An den 24. Mai dieses Jahres wird ein 44-jähriger Mann aus Stadtsteinach noch lange denken: Völlig unvermittelt wurde er unweit vom Marktplatz beim Ausführen seines kleinen Chihuahua-Hundes von einem riesigen Mischlingshund angegriffen, zu Boden geworfen und mehrfach gebissen.
Drei große Bisswunden im Oberschenkel mussten genäht, mehrere Reißwunden versorgt werden. Kratzer und blaue Flecken erlitt er am ganzen Körper. 13 Tage war der Mann im Kulmbacher Klinikum stationär untergebracht.
Halter des Hundes ist eine 52-jährige Frau, ihre 18 Jahre alte Tochter war am 24. Mai mit dem Hund in Stadtsteinach unterwegs. Beide mussten sich am Mittwoch vor dem Amtsgericht wegen fahrlässiger Körperverletzung verantworten, gegen beide wurde das Verfahren aber vorläufig eingestellt - einmal gegen eine Geldbuße in Höhe von 2500 Euro, im Falle der Tochter gegen 50 Stunden gemeinnützige Arbeit.
Ein zivilrechtliches Verfahren steht noch aus.
Ob die Halterin dabei so gut weg kommt ist fraglich, immerhin fordert der Verletzte 10 000 Euro Schmerzensgeld.
Pikant ist die Hundeattacke vor allem deshalb, weil der Halterin von der Stadt bereits einige Auflagen in Bezug auf den drei Jahre alten Hund, eine Mischung aus Berner Sennenhund und Kroatischem Hirtenhund, gemacht wurden. Das 32 Kilogramm schwere Tier dürfe nur von Erwachsenen und körperlich geeigneten Menschen an einer eineinhalb Meter langen Leine ausgeführt werden, heißt es in dem Schreiben der Behörde.
Mit zwei Hunden unterwegs Grund dafür ist, dass der Hund schon einmal wegen seines Beißverhaltens auffällig wurde. Trotzdem ging die Tochter am 24. Mai mit dem Tier Gassi.
Und nicht nur das: Sie nahm auch den zweiten Hund der Familie mit, ebenfalls ein Mischlingshund, ähnlich groß und vom Gewicht her sogar noch etwas schwerer als der Übeltäter im vorliegenden Fall.
"Der Hund beißt nicht", sagte die Angeklagte. Weil das aber grundsätzlich jeder Hundebesitzer sagt, hatte die Frau sogar die Einschätzung eines Tiertrainers parat, der dem Sennen- und Hirtenhund angeblich attestierte, keinerlei aggressive Grundhaltung zu besitzen. "Außer er wird geschlagen", sagte die Frau und warf dem Opfer genau das vor.
Problem dabei war, dass die Frau bei der verhängnisvollen Hundeattacke gar nicht dabei war und ihr auch nicht nachgewiesen werden konnte, dass sie den Hund ihrer Tochter zum Ausführen gegeben hatte.
Offen und ehrlich räumte die Tochter ein, dass sie zu faul gewesen sei, mit den Hunden nacheinander auszugehen und deshalb entgegen aller Abmachungen und Auflagen mit beiden Hunden unterwegs war.
Ob das Opfer ihren Hund tatsächlich geschlagen hatte, wusste die junge Frau nicht. Trotzdem sagte sie: "Ich könnte mir das schon vorstellen."
In der Aussage des Mannes war davon natürlich nicht die Rede. Im Gegenteil: Der Hund habe ihn schon einmal angefallen, sagte er, wovon Mutter und Tochter allerdings nichts wussten oder wissen wollten. Der Vorfall beschäftige ihn sehr, sagte der Zeuge. Noch heute seien die Verletzungen nicht ausgeheilt, sein rechter Oberschenkel sei taub, ein Zustand, der nach Meinung der Ärzte wohl auch nicht mehr vergehen wird.
Nachweis schwer zu führen Nach Auffassung von Richter Christoph Berner ist trotzdem der strafrechtliche Nachweis einer fahrlässigen Körperverletzung gegen die Halterin schwierig zu führen. "Das Ganze ist sicher suboptimal gelaufen", sagte er zu der Angeklagten.
Schließlich kamen Gericht und Staatsanwaltschaft ungeachtet der noch folgenden Zivilrechtlichen Verhandlung um das Schmerzensgeld überein, das Verfahren gegen eine Geldauflage von 2500 Euro zu Gunsten des Opfers einzustellen.
Erziehung im Vordergrund Genauso bei der Tochter, die, obwohl selbst schon Mutter, zur Tatzeit Heranwachsende im Sinne des Gesetzes war und die der Jugendgerichtshilfe zufolge aufgrund des familiären Hintergrunds auch nach Jugendstrafrecht eingestuft werden sollte.
Dort stehen erzieherische Maßnahmen im Vordergrund, und so entschieden Gericht und Staatsanwaltschaft ebenfalls auf eine Einstellung, diesmal gegen 50 Stunden gemeinnützige Arbeit bei der Geschwister-Gummi-Stiftung in Kulmbach.
Der betreffende Sennen- und Hirtenhundmix soll noch im laufenden Jahr weggegeben werden, hieß es.