hat die Sicherheit, dass die Strecke naturbelassen, sehenswert und gut beschildert ist. Düring empfiehlt, sich nicht zu viele Gedanken zu machen. "Und nicht ständig in die Wetter-App schauen! Wie es kommt, so kommt es." Es gehe darum, innerlich bereit zu sein. Und keine Sorge: Der Münnerstädter hat nie im Voraus eine Unterkunft gebucht, musste aber auch nie unter freiem Himmel schlafen. "Es findet sich immer etwas. Es reicht, wenn man Start- und Zielort plant." Und selbst das solle man nicht zu eng sehen: "Es ist ok, wenn man nicht am Ziel ankommt. Es geht nicht darum, etwas zu beweisen."