Schusswechsel, brennende Barrikaden, Drohnenangriffe: Der Einsatz gegen das Rote Kommando in den Favelas der Küstenmetropole Rio de Janeiro führt zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen. Menschenrechtler üben Kritik.
Bei einem blutigen Polizeieinsatz gegen das kriminelle Verbrechersyndikat Comando Vermelho (Rotes Kommando) in der brasilianischen Küstenstadt Rio de Janeiro sind mindestens 132 Personen ums Leben gekommen. Das teilte die unabhängige Ombudsstelle des Bundesstaats Rio de Janeiro mit. Damit stieg die Zahl der Opfer einen Tag nach den stundenlangen Gefechten in den Favelas Alemão und Penha auf mehr als das Doppelte an.
Die Regierung des Bundesstaats Rio de Janeiro bestätigte zuvor zunächst 64 Tote, darunter vier Polizisten, korrigierte die Zahl dann aber ohne Angabe von Gründen auf 58. Allerdings bargen die Bewohner der Favela Penha am Mittwoch (29. Oktober 2025) zahlreiche Leichen aus den umliegenden Brachflächen und Waldgebieten und legten sie auf der Hauptstraße des Viertels ab. Der Sprecher der Militärpolizei Marcelo de Menezes Nogueira sagte dem Fernsehsender TV Globo, er gehe davon aus, dass es sich um weitere Tote handele, die noch nicht registriert wurden.
Comando Vermelho ist in Drogenhandel verwickelt
Die Bewohner der Favela reihten die Toten nebeneinander auf, einige unter Decken, viele aber auch nur mit Unterhosen bekleidet. Familienmitglieder suchten nach ihren Angehörigen, andere trauerten bereits um ihre Toten. "In 36 Jahren in der Favela, in denen ich mehrere Operationen und Massaker miterlebt habe, habe ich noch nie etwas Vergleichbares gesehen wie das, was ich heute sehe", sagte der Aktivist Raull Santiago, der bei der Bergung der Leichen half, dem Sender TV Globo. "Das ist etwas Neues. Brutal und gewalttätig auf einem bisher unbekannten Niveau."
Bei der Operation handelte es sich um den blutigsten Polizeieinsatz in der Geschichte des Bundesstaates Rio de Janeiro. Trotz der blutigen Bilanz bezeichnete Gouverneur Cláudio Castro die Operation als Erfolg. "Wir stehen zu allem, was wir gestern getan haben", sagte er und kondolierte den Familien der vier getöteten Beamten. "Die einzigen Opfer gestern waren diese Polizisten."
Das Comando Vermelho ist eines der größten kriminellen Verbrechersyndikate des südamerikanischen Landes und vor allem im Drogenhandel aktiv. Bei dem Einsatz wurden nach Angaben der Behörden 81 Verdächtige festgenommen - darunter ein regionaler Anführer der Gruppe und der Finanzchef von einem der obersten Bosse der Gang. Die Polizei beschlagnahmte zudem über 90 Schnellfeuerwaffen und mehr als 200 Kilogramm Drogen.
Heftige Gefechte mit Schnellfeuergewehren und Drohnen
Nach dem Einsatz wurden zehn bereits inhaftierte hochrangige Anführer des Comando Vermelho in ein Hochsicherheitsgefängnis verlegt. Sie sollen Vergeltungsmaßnahmen gegen die Sicherheitskräfte angeordnet haben.
Mindestens 2500 Polizisten waren an der Operation beteiligt, bei der auch zwei Hubschrauber und Dutzende gepanzerte Fahrzeuge zum Einsatz kamen. Kriminelle steckten Barrikaden und Autos in Brand, warfen Sprengsätze von Drohnen ab und eröffneten das Feuer auf die Beamten. Vier Polizisten kamen bei dem Einsatz ums Leben, neun weitere Polizisten wurden angeschossen. Auch drei Zivilisten gerieten ins Kreuzfeuer.