Mit Cowboys baute sie Windmühlen, Wasserpumpen und Zäune, als Barkeeperin warf sie prügelnde Raufbolde hinaus. Maria Tribale aus Isling scheute keinen Knochenjob, um sich ihren Traum zu erfüllen: Über zwei Jahre bereiste sie Australien und verdiente von Anfang an selbstständig ihren Lebensunterhalt.
Sie hat das getan, was den wenigsten Menschen gelingt: sie hat ihren Traum verwirklicht. Sechs bis zwölf Monate wollte Maria Tribale Australien bereisen, um Lebenserfahrungen zu sammeln, auf sich alleine gestellt zurecht zu kommen, ihr Englisch zu verbessern und echte Cowboys zu treffen. Als 19-Jährige flog sie deshalb am 1. September 2010 nach Perth, doch erst als 21-Jährige kehrte sie am 12. September 2012 zurück, nach genau zwei Jahren und elf Tagen. Ihre abenteuerliche Geschichte hat einen Hauch von Crocodile Dundee.
War es jugendliche Unbekümmertheit? Maria hatte ihr Australien-Abenteuer jedenfalls kaum geplant, nur die ersten zwei Übernachtungen in einem Hotel gebucht. Das war's auch schon. "Dann wollte ich sehen, wie's weitergeht." Ihre Eltern hatten ihre Entschlossenheit offenbar unterschätzt und sich vor ihrer Abreise nicht groß mit ihren Plänen beschäftigt. "Mach nur", hatte sie zu hören bekommen. Als sie das Visum in der Hand hatte, schauten sie zwar etwas betroffen, unterstützten ihre Tochter aber trotzdem.
Australier haben eigenen Slang "Überglücklich" war Maria Tribale, als sie in Perth aus ihrem Flugzeug stieg. 2007 war sie im Schüleraustausch in Melbourne und im Outback gewesen, nun wollte sie den Rest des Kontinents kennen lernen, erklärt sie mit einer verblüffenden Selbstverständlichkeit. Obwohl sie bis zu ihrem Abitur Englisch als Leistungskurs hatte, musste sie doch eine gewisse Sprachbarriere überwinden. "Es war halt Schulenglisch. Die Australier haben ihren eigenen Slang, das war am Anfang schon hart", gibt Maria zu. Die größte Umstellung war jedoch für sie, einfach mal in den Tag hinein zu leben, wenn sie nicht gerade arbeitete. Sehr spontan musste sie oft entscheiden, wem sie sich anschließen sollte. Und wenn sie ihrer Familie in Isling über Facebook, Telefon oder Skype alle zwei Wochen ein Lebenszeichen übermittelte, konnte sie nicht immer sagen, wo sie demnächst sein würde.
Aber Maria bewies Improvisationstalent. Nach den ersten zwei Nächten im Hotel ging sie zu einer Job-Agentur in Perth und bekam gleich die erste Arbeitsstelle. Sie hatte zwar 1000 Euro dabei und hätte im Notfall auch auf ihr Bankkonto zurückgreifen können, doch sie wusste, dass sie mit dieser kleinen finanziellen Reserve nicht weit kommen würde. So verdingte sie sich als "Mädchen für alles" auf einer riesigen Ranch. Und dieser erste Job hatte es in sich: Maria kochte, putzte, war Gärtnerin, Babysitterin und baute sogar Windmühlen, Wasserpumpen und Zäune mit den Cowboys. Sie schmunzelt, als sie das erzählt: "Es war sehr harte Arbeit, aber das sind auch harte Burschen, Jackeroos genannt." Und sie selbst? Am Kordigast auf einem Bauernhof aufgewachsen, sei sie es gewohnt, früh aufzustehen, den ganzen Tag durchzuarbeiten und erst Feierabend zu haben, wenn die Arbeit erledigt ist. "Dort war's genau das Gleiche."
90 Kilometer bis zum Nachbarn Mit nichts in ihrer Heimat vergleichbar war jedoch die Abgeschiedenheit dieser Ranch: 350 Kilometer bis zum nächsten Dorf, 90 bis zum nächsten Nachbarn. Hier bekam Maria, weitab vom Touristenpfad, einen unverfälschten Eindruck von typisch australischer Lebensweise. Die Leute dort charakterisiert sie als sehr offen: "Die haben mich gleich aufgenommen: Wie heißt Du, wo kommst Du her, setz Dich und schenk Dir was ein. Schon gehörte ich dazu."
Nach drei Monaten auf der Ranch zog Maria mit anderen Arbeitern weiter an die Südküste und fuhr dann, nach zwei Wochen Urlaub dort, mit dem Indian-Pacific-Zug nach Adelaide. Am Schwarzen Brett in einem Hotel fand sie den nächsten Job: Auf einer Ranch, 50 Kilometer von Adelaide, trainierte sie zwei Wochen lang Rennpferde.
Um auch mal in der Stadt zu leben, wechselte Maria nach Melbourne. Ihre Brötchen verdiente sie dort in einem großen Cafe als Bedienung und Verkäuferin. Das war zwar, im Gegensatz zum Knochenjob auf der ersten Farm, sehr angenehm, "aber man war halt den ganzen Tag drin". Immerhin hielt es das Naturkind Maria sechs Monate aus, auch deshalb, weil sie gutes Geld machte. Teilweise arbeitete sie dafür aber sieben Tage die Woche von 6 bis 18 Uhr. "Melbourne ist eine Superstadt", schwärmt Maria, "sehr schön und trotz ihrer Größe auch sehr übersichtlich und strukturiert."
Sie lebte in einem Appartement in einer Wohngemeinschaft mit einem Australier und einer Kolumbianerin.
Im Juni 2011 brach Maria ihre Zelte dort ab und ging nach Mildura an der Grenze zwischen Victoria und New South Wales. Drei Wochen pflückte sie dort Trauben - tagsüber. Nachts arbeitete sie in einer Bar und ließ sich auch hier nicht unterbuttern. Natürlich wurde die hübsche junge Frau kräftig angebaggert. Als beste Methode, sich diese Kerle vom Leib zu halten, empfiehlt Maria, sie nicht ernst zu nehmen, zu lachen - und das Trinkgeld einzustecken.
Auch einige Schlägereien erlebte sie in der Bar. "Die Jungs klären, wer der Stärkere ist, danach gibt's meistens ein Shakehand." Doch wenn die Sache auszuarten drohte, griff Maria, obwohl sie allein in der Bar arbeitete, resolut ein und komplimentierte die Raufbolde kurzerhand hinaus.
Ihre nächste Station war Cairns an der nördlichen Ostküste, wo sie in tropischem Regenwaldklima zwei Wochen Urlaub machte. Danach, kaum in Cape Tribulation angekommen, schlüpfte Maria in eine neue Rolle als Tour-Guide für Reiterausflüge, und so wurde aus der Touristin eine Touristenführerin. "Das war mein Traumjob", erläutert Maria mit leuchtenden Augen: "Jeden Tag Pferde satteln und ausreiten - an den Strand und durch den Regenwald." Die Sache hatte nur einen Haken: Die Bezahlung war schlecht. Nach zwölf Wochen blieb Maria nichts anderes übrig, als den Traumjob hinzuschmeißen. Drei Monate Arbeit im Pub besserten ihre Kasse wieder auf. Mit anderen Rucksacktouristen fuhr sie nun die Ostküste entlang, nach Brisbane, und von dort per Anhalter mit einer Österreicherin nach Sydney.
Im Januar 2012 flog sie nach Perth, arbeitete in einer Bar und kaufte sich einen Van, um im Februar mit ihrer Freundin Steffi aus Giechkröttendorf, die in ihren Semesterferien angereist war, die Westküste hochzufahren. Manchmal ist der Weg das Ziel: "Das war endlich wieder ein vertrautes Gesicht, und die Tour war super." Nach drei Wochen kehrten sie nach Perth zurück. Dort war im Januar Hochsommer, mit 44 Grad, im Februar waren es immerhin noch satte 38 Grad. Während Steffi wieder in den Giechkröttendorfer Winter zurück musste, flog Maria, nachdem sie ihr Auto verkauft hatte, zurück nach Cape Tribulation. Dort wollte sie vor ihrer Rückkehr nach Deutschland noch einmal Freunde sehen, vor allem Lawrence, einen Maori aus Neuseeland, "der mir schon gefallen hatte". Per Handy waren sie in Kontakt geblieben. "Vorher war's Freundschaft, doch als wir uns wieder sahen, war's um uns geschehen."
Ein Strand wie im Paradies Jetzt wollte Maria in Australien bleiben und fing wieder an, im Pub zu arbeiten, vier Monate, bis August. Sie und Lawrence brauchten nicht viel zum Glücklichsein: "Wir hatten zusammen ein Zimmer - aber nur zum Schlafen. In unserer Freizeit waren wir den ganzen Tag draußen, meistens am Strand, der nur zwei Minuten Fußweg entfernt war." Maria zeigt ein Foto von einem paradiesischen Strand, an dem es sogar ohne Lawrence schön gewesen wäre. Als die beiden anfingen, über ihre Zukunft nachzudenken und Pläne zu schmieden, lief Marias Visum zum 1. September ab.
Sie war gerade eine Woche zurück in Isling, da rief Lawrence an und sagte, er wolle nach Deutschland kommen. "Eine Woche später war er schon da", berichtet Maria weiter und will ihr Strahlen auch gar nicht verbergen. Und während Crocodile Dundee seiner Angebeteten in den New Yorker Großstadtdschungel folgte, wagte sich Lawrence sogar nach Isling.
"Wir bleiben bis Januar hier, auf Urlaub", umreißt Maria ihren Zeitplan. "Dann fliegen wir nach Neuseeland - neuen Abenteuern entgegen." Bis dahin lernt der Maori Lawrence Fränkisch. Die ersten Begriffe hat er, wie Maria augenzwinkernd versichert, schon kapiert: "Er weiß zum Beispiel, dass take it easy auf Fränkisch heißt: Tu Dich fei nier ou."