Neuenmarkts Jugendsprecher Kaiser zurückgetreten

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Martin Kaiser ist von seinem Amt als Jugendbeauftragter zurückgetreten. Neuenmarkts zweiter Jugendsprecher Nino Reiter und Dritte Bürgermeisterin Patricia Lerner kümmern sich nun zusammen mit einer Verwaltungsfachkraft um die Ausführung der Jugendwerkstatt morgen in der Dreifachturnhalle. Foto: Ronald Rinklef
Martin Kaiser ist von seinem Amt als Jugendbeauftragter zurückgetreten. Neuenmarkts zweiter Jugendsprecher Nino Reiter und Dritte Bürgermeisterin Patricia Lerner kümmern sich nun zusammen mit einer Verwaltungsfachkraft um die Ausführung der Jugendwerkstatt morgen in der Dreifachturnhalle. Foto: Ronald Rinklef

Martin Kaiser ist überraschend als Jugendbeauftragter in Neuenmarkt zurückgetreten - kurz vor dem Start des Projekts "Zukunftswerkstatt" am Freitag.

Als Martin Kaiser vor zwei Jahren für die Freien Wähler in den Neuenmarkter Bürgermeister-Wahlkampf zog, lautete sein Credo: "Ich mache keine Alibi-Sachen mit." Das gilt auch, wie er sagt, für seine Rolle als Jugendsprecher der Gemeinde. Von diesem Amt ist der 33-Jährige nun zurückgetreten - und das kurz vor der Aktion "Zukunftswerkstatt" (siehe Infobox), ein Projekt der Kommunen, des Kreisjugendrings sowie der Landkreisjugendarbeit, das am Freitag als Kooperation mit der Gemeinde Wirsberg startet.

Warum Kaiser hinschmeißt? "Das hat eine längere Vorgeschichte", sagt er gegenüber der BR. Er habe bereits bei Antritt der Stelle des Jugendsprechers im Mai 2014 Zweifel gehabt. "Ich wollte es ursprünglich nicht machen. Als ich in den Gemeinderat gewählt wurde, dachte ich: Da kommt Vieles auf mich zu.
Ich bin jemand, der nicht alles an Posten und Aufgaben an sich reißt, sondern im Gegenteil nach der Devise fährt: Lieber weniger und das dafür vernünftig."


Zweifel an Ernsthaftigkeit

Er habe sich dann doch dazu durchgerungen und das Amt angenommen. Allerdings hätten die Vorbereitungen auf die Zukunftswerkstatt gezeigt, "dass die Gemeindeführung da offensichtlich nicht genügend dahintersteht". Kaiser macht das unter anderem daran fest, dass beispielsweise Bürgermeister Siegfried Decker (Neuenmarkter Gemeinschaft) an den meisten Vorgesprächen nicht teilgenommen habe. "Ich selber war froh, als der Landkreis Kulmbach uns eingeladen hat zu diesem wichtigen Jugendprojekt. Ich finde die Idee richtig klasse, aber ich sagte mir schnell: Das wird sich so in Neuenmarkt nicht stemmen lassen, wenn man es mit der nötigen Ernsthaftigkeit verfolgen will. Da könnten Bedürfnisse geweckt werden, die wir nicht ansatzweise erfüllen können."

Kaiser betont, er habe gezweifelt, ob im Gemeinderat das nötige Verständnis für ein solches Projekt vorhanden sei. Ihn habe das Gefühl beschlichen: Das wird ein Abend für junge Leute, damit sie sich mal aussprechen - das war es dann auch. "Aber das ist zu wenig."

Als Decker und sein Wirsberger Amtskollege Hermann Anselstetter (SPD) im Januar beschlossen, die Jugendwerkstatt gemeinsam auszurichten, habe Kaiser an der darauf folgenden Sitzung im Februar aus terminlichen Gründen nicht teilnehmen können. "Ich habe eine Mail bekommen mit dem Protokoll - und sonst nichts mehr. Da dachte ich noch, es wird sich aus dem Rathaus schon mal jemand mit mir in Verbindung setzen, um ausführlich die Sache zu beraten. Es kam leider gar nichts."

Als Ende Juli ein neuerliches Treffen in Neuenmarkt anberaumt wurde, habe Kaiser auf Unterstützung gehofft. "Ich bin guten Mutes da hin. Von unserer Kommune war ich alleine da, zusammen mit einer Verwaltungskraft. Von den Verantwortlichen der Gemeinde keine Spur - und das, obwohl der Termin ja in Neuenmarkt stattfand."
Neben dieser fehlenden Unterstützung moniert Kaiser die finanzielle Ausstattung des Projekts. "Ich kann keine Entscheidung treffen, weil ich nicht einfach über ein Budget verfügen kann."

500 Euro hätten zur Verfügung gestanden - eine Spende der Familie Stelter. "Das sollte die Kosten abdecken, aber das ist leider nur die halbe Wahrheit. 500 Euro stellt das Landratsamt der Kommune in Rechnung, unter anderem für die Bereitstellung der Helfer, für Material und die Moderation der Jugendwerkstatt." Kaiser würdigt das Engagement der Helfer explizit. "Die machen einen Superjob. Aber fest steht auch: Auf die Gemeinde kommen weitere Kosten zu: Die Verpflegung aller Beteiligten muss gewährleistet werden, ein Shuttle-Bus ist einzurichten und Vieles mehr. Aus dem Bauch heraus schätze ich, dass es ein Budget über mindestens 1500 Euro bräuchte."


Dringlichkeitsantrag gestellt

Deswegen habe er einen Dringlichkeitsantrag im Gemeinderat eingereicht. Aber auch daraufhin sei es zu keinem weiteren Austausch mit Bürgermeister Decker gekommen. Schließlich habe sich Dritte Bürgermeisterin Patricia Lerner (SPD) bereit erklärt, sich einzubringen. Instruktionen seien weiterhin Fehlanzeige gewesen. "Ich habe nochmals in der Verwaltung nachgeforscht. Die Antwort lautete sinngemäß: Es gibt keine Instruktionen, das macht doch alles der Kaiser." Das sei der Tropfen gewesen, der das Fass zum Überlaufen gebracht habe. "Ich lasse mir so etwas nicht vor die Füße werfen. Ich hatte von Anfang an den Eindruck, dass es seitens der Gemeindespitze über den Charakter einer Alibi-Veranstaltung nicht hinauskam. Wenn es dann schlecht gelaufen wäre, hätte es womöglich geheißen: Der Kaiser hat's verbockt. Danke, das brauche ich nicht."

Welche Reaktionen sein Rückzug ausgelöst hat? "Der Gemeinderat hat es zur Kenntnis genommen", sagt Kaiser. Ein Kollege aus dem Gremium habe Bedauern über den Rücktritt geäußert. "Ich habe den Schritt wahrlich nicht gerne getan. Die Aufgabe war eine gute Sache und ich konnte wenigstens ein paar kleinere Dinge anstoßen." Gefreut hat sich Kaiser über das Dankeschön aus der Verwaltung. "Vom Bürgermeister kam keine Reaktion weiter, aber das trage ich ihm nicht nach."

Siegfried Decker befindet sich derzeit im Urlaub. Sein Stellvertreter Alexander Wunderlich (CSU) äußerte auf BR-Nachfrage Bedauern über Kaisers Entscheidung. "Ich weiß nichts über die Hintergründe, aber er hat weder im Vorfeld mit mir gesprochen noch etwas bei den Gemeinderatssitzungen anklingen lassen. Ich werden aber nun das Gespräch mit ihm suchen."

KJR-Geschäftsführer bedauert Rücktritt

Jürgen Ziegler, Geschäftsführer des Kreisjugendrings, bedauert Martin Kaisers Schritt. "Zu den Hintergründen kann ich nichts sagen, die kenne ich nicht. Ich denke aber, die Zukunftswerkstatt ist eine Chance, sich als Jugendbeauftragter zu zeigen. Er ist schließlich derjenige, der Neues in einer Kommune anschieben kann." Was bei einem solchen Projekt herauskommt, hänge in erster Linie von den beteiligten Jugendlichen ab, sagt Ziegler. "Es ist schwer, die Ergebnisse vorher abzusehen. Es gab aber bei jeder der bisherigen Aktionen Punkte, die engagierte Kommunalpolitiker in die Tat umsetzen konnten."

Freilich würden auch unrealistische Vorschläge gemacht. Ziegler nennt hier die geforderte U-Bahn zwischen Rugendorf und Stadtsteinach. "Zum Erwachsenwerden gehört auch zu akzeptieren, dass das Leben nicht immer ein Wunschkonzert ist. Aber es ist wichtig, überhaupt abzufragen, welche Erwartungen jungen Leute an ihre Kommune haben." Für manches finde sich ein Kompromiss, sagt Ziegler und nannte ein Beispiel aus Stadtsteinach: "Der Wunsch nach einem Kletterpark lässt sich wohl schwer verwirklichen. Aber es gelang, einen Bus zu organisieren und gemeinsam in einen solchen Park zu fahren. So kann es eben auch laufen."

Das Projekt

Kreisjugendring und Kreisjugendarbeit haben seit 2013 in fünf Kommunen Jugendwerkstätten unter dem Slogan "Mein Dorf hat Zukunft" angeboten. Beteiligt haben sich Stadtsteinach, Thurnau, Marktschorgast, Grafengehaig und Marktleugast. Jugendliche zwischen 12 und 18 Jahren können dabei ihre Wünsche und Verbesserungsvorschläge einbringen. In Neuenmarkt findet, in Kooperation mit Wirsberg, die Veranstaltung am 23. September um 18 Uhr in der Dreifachtunrhalle statt. jn