Auf den Spuren eines Lichtenfelser Bürgers

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Dosenbarometer, Taschenkilometerzähler, Handschriftliches - Christian Greiner weiß schon viel über den Seubelsdorfer Abend. Er will noch mehr wissen. Foto: Markus Häggberg
Dosenbarometer, Taschenkilometerzähler, Handschriftliches - Christian Greiner weiß schon viel über den Seubelsdorfer Abend. Er will noch mehr wissen.  Foto: Markus Häggberg

Christian Greiner ist wissenschaftlicher Volontär. Er nahm die Spur zu einem wissbegierigen, einsilbigen und alleinstehenden Mann auf, der in Seubelsdorf geboren und mit 73 Jahren noch Stadtarchivar wurde.

Eigentlich kann Christian Greiner gar nicht so genau sagen, wie viel Arbeit auf ihn zukommen wird. Der 32-Jährige soll sich eine Meinung über einen Mann bilden, der 1952 verstorben ist: Moritz Abend. Nach ihm wurde in Lichtenfels eine Straße benannt. Aber wer war der Mann?

Am 15. Mai 2012 trat Greiner sein wissenschaftliches Volontariat in Lichtenfels an. Das Stadtmuseum und das Stadtarchiv sind an dem interessiert, was er über einen landläufig weitgehend vergessenen Lichtenfelser zutage fördern wird. Wie viel das sein wird, ist noch ungewiss. Die meisten Dokumente hat der Historiker und Politikwissenschaftler mit Doktortitel noch nicht eingesehen, was auch daran liegt, dass das Auswerten seine Zeit dauert und daran, dass das Auswerten vielschichtig ist.


Geboren 1867 in Seubelsdorf

Mit Mundschutz und Handschuhen zum Schutz vor Schimmelsporen nähert sich Greiner beispielsweise den Hinterlassenschaften Abends, der zu seiner Zeit in einer Beziehung zu den Privilegierten von Lichtenfels, wenn nicht sogar der Welt zählte: Er war Weltreisender und jemand, der sich zeitweise das Steckenpferd des ernsthaften geologischen Forschens leisten konnte. Griechenland, Ägypten, Indien, Japan, China, Australien und Amerika - Stationen eines Lichtenfelsers.

Am Ende seines eigenen Forschens und seines Aufenthalts, der noch bis zum 14. Mai 2014 währen wird, soll ein von ihm verfasstes Schrifttum über Moritz Abend stehen. Eine glaubwürdige und fundierte Annäherung an einen Ungewöhnlichen. Bei der Museumsnacht vor wenigen Wochen hat er in einem kleinen Kammerspiel die Person des Moritz Abend schauspielerisch verkörpert. Als Reisebegleiter einer holländischen Gräfin.

Geboren wurde Moritz Abend 1867 in Seubelsdorf. Er war Kaufmann in der Korbwarenbranche, auch in der Seidenindustrie. Zeitweilig tätig in Frankreich und Nürnberg. Ein erfolgreicher Kaufmann? "Ja, das würde ich schon sagen. Er hat problemlos neue Anstellungen finden können", versichert Greiner. So weit waren seine Forschungen ergiebig, um das sagen zu können. Vor Greiner liegt ein Brillenetui. Wissenschaftlicher Beifang aus dem Besitz von Abend. Eine Aufschrift auf dem Etui spricht von "Michael Wagner opt. Institut Coburg & Lichtenfels".

Erste Quelle: Der Nachruf.

Es wird vermessen und katalogisiert werden. Vielleicht hilft die Aufschrift ja dabei, die Brille zu datieren. Wer weiß, vielleicht bringt einen das einem Aspekt aus Abends Leben näher. Aber wie nähert man sich einem Unbekannten? "Das ging gleich, weil mich die Person immer mehr interessierte." Greiner lächelt, als er das sagt.
Eine der ersten Quellen zu Abend stellt der 1952 verfasste Nachruf dar. In ihm ist die Rede von Abend als dem Lichtenfelser Stadtarchivar. Wieder eine ungewöhnliche Tätigkeit des Mannes, der mit zunehmendem Alter Interesse an geschichtlichen Themen fand, wie Greiner sagt. Vor ihm liegt ein Dosenbarometer in einer ledernen Umhängetasche. Im Tascheninneren steht mit blauer Tinte ein achtsamer Vermerk: Eigentümer Moritz Abend, Burgberg 90, Lichtenfels/Bay. Abend gab viel von seinem Geld für Wetterinstrumente, Taschenkilometerzähler, Stangenzirkel oder Winkelmesser aus.

Die brauchte er auf seinen Wanderungen, die er zum Teil mit anderen Hobbygeologen, zum Teil aber auch mit namhaften Wissenschaftlern am Obermain verbrachte. "Er hat sich wohl geführt", folgert Greiner und zieht daraus den Schluss, dass das als eine Auszeichnung für Abend zu werten ist.

"Er galt als akribisch", so der gebürtige Augsburger, der noch mehr weiß. "Er hat definitiv Professoren und Instituten zugearbeitet. Er hat auch in Fachzeitschriften publiziert, zum Beispiel einen Artikel über einen Bergrutsch bei Kloster Banz 1911." Über das Private bei Moritz Abend ist hingegen wenig bekannt. Er war "eingefleischter Junggeselle" über den sich sagen lasse, "dass ihn sein Hunger nach Bildung ausgemacht" habe.

Er galt als akribisch

Und dann war da noch die Geschichte der holländischen Gräfin. Sie ging auf Weltreise und benötigte jemanden, der sie als Sprachenhilfe gegen Bezahlung begleitete. Abend soll sehr firm in Sprachen gewesen sein. "Er war auf irgendeinem Coburger Gymnasium", weiß Greiner. Latein? - "Ja!". Griechisch? - "Möglich." Französisch? - "Definitiv!" Holländisch? - "Möglich, vielleicht auch friesisch." Englisch? - "Anzunehmen." Ob das Verhältnis Abends zur Gräfin geschäftlich, amourös oder beides war, lässt sich nicht oder noch nicht sagen.

Er war ein Sprachtalent

In privaten Dingen ging der eingefleischte Junggeselle nicht so aus sich heraus. Die bisherige Sichtung seiner Briefe ergab eher das Bild eines Mannes, der dann aufblühte, wenn er Fachsimpeln konnte. "Er war keiner, der sehr offen zu Leuten war - außer er konnte Wissen weitergeben. Dann ist er aufgeblüht", so Greiners Einschätzung. Die Stadt Lichtenfels hatte die Beerdigungskosten für Abend übernommen.

Ihn verließ in späten Jahren das Geschäftsglück und er musste spät einen Hilfsjob im Finanzamt Coburg und später, mit 73 Jahren, die Stelle als Stadtarchivar annehmen. Ob er Humor hatte? "Der Nachruf spricht von schelmischem Minenspiel." Greiner hat sich der Person Abend angenähert. Er würde, das glaubt er, mit Abend ein Bier trinken gehen. Aber ob ein in sich gekehrter Mensch wie Abend überhaupt wollen könnte, dass man ihn erforscht, "das kann man sich wirklich fragen", räumt Greiner ein.